0.12 Agrargenossenschaft Kahla e.G. ist kein Rechtsnachfolgeunternehmen
0. Vorbemerkungen
0.14 Die Agrarpresse dreht sich
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0.13 Vom Auswuchs der Agrarstrukturen

Unsere Agrarstrukturen sind gewachsen, haben sich über einen langen historischen Zeitraum so entwickelt, wie sie sich uns heute präsentieren.

Ein Blick zurück bis zur Bauernbefreiung vor etwa 200 Jahren kann dabei schon interessant sein. Vor ca. 150 Jahren entwickelten und festigten sich zunehmend bäuerliche Familienbetriebe, die dann auch Eigentümer des von ihnen bewirtschafteten Boden waren. Mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ab 01.01.1900 festigten sich die Rechtsgrundlagen. Das regional differenzierte Erbrecht, Jüngstenrecht, Ältestenrecht, Realteilung hatten ebenso bedeutenden Einfluss auf die Agrarstruktur, die Betriebsgrößen, Produktions- und Eigentumsstruktur. Die technische Entwicklung vom Dreschflegel über die in der Scheune eingebaute Dreschmaschine bis zum Mähdrescher, der Ersatz der Zugpferde durch den Traktor, die entsprechenden Fortschritte auf dem Gebiet der Bodenbearbeitungsgeräte, der Düngung, der Pflanzenzüchtung hatte und haben noch immer signifikanten Einfluss auf die Agrarstruktur.  In den letzen 100 Jahren, 2 Weltkriege, Hunger, Elend, Flucht und Vertreibung von Millionen Menschen hinterließen tiefe Spuren in der Gesellschaft und Wirtschaft.

Dann aber die wirtschaftliche Entwicklung im außerlandwirtschaftlichen Sektor. Kürzere geregelte Arbeitszeiten und  besserer Verdienst zogen vorwiegend jüngere Jahrgänge aus der Landwirtschaft ab.  Landwirtschaftlicher Vollerwerb wurde häufig zum Nebenerwerb und führte oft zur Betriebsaufgabe.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges kam es von 1945 bis 1989 in der sowjetisch besetzten Zone (SBZ) und ab 1949 der DDR aus verschiedensten Anlässen zu vielen tausenden Enteignungen, neben landwirtschaftlichen so genannter Großbetriebe auch bäuerlicher Familienbetriebe.  Mit dem Gesetz über die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG-G)  von 1952 wurden auch jene Bauern - Bodeneigentümer - entrechtet, die Eigentümer blieben. Das Nutzungsrecht von Boden und Wirtschaftsgebäuden ging auf die LPG über.

Mit der LPG-Mitgliedschaft waren Inventar- und Fondsbeiträge, Feldinventar, Vorräte, lebendes und totes Inventar in die LPG einzubringen, eigentumsrechtlich zu übergeben.

Neben dem volkseigenen Gütern (VEG) prägten in der DDR die LPGs das Leben auf dem Lande.

Unternehmerische Eigeninitiativen, unternehmerische Chancen und Risiken waren den Menschen in der DDR fremd. Das Kollektiv stand im Mittelpunkt und hatte zu tun und zu lassen, was von oben gefordert, in der Diktatur angeordnet wurde.

Dann die Wende.

Als 1989 mit dem gesamten Kommunistischen Ostblock auch die DDR wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch zusammen brach, schöpften viele Menschen Hoffnung.  Als freie Menschen, wirtschaftlicher Wiederaufbau der maroden Verhältnisse. Ende der Mangelwirtschaft an Konsumgütern und aber auch Betriebs- und Produktionsmitteln, Ersatzteile für die Technik der Betriebe und im Haus.  Das LPG-G hatte ausgedient. Mit dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz  (LwAnpG) sollte die Landwirtschaft auf neue organisatorische und wirtschaftliche Verhältnisse eingestellt und wieder aufgebaut werden. Milchleistung pro Kuh und Ertrag, Doppelzentner pro Hektar konnten innerhalb weniger Jahre tatsächlich auf das doppelte Westniveau gebracht werden.

Neben dem LPG-Gesamtrechtsnachfolgebetrieben, in der Regel in der Rechtsform der Genossenschaft (e.G. oder der GmbH) waren Wiedereinrichter die ihre einstigen Familienbetriebe von vor dem LPG-Beitritt und auch viele Neueinrichter, die einen Familienbetrieb als Einzelunternehmer (oder GbR) neu aufbauen und führen konnten, gefragt.  Heute bewirtschaften die LPG-Betriebe regional sehr unterschiedlich noch ca. 50 % der landwirtschaftlichen Fläche, währen die 2. Hälfte von Privatunternehmen - Bauern - bewirtschaftet wird.  Der Viehbestand ja 100 ha ist bei den Familienbetrieben wesentlich höher als bei den e.G./GmbH. Entsprechend wird auch der ländliche Raum von den Privatbauern gepflegt und erhalten.

