0.10 Europäische Union prüft LPG-Unternehmen
0. Vorbemerkungen
0.12 Agrargenossenschaft Kahla e.G. ist kein Rechtsnachfolgeunternehmen
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0.11 Verletzung der Grundrechte und der Menschenrechte nach den Konventionen zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verhindern dörflichen Frieden

I. Die Rechtsgrundlagen

 

Als Grundrechte gelten vorrangig die Rechtsnormen der Artikel 1-19 Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland. Danach sind u. a. Menschenwürde, Artikel 1, persönliche Freiheit, Artikel 2, Gleichbehandlungsgrundsatz - Diskriminierungsverbot, Artikel 3, und Schutz des Eigentums Artikel 14 die wesentlichen Säulen unserer freiheitlich, demokratischen Rechtsordnung.

 

Auch die neuen Bundesländer haben diese Grundrechte in ihre Länder- Verfassung übernommen. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Handelsgesetzbuch (HGB), dem GmbHG, dem Genossenschaftsgesetz (GenG), dem Aktiengesetz (AktG), der Zivilprozessordnung (ZPO), dem Strafgesetzbuch (StGB) sowie zahlreichen Einzelgesetzen und Verwaltungsvorschriften finden diese Grundrechte ihren Niederschlag. So z. B. im Erbrecht §§ 1922 - 2385 BGB, dem Sachenrecht §§ 94 - 97 BGB, § 738 BGB und dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG). Dort u.a. in §§ 1, 2, 3, 3 a, 12, 21, 28(2), 36, 44, 45, 46, 53, 54, 56, 64, 65. Die Vielzahl dieser hier im LwAnpG von den Grundrechten tangierten gesetzlichen Vorschriften dokumentiert, in welchem Umfang und wie tiefgreifend die Grundrechtsverletzungen in der DDR, hier dem LPG-Recht, waren, so das allein dieser Teilbereich der Landwirtschaft beim Wechsel zum Rechtsstaat einer Anpassung bedurfte und noch immer bedarf.

 

Bei Meinungsdifferenzen steht der Rechtsweg offen. Artikel 19 GG garantiert den Rechtsweg. Letzte Instanz sind die Verfassungsgerichtshöfe der Bundesländer bzw. das Bundesverfassungsgericht, sofern der ordentliche Rechtsweg ggf. bis zum Bundesgerichtshof ausgeschöpft wurde und mögliche Grundrechtsverletzungen strittig sind. Oder aber verfassungsrechtliche Zweifelsfälle bei Gerichten von dort dem Verfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt werden.

 

Auf internationaler Ebene sind die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) von 1950 sowie die dazu ergangenen Zusatzprotokolle von 1952 und 1963 tragende Elemente der Rechte aller Menschen all jener Länder, die diesen Konvention beigetreten sind. Die Bundesrepublik Deutschland ist dieser Konvention der Menschenrechte 1952 beigetreten. Dabei ist Artikel 1 des Zusatzprotokolls vom März 1952, der Schutz des Eigentums, hier von besonderer Bedeutung.

 

Ebenso sind die Menschenrechte in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom Europäischen Rat proklamiert. Mit dem Einigungsvertrag (EV) vom August 1990 sind die 5 neuen Bundesländer per 03.10.1990 dem Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland beigetreten. Folglich gilt ab diesem Zeitpunkt auch die Konvention der Menschenrechte für die Menschen im Beitrittsgebiet . Das LwAnpG vom Juni 1990 wurde mit dem EV in Bundesrecht überführt und hier mehrmals novelliert. Rechtsschutz ist gewährt durch den nach Artikel 19 der EMRK eingerichteten Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EuGH) in Straßburg, der die Einhaltung der Verpflichtungen, die die Länder mit dem Beitritt zu den EMRK eingegangen sind, überprüft.

 

In Sachen Vermögensabfindung bei Umwandlung von Unternehmen bzw. Abfindung ausscheidender Gesellschafter hat sich das BVerfG bereits mit Urteil vom 07.08.1962, 1 BvL 16/60, unmissverständlich geäußert. Danach sind Anteile an einer Gesellschaft

(eG, KG, GmbH, AktG) und entsprechend Abfindungsansprüche im Rahmen der Umwandlung oder des Ausscheides aus einer Gesellschaft nach Artikel 14 GG geschützte Eigentumsvermögensrechtsansprüche. In seinem Beschluss vom 08.12.1995, BLw 28/95, hat der BGH im Rahmen der Ver mögensauseinandersetzung nach LwAnpG ausdrücklich auf dieses Urteil des BVerfG verwiesen.

