22.2 15 Jahre nach der Wiedervereinigung kämpfen Bauern beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte um ihr LPG-Vermögen
22.  Recht und Unrecht
22.4 Kapitalismus!  Was sonst?
Seite drucken Seite drucken

22.3 Eigentum verpflichtet

Eigentum und Erbrecht ist nach Artikel 14 Grundgesetz ein geschütztes Grundrecht. Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.

 

Im Artikel 14 GG heißt es dazu

„[Eigentum, Erbrecht und Enteignung] (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schraken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der  Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.“

 

Zu diesem geschützten Eigentum gehört auch der Vermögensanteil an einer Gesellschaft, den ein Gesellschafter beim Ausscheiden aus einer Gesellschaft zur Abfindung/Auszahlung fordern kann. Satzungsbedingte Einschränkungen sind regelmäßig Streitfälle.

 

In seinem Beschluss, BLw 28/95, hat der Bundesgerichtshof 1995 im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach LwAnpG bestätigt, dass der Abfindungsanspruch nach LwAnpG ebenso ein entsprechend geschützter Eigentumsrechtsanspruch ist. Dabei stützt sich der Bundesgerichtshof auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1962, BvL 16/60.

 

Da es sich beim Abfindungsanspruch nach LwAnpG um den quotalen Vermögenseigenkapitalanteil der letzten LPG-Bilanz handelt, steht dem LPG-Mitglied oder seinem Erben immer der volle Anspruch zu. Eine vertragliche Einschränkung scheidet hier aus. Im Rahmen von Abfindungsvereinbarung muss das vermögensanspruchsberechtigte (ehemalige) LPG-Mitglied über seinen tatsächlichen Anspruch hinreichend informiert sein. Anderenfalls sind sogenannte Abfindungsvereinbarungen sittenwidrig und nichtig, denn ein Teilerlass – Erlassvertrag – setzt voraus, dass das LPG-Mitglied über den ihm tatsächlich zustehenden Anspruch, den Umfang des Verzichts, des möglichen und von der LPG erwarteten Erlasses, informiert ist und dieser (Teil-)Verzicht/Erlass seinem Willen entspricht.

 

Das LPG-Mitglied muss sich über den Verzicht/Erlass im Klaren sein und dies bewusst wollen.

Erben treten als Gesamtrechtsnachfolge in alle Rechte und Pflichten den Erblassers ein – sofern nicht aufgrund einer Überschuldung eine Erbschaft von Erben ausgeschlagen wird – mit der Folge, dass Erben die gleichen Ansprüche geltend machen können wie ehemalige LPG-Mitglieder.

 

Da Eigentum verpflichtet, und sein Gebrauch dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll, ist es im Grunde auch ein Pflicht von Erben, dass sie sich um das ererbte Eigentum der Eltern bemühen und mit dessen Gebrauch zunächst vorrangig der sozialen eigenen Absicherung dienen ihr eigenes Vermögen zwecks sozialer Sicherheit schützen und nicht der Allgemeinheit zur Last fallen.

 

Enteignungen sind nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig, nicht also um die Wirtschaftskraft und Existenz z. B. eines einzelnen LPG-Unternehmens zu sichern und zu stärken. Unvereinbar mit dem Grundrecht nach Artikel 14 GG ist es daher, wenn im Rahmen von Bodenordnungsverfahren nach § 56 LwAnpG der Bodenwert halbiert wird, was einer Teilenteignung gleichkommt, wie dies nach Sachenrechtsbereinigungsgesetz vorgesehen ist und auch im Bodenordnungsverfahren ohne Rechtsgrundlage nach Verwaltungsmeinung zulässig sein soll. Aufgrund der voneinander abweichenden übrigen Vorschriften zum Sachenrechtsbereinigungsgesetz – Restnutzungsdauer, Landtausch oder Geldabfindung, Antragsrecht – und der eindeutigen gesetzlichen Regelung im LwAnpG ist auf der Grundlage des Flurbereinigungsgesetzes im Bodenordnungsverfahren der sogenannte Halbteilungsgrundsatz auch zum Schutz des Eigentums nicht zulässig.

 

Wenn dies in den zurückliegenden 10 Jahren dennoch häufig in aller Regel von den Ämtern so praktiziert wurde, war sicher nicht mit Artikel 14 GG vereinbar. Eine verfassungsrechtliche Prüfung steht in soweit noch aus.

