6.16 Die GAP und der Rechnungshof
6. Förderrichtlinien
6.18 Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und Gerechtigkeit
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6.17 Die Vorschläge zur GAP

Nun liegen sie vor, die Vorschläge zur neuen gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU, die nach 2013 die seitherige Regelung ablösen soll, wonach die Fläche/ha, die einzige Bemessungsgrundlage für die Direktzahlungen aus der I. Säule ist.  Diese lagen bzw. liegen noch immer im Durchschnitt bei rund 300 €/ha bis 450 €/ha und begünstigen die flächengroßen Betriebe, unabhängig davon, ob mit oder ohne Viehhaltung, unabhängig von der Betriebs- und Produktionsstruktur, unabhängig wie viel Arbeitskräfte je 100 ha beschäftigt werden.

Die nun vom EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos vorgelegten Vorschläge zielen in jedem Fall darauf ab, dass seitherige Unrecht, das in der groben Benachteiligung der Viehhaltenden bäuerlichen Familienbetriebe nun schon seit 10 Jahren besteht, zumindest deutlich einzuschränken. Gleichwohl kann der vorliegende Vorschlag noch nicht das letzte Wort sein. Die kürzungsfreie Basisprämie von 150.000 € ist in jedem Fall noch zu hoch, denn dies würde bedeuten, dass eine Betriebsgröße von rund 400 ha auch ohne Viehhaltung, die seitherige Prämie ungekürzt bekäme.

400 ha Ackerbau ohne oder mit wenig extensiver Viehhaltung, 2 bis 3 AK,  bedeutet 50 bis über 70.000 € je AK/Jahr.  

Das regt an, in der eigenen Bilanz/Gewinn- und Verlustrechung der letzten Jahre einmal nachzusehen, was der 50 ha/ 80ha bäuerliche Familienbetrieb mit Viehhaltung pro AK und Jahr erhalten hat.

Von 150.000 € bis 300.000 € Direktzahlung soll es eine gestaffelte Kürzung geben, die bei 300.000 €, 65.000 € betragen würde. Es bleiben dann immer noch 235.000 €.

Ein 800 ha Ackerbaubetrieb  erhält dann bei 5 (bis 10 AK) rund 25.000 € bis 50.000€ je AK/Jahr.

Auch die Obergrenze von 300.000 € ist daher weit überhöht. Die Berücksichtigung der Betriebs- und Produktionsstruktur, die Zahl der Arbeitskräfte die tatsächlich notwendig sind - um so zu verhindern, dass „Familienarbeitskräfte“ statistisch beschäftigt werden, die nur auf dem Papier stehen und das „Familieneinkommen“ im „Großbetrieb“, vielleicht einer Agrarkapitalgesellschaft, luxuriös, ohne entsprechende Arbeitsleistung im Betrieb, erhöhen. 

Ziel der Direktzahlung ist bekanntlich, das Einkommen der in der Landwirtschaft tätigen Arbeitskräfte zu sichern. Es soll - wenn auch in der Regel unausgesprochen - ein Ausgleich sein, für den am Markt, für die eigenen Produkte, nicht erzielbaren Preis - Lohn für die eigene Arbeitsleistung, für Leistung zur Erhaltung des ländlichen Raums, Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutz, Erzeugung gesunder Nahrungsgüter - ein leistungsgerechter Preis, der infolge der Monopolstellung der Abnehmer und Verarbeiter, der Billiganbieter in Supermärkten nicht erzielbar ist, soll so eine angemessen, ja notwendige,  Anerkennung und Stützung erfahren.  

Die Bauern stehen also nicht am Pranger, wenn sie Subventionen aus Brüssel, vom Bund oder dem Land erhalten, sondern erhalten einen Ausgleich dafür, dass der Konsument am Ladentisch, an der Kasse im Supermarkt einen so niedrigen Preis zahlt, der weit unter den tatsächlichen Wert der Nahrungsmittel liegt.  Der prozentuale Anteil, den der Bundesbürger - der Konsument in ganz Europa - für seine Ernährung ausgibt, ist bekanntlich nur noch ein ganz bescheidener Teil seines Einkommens und in den letzten Jahrzehnten ständig gesunken.

Einer vorgesehenen Berücksichtigung der Arbeitsleistung gebührt im Vorschlag der GAP nach 2013 angemessene Beachtung bei der Bemessung der Direktzahlungen aus der I. Säule. Der gegenwärtige Vorschlag des Agrarkommissars Ciolos ist jedoch in diesem Punkt, in dieser Form, auch bezüglich der Berücksichtigung außerlandwirtschaftlicher Einkünfte, abzulehnen.  

Gefördert werden sollte künftig vernünftigerweise nur noch der aktive Landwirt. Damit sollte ausgeschlossen werden, dass gewerbliche, industrielle Großbetriebe gefördert werden, und nichtlandwirtschaftliche Investoren, Kapitalfondsgesellschaften, Aktiengesellschaften  - die sich in nichtlandwirtschaftlichen Händen befinden, ebenso.

Dieser Förderausschluss muss auch bei Abnehmern der Agrarprodukte - Genossenschaften/Aktiengesellschaften und Verarbeitungsbetrieben landwirtschaftlicher Produkte greifen.