 

Auch im Urteil vom 19.01.2001, 1 BvR 1759/91, hat das BVerfG unmissverständlich klargestellt, dass die Pflichtmit gliedschaft einer Genossenschaft im Genossenschaftsprüfverband und die damit verbundene Bilanz- und Geschäftsprüfung dem Förderzweck gemäß § 1 Genossenschaftsgesetz dient und die Prüfung des ordnungsgemäßen wirtschaftlichen Umgangs mit dem Vermögen der Genossenschaft und ihrer Genossen von nicht unerheblicher Bedeutung für das Wirtschaftsleben ist und auch dem Schutz der Allgemeinheit und der Stabilität des gesamten Wirtschaftssystems dient.

 

II. BGH- Beschlüsse zur Umsetzung der Rechtsgrundlagen

 

Der BGH hat seit 1992 in zahlreichen Entscheidungen unmissverständlich klargestellt, dass die gesetzlichen Vorschriften des LwAnpG zur Einführung rechtsstaatlicher Verhältnisse strikt einzuhalten sind. BGH, BLw 58/92 RdL 1993, 328, BLw 59/92 RdL 1993, 133, BLw 46/92 RdL 1993,182, alle vom 21.04.1993. Ferner IX ZR 159/92 vom 22.10.1992, ebenso BLw 26/92 vom 04.12.1992 RdL 1993, 77 und BLw 63/92 vom 19.06. 1993. Mehr als 100 höchstrichterliche Entscheidungen lagen zum LwAnpG bis zum Jahre 2000 vor. Dabei ging es von Anfang an vor allem auch um das maßgebende Eigenkapital der LPG in 1990/91, das als eigentumsrechtlich geschützte Abfindungsgrundlage nach § 44 LwAnpG zugrunde zulegen war.

 

Im Beschluss vom 01. 07. 1994, BLw 95/93 hat der BGH bestätigt, dass von der Rechtsgrundlage abweichende LPG-Mitgliederbeschlüsse aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes nichtig sind. Im Beschluss vom 08.12.1995, BLw 28/95 hat der BGH klar zum Ausdruck gebracht, dass die Barabfindung nach § 36 LwAnpG den Zweck verfolgt, die enteignende Wirkung der staatlich verordneten Zwangskollektivierung nicht zu perpetuieren.

 

Ferner begründet der BGH dort seine Entscheidungen mit der Notwendigkeit, dass nach § 44 Abs. 6 LwAnpG der tatsächliche Wert nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung unter Erfassung sämtlicher tatsächlicher Werte zu ermiteln ist und dies sich schon daraus ergibt, »dass die aus Anlass der Umwandlung ausscheidenden Mitglieder nicht schlechter gestellt werden dürfen« als die in der LPG/e. G. bleibenden Mitglieder. Die ausgeschiedenen »dürfen nicht benachteiligt werden«.

 

Dabei ist bei der Ermittlung des wahren Wertes von der »le­ benden wirtschaftlichen Einheit unter Auflösung der stillen Reserven« auszugehen. Der quotale Anteil am so ermittelten Eigenkapital darf sich danach durch die Umstrukturierung - Teilung, Zusammenschluss und/oder Umwandlung - nicht ändern. Dies gilt unabhängig davon, ob und wann die Mitgliedschaft in der LPG beendet wurde. Auch in einer neuen - umgewandelten - Genossenschaft muss das Geschäftsguthaben eines jeden Genossen proportional seiner Beteiligung an der früheren LPG nach § 44 Abs. 1 LwAnpG entsprechen. Sehr deutlich hat auch das Landwirtschaftsgericht Bautzen am 09.02.1994, 2Lw 309/93 - vom BGH am 30.06.1994, BLw 42/94, bestätigt - klargestellt -, dass eine vollständige Zuordnung des Eigenkapitals nach § 44 Abs. 1, Ziffer 1, 2 und 3 LwAnpG auch bezüglich ausscheidender LPG- Mitglieder erforderlich ist. Würden diese mit einem geringeren Anteil abgefunden, so »hätte dies zur Folge, dass die verbleibenden Mitglieder im Extremfall zu Millionären würden«. Eine solche Ungleichbehandlung verstößt gegen das GG, gegen das BGB und gegen die EMRK.

 

Diese Rechtsprechung hat sich bis in jüngste Zeit fortgesetzt - BGH, BLw 18/97 vom 08. 05.1998, BLw 16/98 vom 23.10. 1998, OLG Dresden WLw 1226/00 vom 19.01.2004, RdL 2004, 280.