 

Im Übrigen hat jeder Bodeneigentümer, auf dessen Boden LPG-Gebäude oder Anlagen stehen, das Rechtsschutzbedürfnis über das Registergericht von Amts wegen und daher kostenlos prüfen zu lassen, ob das neue Nachfolgeunternehmen tatsächlich Gesamtrechtsnachfolger i.S. LwAnpG ist. Ist es das nicht, ist das LPG-Vermögen und damit auch LPG-Gebäude und Anlagen nicht auf das neue Unternehmen übergegangen, sondern ist bei der LPG geblieben. Ist diese LPG im LPG-Register gelöscht, ist diese Löschung vom Register aufzuheben und für die LPG ein Nachtragsliquidator zu bestellen. Die LPG-Gebäude und Anlagen (Silos/Gülleanlagen, Wege usw.) sind dann vom Liquidator unter Beachtung des Vorkaufsrechts der LPG-Mitglieder zu verkaufen.

In diesem Zusammenhang ist sodann auch die Zusammenführung von Gebäude und Boden zu regeln.

 

Nachdem seit 4 Jahren die „Jena-Studie“ vorliegt und dort viele gescheiterte Rechtsnachfolgen festgestellt wurden, die auch den Landwirtschaftsministerien der Länder bekannt sind, aber den LPG-Mitgliedern nicht mitgeteilt wurden, ist bei gerichtlicher Prüfung der Rechtsnachfolge auch beim Registergericht die Aufforderung der Vorlage der Ergebnisse der „Jena-Studie“ sowie weitere Prüfungsergebnisse der Ministerien und Ämter, dort im Wege der Rechtshilfe/Amtshilfe möglich und zweckmäßig, zumal durch nachgeordnete die inzwischen weitere Prüfungen davon auszugehen ist, das durch Einbeziehung der LPG-Teilungen und Zusammenschlüsse - vor der Umwandlung – die Zahl der gescheiterten Fälle ganz beachtlich größer ist, als in der „Jena-Studie“ mit rund 11 % festgestellt.

 

Da infolge zahlreicher Fälle gescheiterter Gesamtrechtsnachfolge i.S. LwAnpG auch viele Grundbücher falsch sind, die Altschuldenregelung nachträglich zu scheitern droht, der begünstigte Flächenerwerb sowie die Landpacht infolge fehlgeschlagener Rechtssicherheit das LPG-Unternehmen nachträglich kippen müsste, und vor allem die Förderfähigkeit nie bestanden hat und künftig entfällt, da mit den Fördervoraussetzungen und auch mit der Haushaltsordnung nicht vereinbar, bleibt den Länderregierungen nur der Weg einer vollständigen Überprüfung aller Umstrukturierungsmaßnahmen ab 1990, zumal ohne eine solche Rechtssicherheit eine Teilnahme dieser Unternehmen am Wirtschaftsverkehr und Bankfinanzierung nicht zu verantworten ist.

 

In Sachsen war der „Flatherlass“ von 2002 hierzu der Einstieg, nach den Feststellungen in der „Jena Studie“ und aufgrund zahlreicher Gerichtsverfahren i.S. Vermögensauseinandersetzung und Rechtsnachfolge, die Umstrukturierung der LPGs ab 1990 nochmals grundlegend zu prüfen.

 

Schließlich ist aufgrund einer so umfangreichen fehlerhaften Eintragung in Handels- und Genossenschaftsregistern sowie flacher Grundbücher der öffentliche Glaube tiefgreifend und nachhaltig verletzt.

Auch haben die ehemaligen LPG-Bauern und ihre Erben ein nachhaltiges Rechtsschutzbedürfnis. Datenschutzüberlegungen können hier nicht greifen, zumal hier ein großes öffentliches Interesse besteht und diese flächendeckendend, vom Erzgebirge bis zur Ostsee, festzustellende Grundrechtsverletzungen im Rechtsstaat nicht geschützt werden können.

Eine eingehende Information der LPG-Opfer-Bauern über die wissenschaftlichen und regierungsamtlichen Prüfungsergebnisse der fehlgeschlagenen Gesamtrechtsnachfolge i.S. LwAnpG von Seiten der Landesregierungen sollte daher selbstverständlich sein.