Nach LwAnpG § 44 Abs. 1und Abs. 6 LwAnpG  von 1990/91 hatten die LPG-Betriebe ihr Eigenkapital, das Eigentum der LPG-Bauern war, diesen als Geschäftsanteil zuzuordnen oder auszuzahlen. Dieser gesetzlichen Pflicht, die auch für die Großbetriebe Subventions- Fördervoraussetzung war, wurde praktisch nie, nach wissenschaftlichen Feststellungen nur zu ca. 25 % erfüllt.

Dennoch haben die Bundesländer diesen Großbetrieben jährlich Millionen Subventionen/Fördermittel entgegen der Vorschriften der rechtlichen Richtlinien ausgezahlt. Bei einem privaten Bauern würden diese Fördermittel als Subventionsvergehen geahndet und zurückgefordert, sofern überhaupt ausgezahlt.

Die LPG-Betriebe wirtschaften folglich nun schon über 20 Jahre mit dem Eigenkapital, dass den LPG-Bauern rechtswidrig vorenthalten wurde und erhalten zudem noch jährlich ein mehrfaches an Subventionen, wie nachweislich nach der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), den Direktzahlungen  von der EU. Diese werden seither nach der Fläche/ha berechnet. Ein 2.000 ha LPG-Betrieb erhält folglich das 10-fache wie ein 200 ha Familienbetrieb. Bezogen auf die Arbeitskrafteinheiten (AKE) erhalten die LPG-Betriebe, wie ihre Bilanzen im Internet zeigen, in der Regel das 3 bis 10-fache je AKE, die in Familienbetrieb zudem wesentlich mehr Vieh versorgt als im LPG-Betrieb.  

Dennoch sind viele LPG-Großbetriebe nicht existenzfähig, weisen seit vielen Jahren ein bedenkliches Betriebsergebnis aus.

Inzwischen wurden hunderte solche LPG-Großbetriebe von Kapitalgesellschaften, Aktiengesellschaften, Kapital-Fondsgesellschaften, von Nichtlandwirten, aufgekauft, durch Kapitalaufstockung „stille Beteiligung“  übernommen.

Oft stehen auch „Marktpartner“, Produktabnehmer dahinter, die an der Landbewirtschaftung, der Viehhaltung, der Arbeit auf dem Land, dem ländlichen Raum kaum Interesse haben. Aber die jährlich fließenden Agrarsubventionen, der I. und II. Säule aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU, des Bundes und der Länder - aus den dortigen Steuereinnahmen oder weiterer Verschuldung des Staates - werden gern abkassiert.[1],[2],[3]

Wenn gegenwärtig über die künftige Zuordnung und Begrenzung der Direktzahlungen der I. und II. Säule  nach der GAP ab 2014 im Beitrittsgebiet diskutiert wird, die Agrarminister und der Deutsche Bauernverband sowie seine Regionalverbände sich hierzu äußern und dabei die „gewachsene Agrarstruktur“ als Argument für die Fortführung der seitherigen Mittelverteilung anführen, müssen diese auf das gewachsene Unrecht hingewiesen werden, das mit unserem Grundgesetz (GG)  Artikel 1 bis 19, insbesondere Artikel 1 und 14 nicht vereinbar ist. Der Gleichheitsgrundsatz ist grob verletzt. Offene Benachteiligung der Bauern bei rechtswidriger Bevorteilung der LPG-Betriebe ist rechtlich nicht aufrecht zu erhalten.

Auch die Haushaltsordnungen der Länder, des Bundes und der EU lassen diesen Verstoß gegen die Finanzmittelverausgabung nicht zu. Danach ist mit den Finanzmitteln sparsam, verantwortungsbewusst, korrekt, gesetzeskonform umzugehen.

Das gewachsene Unrecht auf der Ebene der Agrarstrukturen ist nicht hinnehmbar! 

siehe auch Kapitel:     22.3    -  Eigentum verpflichtet  

 www.kuchs.de            8.1    -  Transparenz

                                  6.12  -  Reform der GAP

                                  0.12  -  e.G. Kahla

                                  1.15  -  Erfolgsmeldungen

                                  1.17  -  Freiheit, Einheit, Rechtsstaat

                                  6.3    -  Eine "Sonderpublikation"  


[1] „Unabhängige Bauernstimme“ April 2012

[2]  „Der kritische Agrarbericht“ 2010 und 2011

[3] „Ostdeutsche Bodenpolitik nach 1990 …….“ Dr. Gerke

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