 

Die neuen LPG-Unternehmen, oft nur noch mit wenigen ehemaligen LPG-Mitgliedern, sind bereichert, der Eigentums- Abfindungsanspruch - der ausgeschiedener LPG-Mitglieder wurde dabei veruntreut §§ 242, 812 BGB, § 266 StGB.

 

III. Die Realität

 

Aufgrund dieser und einer Vielzahl weiterer solcher Ent­ scheidungen sollte man annehmen können, dass die Vermögensauseinandersetzung, die Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften des LwAnpG im Rahmen der Grundrechte vollzogen wurde. Die Realität sieht indessen anders aus. Nach dem Abschlussbericht des Forschungsprojekts der Universität Jena von 2003 (DFG) wurden nur etwa 27% der Vermögensansprüche als Anteile der LPG-Mitglieder am Eigenkapital der LPG in 1990 und den Folgejahren nach § 44 LwAnpG diesen zugeordnet. Zahlreiche Ergebnisse - Beschlüsse und Vergleiche - im Rahmen von Verfahren bei den Land­ wirtschaftsgerichten bestätigen dies. In mehr als 90% der Fälle gab es zum Teil erhebliche Nachzahlungen. Danach bleibt festzustellen, dass in der Realität, in nahezu allen Fällen der rund 600.000 einstigen LPG-Bauern-Landeinbringer und ihren Erben, die Grundrechte ab 1990 mit staatlicher Duldung, ja Unterstützung grob verletzt wurden.

 

Der Vermögensschutz nach § 28 Abs. 2 und § 36 Abs. 1 LwAnpG wurde missachtet (DFG Seite 276). Der Gleichbehandlungs grundsatz, der sowohl nach LPG-Gesetz, GenG, HGB und GG zu beachten ist, wurde verletzt (DFG Seite 172). Die in aller Regel dem LPG-Vorstand und deren Rechtsberatern weit unterlegenen LPG-Mitglieder konnten die ihnen unterbreiteten viel zu niedrigen, treuwidrigen, Abfindungsangebote nicht prüfen und wurden zu Unterschriften »verführt«, so dass es flächendeckend zu sittenwidrigen Abfindungsvereinbarungen kam. Die infolge 40 Jahre DDR-LPG-Unrechtsunterdrückung festzustellende Unerfahrenheit, Entscheidungsschwäche und Willensschwäche der LPG-Bauern wurde von vielen LPG-Vorständen und ihren Nachfolgern treuwidrig missbraucht.

 

Die Ermittlung des maßgebenden Eigenkapitals nach § 44 Abs. 6 LwAnpG dokumentiert oft selbst bei gerichtlichen Verfahren mit Sachverständigengutachten, die nach Handelsrecht, Aktienrecht, GenG und DM-Bilanzgesetz strafrechtliche Relevanz. Dessen ungeachtet wurden auch solche von gerichtlich bestellten Sachverständigen (Gehilfen des Gerichts) errechneten Werte von den Gerichten - den Tatrichtern - anerkannt und auf dessen Grundlage sehr zum Nachteil von LPG-Mitglied und grundrechtswidrig entschieden.

 

Wie die DFG-Forschungsstudie zu dem feststellt, waren rund 11% der Umwandlungen i. S. §§ 23 ff. LwAnpG unwirksam mit der Folge, dass in diesen Fällen alle Bilanzen der neuen Unternehmen ab 1992 infolge fehlenden Vermögensübergangs nichtig sind. Das Vermögen ist bei diesen Fällen fehlgeschlagener Gesamtrechtsnachfolge bei der LPG in unerkannter Liquidation geblieben. Da zudem bei den Teilungen und Zusammenschlüssen, §§ 4 - 21 LwAnpG, der LPGs vor der Umwandlung die gleichen rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen wie bei der Umwandlung oder in einem Zuge, § 22 LwAnpG, kann wohl mindest von 30-60% fehlgeschlagener, durch Registereintrag auch nicht geheilter Umstrukturierungsvorgänge ausgegangen werden. Tatsächlich dürfte der fehlgeschlagene Anteil aufgrund der vorliegenden praktischen Erfahrungen wesentlich höher liegen.

Zumal bei Teilung und Zusammenschlüssen die Heilungsmöglichkeit nach § 34 LwAnpG nicht besteht (OLG Dresden 04.07.1997, 3 W 1286/96, § 134 BGB).

 

Obgleich diese Problematik seit 1992 allseits bekannt ist, wie die Landtagsbeschlüsse der Freistaaten Sachsen und Thüringen von 1992, sowie zahlreiche Überprüfungen nach § 70 Abs. 3 LwAnpG auch in den anderen Bundesländern bestätigen, wurden die LPG-Unternehmen entgegen der Förderbedingungen der Europäischen Union von den Bundesländern jährlich mit Millionenbeträgen aus öffentlichen Kassen gefördert (RdL 4 und 5/2004).

