6.14 Diskreminierung oder Gerechtigkeit
6. Förderrichtlinien
6.16 Die GAP und der Rechnungshof
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6.15 Subventionen ohne Ende

Man nennt es Kapitalismus, Marktwirtschaft, Soziale Marktwirtschaft. Freiheit und Gerechtigkeit wissen wir zu schätzen. Vieles halten wir für selbstverständlich. Den sozialen Ausgleich fordern wir ein, wenn wir Mängel zu erkennen glauben. Unsere Grundrechte, Art. 1 – 19 GG, und vieles mehr umgeben uns. Forderungen nach Hilfen vom Staat sind Alltag. Und er hilft, wo möglich und nötig. Lobbyismus und politischer Stimmenfang sind nicht zu unterschätzen. Man kennt sich ja. Gefälligkeitsdienste nicht ausgeschlossen. Neben wirtschaftlichen Monopolen haben sich unsere Parteien zu eben solchen entwickelt. Unser politischer Parteienstaat hat alle staatlichen Ebenen erfasst und fest im Griff und wurde von den Verantwortlichen zum Selbstbedienungsladen degradiert. Transparenz wird gemieden, wo es nur geht. Neue politische und gesellschaftliche Tendenzen – Proteste wie Stuttgart 21 und Piraten – lassen hoffen. Ein gelegentlicher Regierungswechsel bringt in unserem föderalistischen Staat gelegentlich neue politische Kräfte nach oben. Ob diese eine durchgreifende Besserung bringen, nachhaltig im Volk Vertrauen bilden können?

Dabei sind sicher staatliche Hilfen, Subventionen, oft durchaus berechtigt, geradezu notwendig. Viele Kinder, Alte, Arme, Kranke, sind darauf angewiesen. Erhalt der Natur, Umweltschutz, Kulturlandschaft und andere erhaltenswerte Ziele bedürfen auch in unserer globalisierten, flexiblen Transformationsgesellschaft feste klare Regeln, einen gesetzlichen Rahmen, dessen Verletzung zu ahnden ist. Und nur dort, wo solche Ziele und ihre Einhaltung von den Menschen nicht aus eigener Kraft erreichbar sind, soll mit staatlichen Finanzen – Subventionen/Steuergelder – geholfen werden. Eine ungeprüfte „Belohnung“ für die Einhaltung solcher gesetzlicher Regeln, ohne Bedarfsnachweis, verstößt gegen die gesetzliche Vorschrift der Haushaltsordnungen, wonach verantwortungsbewusst, sparsam, über staatliche Finanzen – Steuereinnahmen oder Staatsschulden – zu verfügen ist.

Ein solch ungeprüfter Subventionstopf begegnet uns mit der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU. Die Landpost hat dies in ihrer Ausgabe (Ost) Heft 19/2012 am 12.05.2012 verdeutlicht. Festzustellen ist zunächst, dass nur ostdeutsche Agrarkapitalgesellschaften den 200 Top-Empfängern zuzuordnen waren.

Für mich persönlich beeindruckend auch, dass ich gegen mehr als 1/5 dieser Subventionsgroßempfänger für ehemalige LPG-Bauern bei Landwirtschaftsgerichten in Sachen Vermögensauseinandersetzung nach Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG) vertreten habe und in aller Regel erhebliche Beträge erstreiten konnte. Millionen DM/EUR haben diese Agrarkapitalgesellschaften rechtswidrig den Bauern nicht zugeordnet oder ausgezahlt. Dabei war nach der von der EU genehmigten Anpassungshilfeverordnung von 1990/91 (sowie auch allen folgenden Förderrichtlinien) neben der rechtswirksamen Gesamtrechtsnachfolge die ordnungsgemäße Vermögensauseinandersetzung Fördervoraussetzung. Doch wie oben dargestellt, ist in unserem politischen Parteienstaat alles möglich, wenn Lobby, Parteien-, Macht-Gefälligkeitsklüngel, wirtschaftliche Interessen im Selbstbedienungsladen stehen, Verantwortungsbewusstsein und Charakter ausgeschaltet bleiben.