Eine Anhebung der Kappungsgrenze von 300.000 € pro Jahr durch Berücksichtigung der Personalkosten wird sicher einer Aushebelung der vorgesehenen Begrenzung zur Folge haben, da sich anzurechnende Personalkosten in der Gewinn- und Verlustrechnung eines Großbetriebes - Agrarkapitalgesellschaft - leicht erhöhen lassen, ohne das eine entsprechende Arbeitsleistung dahinter steht, betriebswirtschaftlich nicht erforderliche Arbeitskräfte beschäftigt werden können und die Löhne/Gehaltssumme des „Mehrfamilienbetriebes“ leicht zwecks Direktzahlungsanspruch erhöhen lässt.  

Hier könnte die Regelung, wie sie die Berufsgenossenschaft gefunden hat, als Vorbild dienen. Tatsächlich betriebswirtschaftlich notwendige Personalkosten über 300.000 € könnten mit max. 50 %  der Kappungsgrenze hinzugerechnet werden. Bei z. B. 400.000 € tatsächlich notwendiger Personalkosten wäre dann die Obergrenze von 300.000 € auf 350.000 € zu erhöhen, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.

Zur Kürzung der Direktzahlungen sollte es kommen, soweit Nebeneinkünfte diese ab einem bestimmten Niveau, die Direktzahlungen um mehr als 80 % übersteigen.  

Bei z. B. 10.000 € Direktzahlung und 20.000 € nichtlandwirtschaftlicher Einkünfte - gewerblicher Gewinn, außerlandwirtschaftliche Nebenerwerbseinkünfte (Lohn, Gehalt) - käme es dann zu einer Kürzung um 2.000 €, also von 10.000 € auf 8.000 €. Ab über 50.000 € nichtlandwirtschaftlicher Einkünfte sollten diese voll angerechnet werden und so zur entsprechenden Kürzung der Direktzahlung führen.

Oder kann es gerecht sein, wenn ein EU-Abgeordneter bei entsprechenden nichtlandwirtschaftlichen Einkommen für seinen 100 ha Ackerbau-Nebenerwerbsbetrieb noch 33.000 € Direktzahlungen erhält?

Der arbeitslose einstige Nebenerwerbslandwirt denkt an Hartz-IV und seine Bedarfsgemeinschaft und kämpft sich nun mit seinen 4 ha „Haupterwerb“ durchs Leben.  

Zu denken ist hier sicher auch an die Hartz-IV Zahlungen und die dort geltende Regelung der Bedarfsgemeinschaft. Daher ist das gesamte Familieneinkommen zu beachten.

Letztlich erlaubt auch das Haushaltsrecht der EU, des Bundes und der Länder nur einen sparsamen Umgang mit den finanziellen Mitteln aus dem Öffentlichen Haushalt  (und mögliche Nebenkassen) - Steuergelder. 

Der gegenwärtige EU-Vorschlag, wonach ein Gewerbetreibender, Freiberufler, Dienstleister, Politiker bei 200.000 € Einkünften aus dieser Tätigkeit noch 10.000 € Direktzahlung aus seinem landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb erhalten kann - nach Ciolos Vorschlag das 20-fache der Direktzahlungen als „Nebenerwerbseinkünfte“  möglich sind -, ohne dass die Direktzahlungen gekürzt werden, kann wohl kaum haushaltsrechtlich zulässig und gerecht sein.  

Bei 20.000 € Direktzahlung könnte dieser Nebenerwerbslandwirt  danach 400.000 € nichtlandwirtschaftliche „Nebeneinkünfte“ haben, ohne Kürzung seiner Direktzahlungen.

Wenn das der Steuerzahler oder gewerbliche Mittelständler wüsste. 

Zu begrüßen ist sicher der Ausbau und die Präzisierung der Förderung aus der II. Säule, wenngleich die Abgrenzung zur I. Säule in der Praxis problematisch sein kann und dem Ziel des Bürokratieabbaus nicht dienen wird.

Die Humuswirtschaft - Bodenfruchtbarkeit - wird vor allem in Regionen mit sehr großen Flächen infolge der nach Ciolos erforderliche Beachtung der Fruchtfolge und des Greenings im Beitrittsgebiet gewinnen, ebenso die Eindämmung der Wind- und Wassererosionen.

Um die Bürokratie zu meiden, könnte es sinnvoll sein, die Direktzahlungen auf die notwendigen Arbeitskräfte zu berechnen, z. B. 15.000 €/AKE/Jahr. Dann bekämen die bäuerlichen Familienbetriebe in Ost und West in aller Regel etwas mehr als seither und man hätte in Anlehnung an die Berufsgenossenschaft eine einfache Ermittlung und Kontrolle. 

 

siehe auch Kapitel:     22.3    -  Eigentum verpflichtet

www.kuchs.de             8.1    -  Transparenz

                                  6.12  -  Reform der GAP

                                  0.12  -  e.G. Kahla

                                  1.15  -  Erfolgsmeldungen

                                  1.17  -  Freiheit, Einheit, Rechtsstaat

                                  6.3    -  Eine Sonderpublikation 

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