1.16 Trauriges Jubiläum beim Landwirtschaftsgericht
1. Abfindungsanspruch
1.18 Wiedervereinigung und kein Ende
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1.17 Freiheit, Einheit, Rechtsstaat:

Das DDR-LPG-Unrecht übersteht offensichtlich jede Revolution. 65 Jahre nach der Teilung Deutschlands und der Welt Mitte durch Europa in kommunistisch, atheistischen Osten und Freiheit, soziale Rechtsstaatlichkeit im Westen, 50 Jahre nach der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft in der DDR 1960, 20 Jahre nach dem Beitritt der in der DDR wieder gegründeten 5 Bundesländer und in Kraft treten des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes (LwAnpG) bleibt Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit im Beitrittsgebiet noch immer in weiter Ferne.  

Ein ganz gravierendes Beispiel dokumentieren neulich 10 Beschlüsse des Landwirtschaftsgericht  - Amtsgerichts/Oberlandesgericht Naumburg, Az.: 3 Lw 6/93 bzw. 2 Ww 8/09 u.a. - das zehn einstigen LPG-Bauern und ihren Erben die ihnen zustehenden Ansprüche bestätigt hat, zuzüglich 4 % bzw. 5 % Zins über dem Basiszins seit Antragstellung.

Zu den rund 235.000 € Anspruch nach § 44 Abs. 1, Ziffer 1 LwAnpG kamen so noch rund 150.000 € Zinsen hinzu. In der Summe waren dies knapp 390.000 €. Ferner muss die ehemalige LPG/e.G. später GmbH, beherrscht vom Kapitaleigner, einer AG, die Verfahrenskosten tragen, außer die des Vertreters der 10 Bauern in der ersten Instanz, dem Amtsgericht. Diese mussten die 10 Bauern tragen.

Ob dies mit § 13a des Gesetzes über die Freiwillige Gerichtsbarkeit vereinbar und dem Grundsatz der Billigkeit gerecht wird, und nach §§ 44, 45 Landwirtschaftsverfahrensgesetz (LwVG) mit billigem Ermessen vereinbar ist, wie das Gericht offenbar meint, wo doch eindeutig grobes Verschulden der LPG/e.G./GmbH vorliegt, bleibt fraglich. Das die Opfer des DDR-LPG-Unrechts noch einen Teil der Verfahrenskosten tragen müssen, um endlich nach 8 bis 17 Jahren ihren Vermögensanspruch zu bekommen, ist unbillig! Da kann bei den einstigen LPG-Bauern und bei keinem, der Gerechtigkeit als hohen Wert unserer Gesellschaftsordnung zu schätzen weis, Verständnis erwartet werden.

Hier ging es um die Eigentumsansprüche nach § 44 Abs. 1 LwAnpG und Grundrechte, Artikel 1 und 14 GG. Schon ab 1991/92 hatten einige der einstigen LPG-Bauern bei der LPG/e.G. ihre Ansprüche schriftlich geltend gemacht, diese lehnte ab. Das um Hilfe gebetene Finanz- und Landwirtschaftsministerium in Magdeburg bemühte sich in mehreren Schreiben an die e.G. und die Bauern zu vermitteln.  Doch der damalige Finanzminister Böhmer so wie Staatssekretär Dr. Aeikens und Dr. Milch aus dem Landwirtschaftsministerium (z. B. Schreiben vom 26.11.1992 und 19.08.1998 u. a.) sowie an die damalige Landwirtschaftsministerin  Wernicke (14.04.1992) blieben ebenso erfolglos, waren dadurch aber bestens informiert über  das Unrecht, denen die einstigen LPG-Bauern gegenüberstehen.

Diese vier waren dann auch  beim Landwirtschaftsgericht als Zeugen genannt, mussten aber nicht mehr gehört werden, da das Oberlandesgericht entscheiden konnte.

Sonderlich Druck wurde seitens der Landesregierung und dem Ministerium nicht auf die e.G. ausgeübt, etwa durch Sperrung der Subventionen/ Anpassungshilfen, wie dies nach der Verordnung notwendig gewesen wäre, denn die korrekte Vermögensauseinandersetzung war nach den Richtlinien Fördervoraussetzung und ohne deren Erfüllung war die Subventionsauszahlung ein Verstoß gegen die Haushaltsordnung des Landes.  

Im Übrigen ist auch heute noch die rechtswirksame Gesamtrechtsnachfolge und ordnungsgemäße Vermögensauseinandersetzung für die Förderung so wie den Erwerb volkseigener BVVG-Flächen durch die LPG-Betriebe Voraussetzung.