 

Zudem ist regelmäßig festzustellen, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aber noch nicht anhängig, dass die LPG-Bauern/Bodeneigentümer auch bei der Bodenneuordnung nach §§ 53 ff LwAnpG einen nicht geringen Anteil ihres Vermögens/Eigentum i. S. Art. 14 GG, verlieren, wenn die Bodenordnungsämter bei der Zusammenführung von LPG-Gebäuden mit dem Boden der Bauern die sogenannte Halbteilungsregelung nach § 68 Sachenrechtsbereinigungsgesetz praktizieren, obgleich diese im LwAnpG keine Rechtsgrundlage hat (RdL 4/2005). Der oft auch unberechtigte, da den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechende Abzug von theoretischen Erschließungskosten i.S. § 19 Sachenrechtsbereinigungsgesetz verschärfen die Unrechtsfolgen zusätzlich. Dabei gelten im Bodenordnungsverfahren die Grundsätze des Flurbereinigungsgesetzes, das eine solche grundrechtsverletzende Ungleichbehandlung und Eigentumsrechtsverletzung nicht duldet.

 

Eine verfassungsrechtliche Entscheidung hierzu steht noch aus. Jedoch hat der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei zum Sachenrecht – Entgelt – ergangenen Entscheidungen (V ZR 207/04 und V ZR 208/04, beide vom 17.06.2005) entschieden, dass ohne entsprechenden Verweis im Gesetz eine solche (analoge) Anwendung (hier der Halbteilung des Bodenwertes) ausgeschlossen ist. Und da SachenRBerG und LwAnpG unterschiedliche Ziele verfolgen, ist nicht zu erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht einer solchen Eigentumsrechtsverletzung (Halbteilungsregelung) im LwAnpG zustimmen würde.

Die oft festzustellende, eigentumsfeindliche Rechtsprechung des BVerwG kann keinen Bestand haben. Schließlich ist Justizia an Gesetz und Recht gebunden – Artikel 20 (3) und 97 (1) GG. RdL 4/2005.

 

Dies gilt umso mehr, als im Bodenordnungsverfahren die Frage des Gebäudeeigentums – Rechtsnachfolge oder LPG in unerkannter Liquidation – nicht geprüft werden soll und so auch der Boden in das Eigentum eines nichtberechtigten Unternehmens übergehen kann, wenn das Grundbuchamt den „Erbnachweis“ nicht prüft.

 

OLG Dresden, 3 W 1286/96 vom 07.04.1997, LG Dresden, 2-T-1015/99 vom 22.11.1999. Hierfür reicht der oft fehlerhafte Registereintrag nicht (BGH, BLw 18/97 vom 05.08.1998).

 

IV. Die Konsequenzen

 

Nun ist der EuGH für Menschenrechte gefordert. Inzwischen sind beim EuGH für Menschenrechte in Straßburg 9 Verfahren von 20 nach LwAnpG Vermögensanspruchsberechtigten anhängig. Die Beschwerden richten sich gegen die jeweils betroffenen Bundesländer als staatliche Exekutive, die es zugelassen haben, in diesen hier betroffenen Fällen die Grundrechte, die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, der Zusatzprotokolle und der Charta der Grundrechte zu verletzten. Konkret beklagen die Beschwerdeführer beim EuGH:

 

a) Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes/Diskriminierungs verbot 

    (Art. 1 und 3 GG, Art. 6 und 14 EMRK)

 

b) Verletzung des Schutzes des Eigentums (Art. 14 GG, Art. 1

    Zusatzprotokoll zur EMRK)

 

c) Verletzung der Menschenwürde - treuwidriges und sittenwidriges

    Verhalten gegenüber abhängigen, unterlegenen  

    und willensgeschwächten Menschen (Art. 1 und 3 GG, Art. 6

    EMRK, Art. 17 Charta der Grundrechte der EU)

 

d) Verletzung rechtlichen Gehörs, Ermessensfehlentscheidung - trotz

    Amtsermittlungsgrundsatz (Art. 19 GG, § 38 DRiG, Art. 6 EMRK)

 

e) Verletzung der Rechtsweggarantie (Art. 19 GG, Art. 6 und 13

    EMRK)

 

Beispiele hierzu, dass sich ehemalige LPG-Bauern um ihr in die LPG eingebrachtes Vermögen und den nach LwAnpG zustehenden Abfindungsanspruch betrogen fühlen, gibt es viele tausend. Trotz einer klaren gesetzlichen Grundlage und Rechtsprechung hierzu liegt eben auch stark abweichende Rechtsprechung vor. Und wer nicht zum Gericht gegangen ist, dem wurde der größte Teil seines Vermögensanteils an der LPG rechtswidrig vorenthalten.