Wenn zwei in der Landpost mit aufgeführten Agrargenossenschaften in Thüringen mit jährlich je rund 1 Mio. EUR Direktzahlungen in 2012 noch immer bei Landwirtschaftsgerichten anhängiger Verfahren die Vermögensauseinandersetzung verweigern, die Landesregierung/Ministerpräsidentin auf Anfrage „hilflos“ zusieht, bestätigt dies den seit mehr als 20 Jahren fortgesetzten Verfall unseres Rechtsstaats.

Schon bei den Zahlungen aus den EGFL (Europäischer Garantiefonds für die Landwirtschaft) wäre zu fragen, wofür wird in welchem Umfang bei welchem Bedarf – Gesamtaufwand/Ertrag – garantiert?

Beim ELER (Europäischer Landwirtschaftsfonds für die ländliche Entwicklung) gilt dies selbstverständlich ebenso. Wäre eine ordnungsgemäße, umweltgerechte Landbewirtschaftung bei verantwortungsgerechter Humuswirtschaft und Landschaftspflege sowie Erhalt unserer Kulturlandschaft nicht selbstverständlich von jedem landwirtschaftlichen Unternehmen, ob groß oder klein, zu fordern, damit es seine Produktionsgrundlage und Existenz auch über Generationen erhalten kann?! Dem heute von den Marktmonopolen allein am Supermarktpreis orientierten Erzeugerpreis bedarf einen rechts- und marktpolitischer Ansatz an dortiger Stelle. Die Subventionierung der Erzeugereinkommen ist mit unserem System der Sozialen Marktwirtschaft – verantwortungsbewusster auch unternehmerischer Freiheit und Demokratie – nicht vereinbar und hat diese schon weit ausgehebelt. Monopolkapital beherrscht zunehmend mit oben genannten Politikern den Staat, die bäuerlichen Familienbetriebe, das Land, unsere Dörfer.

Würde es hierzu noch eines Beweises bedürfen, die ungerechte Verteilung der EU-Direktzahlungen nach der GAP, der I. und II. Säule der Direktzahlungen, liefert ihn seit mehr als 10 Jahren. Ohne Bedarfsnachweis, ohne Berücksichtigung des Viehbestandes und der Zahl der notwendigen Arbeitskräfte (AKE), berechnet allein nach der Fläche/ha, erhalten hiernach Betriebe mit 1 000 bis 5 000 ha und mehr je AKE 20.000 bis über 100.000 EUR/Jahr. Der bäuerliche Familienbetrieb erhält 5.000 bis 15.000 EUR/AKE/Jahr (bei angenommenen 300 EUR/ha/Jahr).

Einige Beispiele:

Bei 1 000 ha ohne Viehhaltung, 3 AKE, 100.000 EUR/je AKE/Jahr.

15 ha = 4.500 EUR bei 30 GVE und einer AKE = 4.500 EUR/je AKE/Jahr.

50 ha, 15.000 EUR, 80 GVE, 3 AKE = 5.000 EUR/je AKE/Jahr.

500 ha, 150.000 EUR, 250 GVE, 10 AKE = 15.000 EUR/je AKE/Jahr.

3.000 ha, 900.000 EUR, 500 GVE, 40 AKE = 22.500 EUR/je AKE/Jahr.

2.000 ha, 600.000 EUR, 200 GVE, 20 AKE = 30.000 EUR/je AKE/Jahr.

Je mehr ha und je weniger GVE, umso mehr EUR/AKE.

Nach den Agrarberichten und wie aus Bilanzeinsichten zu erkennen, decken die Agrarkapitalgesellschaften 80 bis 100 % ihrer Personalkosten mit den Direktzahlungen. Das Einkommen der bäuerlichen Familienbetriebe bleibt dagegen zurück und kann nur durch höhere Leistungen, Viehhaltung, längere Arbeitszeit aufgeholt werden. Gerechtigkeit ist was anderes, das Vertrauen schwindet weiter dahin, trotz einiger Ausnahmen, die sich noch an Ethik, einer Werteordnung zu orientieren versuchen, aber doch dem Fraktionszwang unterliegen.