Ob sich der Rechtsstaat daran hält, darf nach allen Erfahrungen bezweifelt werden.

Auch im Parallelverfahren war, wie hier, seit mehr als 15 Jahren immer wieder auf dieses fortgesetzte DDR-LPG-Unrecht verwiesen worden. Staatshaftung angekündigt, die Staatsanwaltschaft auf das Subventionsvergehen hingewiesen worden. Doch der Staat, die Ministerien zahlten weiter jährlich Millionen Subventionen. Im Parallelverfahren waren weitere zwei Sachverständige tätig. Ein Befangenheitsantrag gegen eine Richterin beim Amtsgericht wegen mangelnder Amtsermittlung wurde im 7. Jahr der Verfahrensdauer in 2000 abgelehnt. Erst nach dem zweiten Richterwechsel beim Amtsgericht kam es in 2009 zu korrekten Entscheidungen.  

1993 stellten die ersten Bauern Antrag beim Landwirtschaftsgericht. Es folgten weitere Anträge in 1999, 2000, 2001 und 2002. Zeitweise waren es mindest 14 Antragsteller. Einige haben leider resigniert und sich von der GmbH mit dürftigen Vergleichen abfinden lassen. 10 haben schließlich den auch nervlich nicht zumutbaren Kampf durchgehalten. Immerhin hat es beim Landwirtschaftsgericht - Amtsgericht - in den 17 Jahren ab 1993 6 Gutachten und 3 Ergänzungsgutachten von 6 Sachverständigen gegeben, die ein Eigenkapital von minus 1,5 Mio. DM bis plus mehr als 7 Mio. DM ermittelten. Dabei haben die Sachverständigen in ihren so genannten Gutachten Differenzen von mehreren Millionen DM zwischen dem ersten Gutachten und dem zweiten bzw. Ergänzungsgutachten errechnet. Die Stasimentalität ist noch immer dabei.  Nicht auszudenken, was ein Gericht entscheidet, wenn die Antragsteller - einstige LPG-Bauern - Opfer des Unrechts nach LPG-Gesetz, beim Landwirtschaftsgericht keinen Vertreter haben, der sich nicht nur rechtlich im LwAnpG, sondern auch im Bilanzrecht - Eigenkapitalermittlung  - das auch hier entscheidend war, auskennt.

Schließlich hat das Landwirtschaftsgericht - Amtsgericht - im Juni 2009, 16 Jahre nach den ersten Anträgen, in vollstreckbaren Beschlüssen entschieden, dass die GmbH die beantragten Beträge zuzüglich Zinsen zahlen muss.

Die Vollstreckung hat die GmbH schließlich abgewendet, durch Vorlage von Bankbürgschaften. Die von der GmbH eingelegten Beschwerden wurden im September 2010 nach einer Verhandlung im April vom Oberlandesgericht zurückgewiesen, die Vollstreckbarkeit bestätigt.

Da Bankbürgschaften vorlagen, floss das Geld innerhalb eines Monats. Bedauerlich ist natürlich, dass mehrere Antragsteller, wie alle einstigen LPG-Bauern im hohen Alter, das Ende der Verfahren und damit den Erfolg über dieses Unrecht nicht mehr erleben konnten.

Mit den Verfahrenskosten einschließlich der Sachverständigen - Gutachtenkosten - die die GmbH tragen muss, wurde die GmbH und damit der Kapitalinhaber, die AG - KTG - die laut kritischem Agrarbericht (ABL) 2010 zu den größten Agrarkonzernen Deutschlands zählt, der in ca. 30 Betrieben in ganz Europa rund 30.000 ha bewirtschaftet, wohl um rund gut 500.000 € erleichtert.

Das Internet bietet unter KTG Agrar AG einiges.

Bei einem Vergleichsvorschlag in 2002, wäre die GmbH mit etwa der Hälfte davon gekommen, hätte sie dem zugestimmt.

Am Rande sei dazu bemerkt, bei nur 300 € Direktzahlungen pro Hektar von der EU sind dies rund 10 Mio. €/Jahr Subventionen aus der Steuerzahlerkasse.

Ob hier nicht doch künftig ein Bedarfsnachweis angezeigt wäre, denn schließlich betreibt der Konzern auch diverse Gewerbe - Solarenergie u. a. -, und eine Zusammenfassung aller Subventionsempfänger des Konzerns zu einem Subventionsempfängerbetrieb, bei Einführung einer Direktzahlungsobergrenze von 300.00 €/Jahr wäre sicher ebenso agrarpolitisch dringend geboten.