Die 9 anhängigen Beschwerdeverfahren beim EuGH für Menschenrechte stehen nur als Beispiel für viele.

 

a)    Da liegt z. B. die LPG-Abfindungsbilanz vor mit 7 Mio. DM Eigenkapital. Auf dieser Grundlage erhalten zwei ehemalige LPG-Bauern den ihnen zustehenden Vermögensabfindungsanspruch - Lw 2/94, Lw 3/93 vom OLG bestätigt, Lw U 1059/96 und Lw U 850/95, mit rund 56.000 bzw. 92.000 DM. Zeitlich verzögert stellen weitere Vermögensanspruchsberechtigte nach vergeblichen außergerichtlichen Bemühungen bei der Agrargenossenschaft schließlich Antrag beim Landwirtschaftsgericht, um dort ebenso ihre ihnen zustehenden Ansprüche zu erstreiten. In diesen Verfahren beauftragt das Gericht einen Sachverständigen zur Erstellung eines Gutachtens zwecks Ermittlung des maßgebenden Abfindungseigenkapitals nach § 44 Abs. 6 LwAnpG. Der beauftragte Sachverständige, unstrittig ein ehemaliger Mitarbeiter der Staatssicherheit der DDR. Vom Wirtschaftsprüfer ist das maßgebende Eigenkapital in der geprüften Bilanz 1991 mit rund 7 Mio. DM bestätigt.

 

Da weist der Genossenschaftsprüfverband Jahre später in einem Gutachten im Auftrag der Agrargenossenschaft zum gleichen Bilanzstichtag, den 31.12. 1991, ein maßgebendes Eigenkapital von rund 1,2 Mio. DM aus - obgleich der gleiche Prüfungsverband in all den Jahren nach 1991 die Agrargenossenschaft geprüft hat und dabei, wenn auch unter Berücksichtigung der erwirtschafteten Verluste (bis einschließlich im Jahre 2000 mehr als 2 Mio. DM Verluste) ein abnehmendes, aber per 31.12.1991/01.01.1992 unverändertes Eigenkapital von rund 7 Mio. DM bestätigt hatte.

 

Da ermittelt der vom Gericht bestellte Sachverständige ein Eigenkapital per 31.12. 1991, abweichend von den geprüften und bestätigten Bilanzen, von knapp 400.000 DM. Der Sachverständige wurde von den vermögensanspruchsberechtigten ehemaligen LPG-Bauern bzw. ihrem gerichtlichen Vertreter aufgrund Stasivergangenheit wegen Befangenheit abgelehnt. Das Gericht wies den Befangenheitsantrag jedoch zurück u. a. mit der Begründung, dass sich dieser Sachverständige, ehemals öffentlich bestellt und vereidigt, inzwischen lediglich noch zertifizierter Sachverständiger, in zahlreichen Parallelfällen aufgrund seiner Sachkenntnisse bewährt hätte.

Sodann entscheidet Amtsgericht und OLG auf der Grundlage dieses Gutachtens und weist die Ansprüche der Antragsteller zurück. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird nicht zugelassen. Die dennoch eingelegte Rechtsbeschwerde beim BGH wird von diesen wegen Unzulässigkeit verworfen, da ein abweichender Rechtssatz in der Entscheidung des OLG nicht festzustellen ist und ein fehlerhaftes Sachverständigengutachten kein Grund zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückweisung an das OLG sei. XV Lw 13/99, Lw U 380/03, BLw 28/03.

 

Eine Beschwerde beim BVerfG wegen Unvereinbarkeit der Beauftragung eines stasibelasteten Sachverständigen zum Gehilfen des Gerichts und dessen Unvereinbarkeit mit §§6 und 8 des Thüringer Beamtengesetzes bzw. §8 des Thüringer Richtergesetzes wird, ohne auf die eigentliche Problematik einzugehen, von diesen zurückgewiesen - VerfGH 21/03. Die Folge ist, dass diese Antragsteller trotz Ausschöpfung des Rechtswegs die ihnen zustehende Nachzahlung entgegen der beiden vorangegangenen Verfahren nicht erhalten.

 

Alle jene rund weiteren 600 LPG-Mitglieder erhalten ebenso keine Nachzahlung und, wenn überhaupt, nur eine äußerst geringe Abfindung, während den in der Agrargenossenschaft verbliebenen LPG-Mitglieder das Vermögen anwächst.