 

Schließlich hat das Sächs. Oberverwaltungsgericht im Urteil vom 18.10.2002, Az.: F 7 D 13/01 festgestellt, dass die Bodenordnungsämter sich nicht auf die Feststellungen der Oberfinanzdirektion (OFD) betreffs selbständiges Gebäudeeigentum und dessen Zuordnung an das neue LPG-Unternehmen verlassen können, sondern dies selbst in eigener Verantwortung zu prüfen haben. Dies ist auch nur logisch, denn bekanntlich ordnet die OFD ohne Prüfung der oft fehlerhaften Registereintragung ohne Rechtsnachfolge dem neuen LPG-Unternehmen die Gebäude/Anlagen fehlerhaft zu.

Das Verwaltungsgericht Dresden hat in einem Urteil vom 12.09.2002, Az.: 1 K 3162/98 in einem solchen Fall einen so fehlerhaften OFD-Beschluss aufgehoben.

 

Auch das Landgericht und Oberlandesgericht Dresden haben in Urteilen vom Az.: LG 2 – T – 1015/99 vom 22.11.1999, OLG 2 – T – 0923/95 vom 06.10.1996 und 3 W 1286/96 vom 07.04.1997 klargestellt, dass eine Grundstücksübertragung – Auflassung im Grundbuch – nicht möglich ist, ohne den „Erbnachweis“ des Eigentumsübergangs i.S. LwAnpG – Gesamtrechtsnachfolge – von der LPG zum neuen Unternehmen rechtswirksam i.S. LwAnpG zu führen.

 

Der oft fehlerhafte Registereintrag reicht hierfür nicht aus. Die „Geburtsurkunde“ des neuen Unternehmens durch Nachweis der rechtswirksamen Gesamtrechtsnachfolge ist daher auf Dauer Voraussetzung, auch um künftig fehlerfreie Grundbucheintragen zu sichern. Auch auf die §§ 39, 40, 71 Grundbuchordnung (GBO), § 11 (1) RPflG. § 12 GBBerG und § 134 BGB haben die Gerichte dabei verwiesen.

 

Umso erstaunlicher ist es, dass sich immer wieder auch Gerichte entgegen Artikel 14 Grundgesetz (GG) für Regelungen ausgesprochen haben, die zur teilweisen Fortsetzungen von DDR-LPG-Unrecht führen.

Prof. Weiss hat hierauf in der Zeitschrift „Recht der Landwirtschaft“ (RdL) Heft 4/2005 verwiesen und deutlich gemacht, dass die Rechtsprechung an Artikel 20 Abs. 3 und Artikel 97 Abs. 1 GG bebunden ist und daher i.V.m. dem auch hier zu beachtenden Flurbereinigungsgesetz im Bodenordnungsverfahren kein Raum für den Halbteilungssatz i.S. § 68 Sachenrechtsbereinigungsgesetz beim Bodenordnungsverfahren nach LwAnpG gegeben ist. Wenn die Ämter und Sachverständige bei der Bodenwertermittlung dennoch so verfahren, ist dies verfassungsrechtlich nicht haltbar, da mit dem GG nicht vereinbar.

 

Art. 20 (3) GG [Verfassungsgrundsätze; Widerstandsrecht]

(3) Die Gesetzgebung ist auch die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

 

Art. 97 (1) GG [Unabhängigkeit der Richter]

(1) Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.

 

§ 38 Deutsches Richtergesetz – Richtereid –

(1) Der Richter hat folgenden Eid in öffentlicher Sitzung eines Gerichts zu leisten:

„Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik

Deutschland und getreu dem Gesetz auszuüben, nach besten Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe.“

(2) Der Eid kann ohne die Worte „so wahr mir Gott helfe“ geleistet werden.

 

§ 38 Deutsches Richtergesetz – Wahrung der Unabhängigkeit –

Der Richter hat sich innerhalb und außerhalb seines Amtes, auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird.

 

Literatur:

Recht der Landwirtschaft: Weiss, Heft 4/2005

Recht der Landwirtschaft: Dippold, Heft 2/2001

Recht der Landwirtschaft: Haselhoff, Heft 1/1999

Recht der Landwirtschaft: Dippold, Heft 10/2001

Recht der Landwirtschaft: Dippold, Heft 2/1999

22.2 15 Jahre nach der Wiedervereinigung kämpfen Bauern beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte um ihr LPG-Vermögen
22.  Recht und Unrecht
22.4 Kapitalismus!  Was sonst?