Die Frage, was hier die übrigen 320 LPG-Bauern oder ihre Erben von ihrer LPG/e.G.  bekommen haben, bleibt offen.  Nach der bekannten Jena-Studie der Universität Jena aus dem Jahre 2001 haben die LPG/e.G./GmbH im Durchschnitt rund ¼ der Ansprüche nach § 44 LwAnpG an die anspruchsberechtigten LPG-Bauern ausgezahlt. Hier lagen alle Ansprüche nach § 44 Abs. 1, Ziffer 1 LwAnpG der rund 330 LPG-Bauern bei 5,7 Mio. DM. ¾ nicht ausgezahlt - unterstellt -, dass dieses Jenaergebnis auch hier zutrifft, würde bedeuten, dass hier den LPG-Bauern 4,2 Mio. DM vorenthalten wurden. Bei den 10 entschiedenen Fällen lag der ausgezahlte Anteil des Anspruchs bei nur rund 20 %, die bei Gericht nicht mehr mit beantragt werden mussten.  

Mögen auch einige wenige - Verwandte, Freunde, Genossen aus dem Leitungskader, der Stasi nahe stehende - ihren Anteil ausgezahlt bekommen haben, die große Mehrzahl sieht dem vergebens nach, ist sich zum Teil ihrer Rechte vielleicht auch gar nicht bewusst, haben resigniert, aufgegeben, den Glauben an Gerechtigkeit im Rechtsstaat verloren.

1989 endlich Freiheit, 1990 endlich wieder Einheit und Rechtsstaatlichkeit.  Selbstverständlich waren auch die einstigen LPG-Bauern endlich wieder frei, das LPG-Gesetz außer Kraft gesetzt, wieder freies Verfügungsrecht über die Bodennutzung und die Wirtschaftsgebäude, was nach § 18 und § 19 LPG-Gesetz entzogen war, keine Pflicht mehr zur Arbeit in der LPG, die LPG-Nachfolgebetriebe durch LwAnpG verpflichtet, den persönlichen Eigentumsanteil am LPG-Vermögen/Eigenkapital persönlich zuzuordnen als Anteil an der Agrargenossenschaft/GmbH und auszuzahlen, wenn dies gefordert wird.  

Zwar war die DDR-LPG-Unrechtsmentalität durch die Wende in 1989/90 zunächst angeschlagen, doch der Rechtsstaat - Legislative, Exekutive und Judikative - ließen die Zügel schleifen, ließen die Unrechtstäter gewähren, sich wieder in umgewandelter Form fortgesetzt einrichten - auf Kosten der Opfer des zwangskollektivierten LPG-Vermögens, das bei gesetzeskonformer Gesamtrechtsnachfolge nach § 4 ff LwAnpG identitätswahrend den LPG-Bauern hätten zugeordnet werden müssen.

Unrecht und kein Ende! Vertrauen kann so nie entstehen und die verantwortlichen Politiker waren und sind auch heute noch auf allen staatlichen Ebenen informiert und dabei.

An dieser sicher ganz schwierigen Problematik für die dort lebenden Menschen, die in all den Jahren sehr viele Menschen zur Abwanderung in den freien Westen bewogen hat, ändert sich auch dadurch nichts, dass auch im Westen Deutschlands und Europas nicht alles Gold ist was glänzt und auch hier viele Lebensumstände nach dem Mauerfall und der Globalisierung - der weltweiten Freiheit auf allen Ebenen des Lebens - noch schwieriger geworden sind. Dabei ist  zu bedenken, dass der freie Westen nie ein starres System war, sondern schon immer seit 1945 gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch Entwicklungen durchlebt, überlebt hat, von ihren Menschen auch mit Dank ihrer religiösen Glaubensordnung, ihrer Werteordnung gemeistert wurden. Möge dies auf Dauer so bleiben.

Die im Beitrittsgebiet immer wieder in jedem Dorf, jeder Stadt anzutreffenden fortgesetzten umgewandelten DDR-LPG-Unrechtstatbestände, wie oben dargestellt, belasten nicht nur die dortigen Verhältnisse - wirtschaftlich, politisch, gesellschaftlich -, sondern zunehmend auch den Westen der Republik auf allen (finanziellen) Ebenen.  

Zu finden sind die aktuellen EU-Direktzahlungen unter:  www.agrar-fischerei-zahlungen.de

Hier sind die Beihilfen in den Bilanzen - Erlösen der Gewinn- und Verlustrechnung - zu finden:    www.ebundesanzeiger.de

Auch die Gesellschaftsverhältnisse und Kapitaleigner sind von Interesse:

www.handelsregisterauszug-online.de

1.16 Trauriges Jubiläum beim Landwirtschaftsgericht
1. Abfindungsanspruch
1.18 Wiedervereinigung und kein Ende