 

b)   In einem anderen der vorliegenden Fälle weist die maßgebende Stichtagsabfindungsbilanz der LPG/Agrargenossenschaft ein maßgebendes Eigenkapital, vom Genossenschaftsprüfverband in den Prüfungsberichten bestätigt, von rund 9 Mio. DM aus. Zwar bestreitet die Agrargenossenschaft die Höhe dieses Eigenkapitals, doch ein Sachverständiger bestätigt dies in seinem Gutachten bzw. erhöht dieses Eigenkapital nach § 44 Abs. 6 LwAnpG durch Auflösung diverser stiller Reserven. Der Antragsteller erhält daher seine Ansprüche erfüllt - Lw 2/95 und Lw U 991/00.

 

Anträge von nachfolgenden Antragstellern (Klägern) beim Landwirtschaftsgericht werden zurückgewiesen mit der Begründung, es würden bindende, abschließende Abfindungsvereinbarungen aus dem Jahre 1997 vorliegen. Tatsache ist aber, dass die Vermögensanspruchsberechtigten zu keinem Zeitpunkt, auch nicht mit dem Angebot von 1997, über ihre tatsächlichen Ansprüche auch nicht annähernd infor­ miert wurden. Angeboten wurde seinerzeit eine Nachzahlung von etwa 25% des tatsächlichen Anspruchs. Auf die Tatsache, dass tatsächlich wesentlich mehr zustehen würde und das auf diesem weiter tatsächlich zustehenden Anspruch verzichtet werden soll, war in dem Nachzahlungsangebot von 1997 nicht die Rede. Eine auch nur andeutungsweise Aufklärung der Anspruchsberechtigten über weitere Ansprüche und Verzicht durch Unterschrift erfolgte unstrittig nicht. Den Anspruchsberechtigten wurde vielmehr »schmackhaft gemacht«, dass sie unterschreiben sollten, damit die Agrargenossenschaft die in Aussicht gestellte Zahlung leisten kann. Damit hat sich der ehemalige LPG-Vorstand bzw. Geschäftsführung des neuen Unternehmens den Mitgliedern gegenüber treuwidrig und sittenwidrig verhalten, denn ihm war bekannt, dass den ehemaligen LPG-Mitgliedern ein wesentlich größerer Anspruch zusteht,

Dennoch hat das Gericht diese sogenannten Abfindungsangebote als abschließend anerkannt und weitere Ansprüche zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wurde nicht zugelassen, so dass auch der weitere Rechtsweg - trotz entsprechendem Vortrag beim Landwirtschaftsgericht und OLG - verwehrt blieb und ein weiterer Schritt im Rechtsweg verhindert wurde - XV Lw 68/01 und Lw U 95/04.

 

In dem vorangegangen Verfahren, Lw 2/95, Lw U 991/00, hatte der Antragsteller seine Ansprüche aufgrund des Bilanzeigenkapitals und eines Sachverständigengutachtens erfüllt bekommen, mit Ausnahme des LPG Typ I Anteils, den dieser zwar geltend gemacht und vorgetragen hat, allerdings nicht durch Belege nachweisen konnte. Dass das Gericht aufgrund der Tatsachennähe - Az. : 5 U 64/97 - die Unterlagen der LPG bei der Antragsgegnerin hätte verlangen müssen, und aufgrund des Vortrags und der vorliegenden Tatsachen der Vortrag auch glaubwürdig war, hat das Gericht nicht interessiert.

 

c)   Da weist ein LPG-Nachfolgeunternehmen in der maßgebenden Abfindungsbilanz per 31.12. 1991 von rund 8 Mio. DM Eigenkapital aus. Bei einer Einsichtnahme in die Unterlagen wird festgestellt, dass noch etwa 4 Mio. DM Rückstellungen dem Eigenkapital nach § 44 Abs. 6 LwAnpG hinzuzurechnen sind. Da berechnet das LPG-Unternehmen für den Anspruchsberechtigten nach § 44 Abs. 1 LwAnpG selbst einen Anspruch von mehr als 60.000 DM. Diese Unterlagen werden aber nicht dem Anspruchsberechtigten im Rahmen der Abfindung, sondern erst 5 Jahre später beim Gericht von der Antragsgegnerin im Rahmen der Auskunftspflicht vorgelegt.