Ein Vergleich, der jetzt in der Landpost von 2011 veröffentlichten Zahlen mit den entsprechenden von 2010 zeigen, dass nur geringe Veränderungen, ein Rückgang um etwa 5/6 %, festzustellen ist.

Dort waren allerdings in einer Liste der Top 200 viele Agrarvermarktungsfirmen – Monopole wie Molkereien, Südzucker, Landhandel, BayWa, Raiffeisen Waren eG, etc. – unter den Millionen schweren Garantiefondsempfängern (u. U. für Lagerhaltung/Exporte) mit aufgeführt.

Von großem Interesse sind in all diesen Fällen die Bilanzen und Handelsregister dieser Agrar-Großempfänger von EU-Steuergeldern.

www.agrar-fischerei-zahlungen.de gibt Einblick in oben genannte Top-Zahlen.

Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)

www.ebundesanzeiger.de gibt die Handels-Bilanzen (§ 325 ff. HGB) wieder.

www.handelsregisterauszug-online.de zeigt die Kapitalinhaber der Kapitalgesellschaften (GmbH) in den Handelsregisterauszügen.

So wird deutlich, wer von den Steuereinnahmen und der Verschuldung unseres Staates am meisten profitiert, denn wenn die Steuereinnahmen nicht reichen, um die Subventionen und die Zahlungen nach Brüssel bzw. den Aufbau Ost aufzubringen, bedient sich der Staat bei den Banken. Viele Milliarden Schulden werden wir der nächsten Generation überlassen – auch eine Art von Generationenvertrag?

Von Interesse sind in diesem Zusammenhang auch die Informationen der Landesregierungen und die dort in Förderprogrammen gegleiteten Subventionen. Neben EU-Mittel sind mit den Bundes- und Länderförderungen rund 30 Subventionsprogramme je Bundesland aufgelistet. Am Verwaltungsaufwand darf da kein Gedanke verschwendet werden.

Nur selten ist in unseren Medien davon etwas zu hören, zu lesen, wie z. B. am 5. Mai 2012 in den Norddeutschen Neuesten Nachrichten. Dort wurde von den Agrar-Millionären in Mecklenburg-Vorpommern berichtet. Von den 4 500 landwirtschaftlichen Betrieben des Landes erhalten danach die 2 800 Familienbetriebe, 62 % aller Betrieb, nur 12 % der Agrarsubventionen, während die 38 % - 1 700 Großbetriebe – 88 % der Steuergelder erhalten.

An diesem Unrecht wird sich nichts ändern. Ob ab 2014 eine EU-gerechte Lösung gefunden wird, die in allen 27 EU-Ländern akzeptiert werden kann, ist zumindest zweifelhaft. Eine Lösung auf der Basis der „aktiven Landwirte“ wäre ein wichtiger Beitrag, um eigenverantwortliche unternehmerische Landwirte und damit die Existenz eines leistungsstarken ländlichen Raums zu erhalten. Agrarindustrie, Agrarkapitalgesellschaften, auch von wirtschaftlichen und politischen Monopolen, abhängige, fremdbestimmte Großbetriebe wären zurückzudrängen, in ihre Grenzen zu weisen. Agrarpolitiker und viele Medien unterdrücken jedoch den Begriff „aktiver Landwirt“ und der Bauernverband und seine Landesverbände stehen ohnehin nicht zu der großen Mehrheit der Familienbetriebe, sondern auf der Seite der fremdbestimmten, jedes persönliches Risiko meidende, Agrar-Kapital-Großbetriebe und ihre Subventionsmillionen.

 

www.kuchs.de

dort unter Infozentrum-Ost

siehe dort Kapitel:      22.3    -  Eigentum verpflichtet 

                                  8.1     -  Transparenz 

                                  6.12  -  Reform der GAP 

                                  0.12  -  e.G. Kahla 

                                  1.15  -  Erfolgsmeldungen 

                                  1.17  -  Freiheit, Einheit, Rechtsstaat 

                                  6.3    -  Eine Sonderpublikation 

6.14 Diskreminierung oder Gerechtigkeit
6. Förderrichtlinien
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