6.7 Perestroika und Glasnost
6. Förderrichtlinien
6.9 Mehr Rechtsstaatlichkeit - transparente Direktzahlungen
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6.8 Der Familienbetrieb - ein Unternehmen

Der landwirtschaftliche Familienbetrieb wird oft über Generationen von der gleichen Familie geführt. Familienbetriebe sind nicht nur Arbeitsplatz, von der Familie selbst finanziert, sondern auch Heimat im Dorf, am Stadtrand, in der Natur.

Die Mehrzahl der Familienbetriebe hat in den zurückliegenden 50 ja 100, 200 Jahren die gesamte technische, organisatorische, ja auch die gesellschaftliche Entwicklung Dank der Leistung der Familie bewältigt. Der Familienbetrieb ist heute ein Unternehmen am Markt, ein Unternehmen, das seine Existenz der Familienleistung zu verdanken hat, die eigenen Arbeitsplätze der Familie, die eigene Einkommensquelle über Jahre, über Generationen, auch mit oft sehr langfristigen Investitionen selbst finanziert.

Chancen und Risiken liegen dabei oft eng beieinander und werden von der Familie getragen.

Neben den produktionstechnischen Wissen und Könne ist das organisatorische Management, die Betriebsorganisation und tägliche Betriebsführung von der Familie gefordert.  Viele Familienbetriebe werden von mehreren Familien gemeinsam als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gemeinsam geführt. Sehr bekannt ist dabei die GbR zwischen Eltern und Jungbauer als Vorstufe der Betriebsübergabe. Die Familienbetriebsbauern so wie die GbR-Mitglieder und ihre Familienmitglieder tragen in den Betriebsvermögen auch das unternehmerische Risiko, haben mit der Einkommens- Gewinnchance auch die unternehmerische Chancen gemeinsam.  

Völlig anders liegen die  Verhältnisse im Beitrittsgebiet bei den Kapitalgesellschaften. Entstanden sind diese i. d. R. 1990/91 als Gesamtrechtsnachfolge der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG), die ihr erstes Vermögen vor 50 Jahren anlässlich der Zwangskollektivierung nach LPG-Gesetz von den Bauern an sich genommen haben. Nur zum Teil, nach einer wissenschaftlichen Untersuchung der Universität Jena etwa 25 % des LPG-Vermögens wurden nach 1990 an die Bauern gemäß Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG) zurückgegeben.

Bis 1990 war die Mehrzahl der LPG-Arbeitnehmer dort im Kollektiv Mitglied. Nur ein geringer Teil der LPG-Mitglieder wurde ab 1991 mit der Umwandlung in die Kapitalgesellschaft mit übernommen und konnten dort weiter als Arbeitnehmer ihren Lebensunterhalt verdienen, auch Gewerkschaftsmitglied werden und so ihre Interessen vertreten.  

Das unternehmerische Risiko und die Chancen liegen bei der Kapitalgesellschaft, die auch das Betriebsvermögen und in ihrer Bilanz führt, bei dieser  unternehmerische Chancen und Risiken liegen beim Kapitaleigner entsprechend seiner Anteile.

Die Stellung der Beschäftigten bei einer Kapitalgesellschaft sind in ihrer Arbeitnehmersituation rechtlich und wirtschaftlich nicht vergleichbar mit den Familienarbeitskräften im Familienbetrieb, den Familienunternehmern. Die Genossenschaftsgeschäftanteile sind, sofern solche vorliegen, sehr bescheiden.  

Als Mehrfamilienbetriebe i. S. einer GbR oder zum Teil auch als angestellte  Arbeitnehmer im Familienbetrieb ist der Status der Arbeitnehmer in einer Kapitalgesellschaft weder rechtlich noch wirtschaftlich vergleichbar. Auch an dieser Stelle wird der DBV noch einiges an seiner Interpretation und Einflussnahme zum Nachteil der Familienbetriebe arbeiten müssen.

Die im Beitrittsgebiet 1990 von der „Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe“ (VdgB), den SED-Vertretern der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG), zum Bauernverband (DBV) umbenannte Organisation vertritt unverändert die Interessen der LPG-Betriebe, jetzt seit 1990/91 als Kapitalgesellschaft umformiert. Schließlich bewirtschaften die Kapitalgesellschaften noch immer rund 50 % der landwirtschaftlichen Fläche im Beitrittsgebiet. Die Familienbetriebe haben da einen sehr schweren Stand. Die unternehmerische Entwicklung wird oft gezielt, bewusst verhindert. Die Kapitalgesellschaften gehen bei oft geringster Rentabilität und weit überdurchschnittlicher Subventionen - Direktzahlungen - in fremde Hände von außerlandwirtschaftlichen Kapitalanlegern. Der Ländliche Raum leidet folglich sehr. Nach gegenwärtigen Richtlinien ist allein die Fläche/ha Maßstab für EU-Agrarsubventionen (GAP). Danach erhalten die flächengroßen Kapitalgesellschaften so viel Direktzahlungen, das sie ihre Personalkosten damit decken - bei etwa 30.000 €/AK. Die Familienbetriebe erhalten selbst bei 100 ha LN bestenfalls 10.000 €/AK - berechnet nach der Fläche/ha.

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