 

Die Vermögenspersonifizierung nach § 44 Abs. 1 LwAnpG wurde von der Agrargenossenschaft offensichtlich 1992/93 dem Ministerium vorgelegt, um die Ordnungsmäßigkeit der Vermögensauseinandersetzung nachzuweisen und die Förderfähigkeit bestätigt zu bekommen. Da legt die gleiche Agrargenossenschaft bereits in 1992 dem ehemaligen LPG-Bauern ein Abfindungsangebot von rund 10.000 DM vor. Selbstverständlich nimmt der Anspruchsberechtigte die Zahlung an. Dass ihm mehr als das 6-fache zusteht, konnte er nicht ahnen. Hierüber wurde er auch zu keinem Zeitpunkt von der Agrargenossenschaft informiert. Hier verhält sich die Antragsgegnerin, wie in so vielen Fällen, treuwidrig.

 

d)   Da legt die gleiche Agrargenossenschaft ein Sachverständigengutachten vor, von einem ehemaligen Mitarbeiter der Staatssicherheit der DDR, und berechnet ein maßgebendes Eigenkapital von rund 2,7 Mio. DM. Eine Nachzahlung weist das Gericht daher ab - XV Lw 11/96 und Lw U 722/00. Da wird in einem weiteren Verfahren ausführlich dargelegt, dass der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt über seine tatsächlichen Ansprüche informiert wurde und der Bauer dies auch nicht selbst beurteilen konnte, obgleich dies auch nach BGH Voraussetzung ist für eine bindende Verzichtserklärung, BGH, V ZR 74/96 vom 10.10.1997. Da wird beantragt, die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum BGH. Dennoch wird der Antrag auf Zahlung des von der Agrargenossenschaft selbst errechneten Betrages, der dem Antragsteller vorher nie bekannt war, abgewiesen, ohne die Rechtsbeschwerde zum BGH zuzulassen - Lw 12/96 und Lw U 731/00.

 

e)   Da wird einem 80jährigen ehemaligen LPG-Bauern in 1991 eine Vereinbarung vorgelegt zur Aufhebung der LPG-Mitgliedschaft und zur Auszahlung des Inventarbeitrages. Da es ohne Unterschrift dieser Vereinbarung eine Auszahlung nicht gibt und er noch miterleben möchte, dass der Inventarbeitrag zurückgezahlt wird, unterschreibt er. Der hinzugefügte Nachsatz, dass weitere Ansprüche aus der Mitgliedschaft nicht zustehen, wird von ihm - wie von vielen anderen LPG-Mitgliedern - nicht beachtet, die mögliche Tragweite auch nicht erkannt.

 

Dass ihm Wesentlich mehr zusteht, als der Inventarbeitrag, wird ihm vom LPG-Vorstand auch nicht gesagt. Als dann schließlich mehrere ehemalige LPG-Mitglieder vor Ablauf der möglichen Verjährungsfrist einen Antrag beim Landwirtschaftsgericht stellen, zahlt die Agrargenossenschaft in mehreren Fällen auch noch zum Teil beachtliche Beträge bis zu 25.000 EUR nach. In dem einen Fall lehnt sie dies konsequent ab. Das Landwirtschaftsgericht unterstellt eine abschließende, weitere Ansprüche ausschließende Abfindungsvereinbarung und lehnt eine Nachzahlung ebenfalls ab. Das sich dieser LPG-Bauer bzw. inzwischen seine Erben diskriminiert fühlen und das dies weder dem Gesetz noch des Willen des LPG-Bauern entspricht und eine solche Abfindung dem Schutz des Eigentums widersprechen, davon ist auszugehen - XV Lw 58/01 und Lw U 947/04.

 

f)    Da beantragen zwei ehemalige LPG-Mitglieder beim Landwirtschaftsgericht die ihnen nach LwAnpG zustehende Abfindung von ihrer ehemaligen LPG. Die maßgebende Abfindungsbilanz der LPG per 30.06. 1991 weist unter Berücksichtigung der Rückstellungen ein Eigenkapital i. S. § 44 Abs. 6 LwAnpG von rund 7 Mio. DM aus. Da berechnet ein Sachverständiger im Auftrag der Agrargenossenschaft unter Hinweis auf eine Bestätigung des Thüringer Landwirtschaftsministeriums, dass die Vermögensauseinandersetzung korrekt sei. Das vom Sachverständigen ermittelte Eigenkapital beläuft sich auf rund minus 1 Mio. DM. Danach wäre das Unternehmen von Anfang an weit überschuldet gewesen und hätte keinen »wahren Wert« gehabt.

 

Ein sodann vom Gericht bestellter Sachverständiger ermittelt ein Eigenkapital von rund 500.000 DM.

 

Dieses Gutachten legt das Gericht letztendlich zugrunde und weist weitere Nachzahlungsansprüche zurück. Alle Einwendungen gegen die falschen Gutachten blieben unberücksichtigt.

 

Die Rechtsbeschwerde zum BGH wurde nicht zugelassen. Die dennoch beim BGH eingelegte Abweichungsrechtsbeschwerde wurde als unzulässig verworfen, da das OLG die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat und ein falsches Gutachten bzw. ein vom Tatrichter falsch eingeschätztes, im Ermessen des Tatrichters liegendes falsches Gutachten kein abweichender Rechtssatz ist (XV16/95 – Lw U 459/99, BLw 29/03 bzw. XV 4/97 - Lw U 460/99, BLw 30/03).

 

g)    Da stellen zwei ehemalige LPG-Mitglieder einen Antrag beim Landwirtschaftsgericht, nach dem ihm bekannt geworden ist, dass mehrere frühere LPG-Bauern im Dorf bereits erhebliche Nachzahlungen von der Agrargenossenschaft erstritten haben. Da werden die Ansprüche zurückgewiesen wegen angeblicher Verjährung. Die Registerunterlagen weisen jedoch aus, dass eine wirksame Rechtsnachfolge nicht vorliegt, wie auch aus Veröffentlichungen aufgrund von Mitteilungen vom Ministerium betreffs Ergebnisse der sogenannten Jena-Studie hervorgeht.

 

Der Antrag beim Gericht, diese Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung beim Regierungspräsidium anzufordern, wie das Ministerium ausdrücklich vorgeschlagen hatte, wird vom Gericht als unzulässiger Beweismittelantrag abgelehnt. Ein Umwandlungsbeschluss liegt nicht vor, ebenso kein Beschluss über eine Zusammenschluss mehrere LPG. Die neuen Mitglieder in der Agrargenossenschaft mussten ihren Genossenschaftsgeschäftsanteil zeichnen und einzahlen, ein Aufnahme­ antrag in der neuen Gesellschaft musste dem Vorstand bzw. der Geschäftsführung vorgelegt werden.

Von dem Eigenkapital von rund 30 Mio. DM waren reichlich 10% zur Auszahlung gekommen.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat die Beschwerde verworfen, da die Nichtbeachtung des Antrags auf Beiziehung der Akte vom Regierungspräsidium weder eine Verletzung der Amtsermitt lungspflicht noch eine falsche Ausübung des Ermessens sei, obgleich im Antrag an das Gericht dies ganz klar damit begründet wurde, dass die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studie der Universität Jena zur Berücksichtung nunmehr vorliegen und daher zu beachten sind - 21 XV 35/02, W XV 0817/04, Vf. 122/IV-04, 33/02, W XV 0954/04, Vf. 124/IV-04.

 

Nun wird der EuGH für Menschenrechte über diese und weitere vorliegende Beschwerden nach entsprechender Prüfung zu entscheiden haben. Sicher ist, dass es hier um Grundrechtsver stöße nach Deutschen bzw. Europäischen Recht geht und der EuGH für Menschenrechte insoweit auch zuständig ist, und ferner die LPG-Bauern aufgrund der seit 1990/91 klaren rechtlichen Vorschriften, der Prüfung der Länderministerien nach § 70 Abs. 3 LwAnpG, sowie der vorliegenden Rechtsprechung des BGH auch mit einer korrekten Abfindung rechnen konnten.

 

Die Wettbewerbsverzerrungen, die infolge Förderung der LPG-Betriebe seit 1991 trotz Missachtung der Grundrechte, der EMRK und der von der EU genehmigten Fördervoraussetzungen durch diese Betriebe flächendeckend festzustellen ist, wird dabei nicht unbeachtlich bleiben können.

 

Verletzung der Vorschriften der Anpassungshilfeverordnung sowie der Investitionsförderung, Liquiditätshilfen, BVVG-Landpacht und begünstigten Bodenkauf, Altschuldenregelung und - Erlass, Einsatz von ABM-und SAM-Kräften, verschärfen die Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil der privaten Bauern seit 1991 bis heute.

 

Die damit verbundene Ungleichbehandlung/Diskriminierung ist mit den Grundrechten gemäß Grundgesetz und den EMRK/Zusatzprotokoll/Charta der Grundrechte nicht vereinbar.

 

(siehe auch RdL 10/2005, 5/2004 und hier Kapitel 0.2.1 sowie 5.5)

0.10 Europäische Union prüft LPG-Unternehmen
0. Vorbemerkungen
0.12 Agrargenossenschaft Kahla e.G. ist kein Rechtsnachfolgeunternehmen