6.12 Zur Reform der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)
6. Förderrichtlinien
6.14 Diskreminierung oder Gerechtigkeit
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6.13 Mehrfamilienbetrieb als Rechtsform

Das Rechtskleid: 

In der gegenwärtigen Diskussion im Zusammenhang mit der künftigen Agrarförderung der EU ab 2014 der neuen „Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)“ gehen die Meinungen um den Mehrfamilienbetrieb oft recht ungeordnet auch durch die Fachpresse.  

Ausgehend von

a)         dem Einfamilienbetrieb - der Rechtsform des Einzelunternehmers

            (§§ 1, 2, 3   HGB; §§ 98, 164, 611, 631, 1408, 1515 BGB) über

b)        den Mehrfamilienbetrieb - in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen

            Rechts (GbR)  (§ 705 ff BGB) 

c)         der OHG, KG (§§ 105 - 171 ff, § 264 HGB)  

d)        der GmbH - nach GmbH-Gesetz

e)        der eingetragenen Genossenschaft; e.G. nach Genossenschaftsgesetz  

f)         der Aktiengesellschaft nach Aktiengesetz.

sind die Rechtsformen im Gesetz rechtlich geregelt. 

In jedem Betrieb, ganz gleich welcher dieser Rechtsform, können mehrere Personen beschäftigt sein, auch der gleichen Familie oder verschiedener Familien (Mehrfamilien).  

1.         Der Einzelunternehmer ist eine Person, in der Regel eben der Bauer (die Bäuerin), der Unternehmer.  Mitarbeitende Familienangehörige können als Arbeitnehmer mit Arbeitsvertrag mitarbeiten oder wie auch noch immer oft anzutreffen, als „mithelfende“ Arbeitskraft tätig sein - ohne, rechtliche Entscheidungsbefugnis, ohne Kapitalbeteiligung, ohne Gewinnanspruch, denn sonst  wäre dies eine GbR - auch ohne Vertrag, eben nur nach BGB.

Der Unternehmer - Bauer - hat im Einzelunternehmen die alleinige Entscheidungsbefugnis, das Vermögen - Bilanzaktiva - ist ihm allein als Betriebsvermögen zuzurechnen, allerdings auch die Passiva mit allen Schulen/Darlehen. Er haftet allein auch mit seinem Privatvermögen, das nicht in der Bilanz steht.  

2.         Bei der GbR gilt als Personengesellschaft dies entsprechend für alle Mitglieder/Gesellschafter der GbR nach BGB. Haftungseinschränkungen im GbR Vertrag sind begrenzt unter gewissen Voraussetzungen für einzelne GbR  Gesellschafter möglich.

Mit der GbR haben wir einen „echten“ Mehrfamilienbetrieb, wenn die Gesellschafter aus verschiedenen  Familien kommen. Die Vater - Sohn oder Tochter - oder Bauer - Bäuerin GbR  wäre danach noch kein Mehrfamilienbetrieb, da die GbR Gesellschafter einer Familie angehören.

Beim landwirtschaftlichen Einzelunternehmer und der GbR handelt es sich um selbständige Rechtspersonen, die im Beitrittsgebiet i. a. R. als Existenzgründer/Wiedereinrichter nach 1989/90 ihren Betrieb und damit die Bilanzwerte selbst erworben/angeschafft und finanziert haben, und unverändert nach Gesetz (BGB/HGB) für alle betrieblichen Vorgänge persönlich haften, das betriebliche Risiko tragen, aber auch die betrieblichen (Gewinn) Chancen  auf ihrer persönlichen Seite haben.

Alterskassen - Krankenkassenbeiträge - sind Lebenshaltungskosten und vom eigenen Einkommen (Gewinn) zu zahlen. Gewinnanteile und Entnahmerecht der einzelnen Gesellschafter sind im GbR-Vertrag zu regeln.

Mit der Selbstvermarktung, Hoflanden kann es vor allem unter  a) und b) kompliziert werden, die Rechtsform sicher zu definieren und vom möglichen Gewerbe abzugrenzen. 

3.         Anders sieht es dagegen bei den LPG-Nachfolgebetrieben - e.G., GmbH, KG, AG - aus. Das Vermögen der Bilanz resultiert aus der LPG, soweit nicht nach Umwandlung investiert. Bei rechtswirksamer  Umwandlung musste die Identität gewahrt bleiben. Es besteht folglich die LPG in neuer Rechtsform fort. Geändert hat sich das Rechtskleid, wie auch der Bundesgerichtshof bestätigt hat. Identität bedeutet auch, dass die Beteiligung der LPG-Mitglieder, der Bauern, am Eigenkapital der LPG in neuer Rechtsform, im seitherigen Umfang gemäß § 44 LwAnpG unverändert fortbesteht. Die Arbeitnehmer der LPG sind seit Rechtsformwechsel Arbeitnehmer der e.G. /GmbH/KG/AG. Sie tragen kein persönlich haftendes Risiko, der Arbeitgeber trägt einen Anteil der Krankenkassen und Rentenversicherungsbeiträge, den Arbeitgeberanteil. Sie, die Arbeitnehmer dieser Kapitalgesellschaften - auch die der e.G. - haben mindest ihren Tariflohnanspruch, Kündungsschutz, sind oft Gewerkschaftsmitglieder. Auch Geschäftsführung und Vorstand sind Arbeitnehmer.

Mit ihren Anspruch nach § 44 LwAnpG können die einstigen LPG-Mitglieder daneben am Kapital, der Kapitalgesellschaft, der LPG in neuer Rechtsform auch heute noch beteiligt sein. 

4.         Eine Mischform zwischen Mehrfamilienbetrieb und Kapitalgesellschaft ist die Kommanditgesellschaft (KG). Bei dieser Personengesellschaft haftet der Komplementär, oft eine GmbH, uneingeschränkt voll mit seinem gesamten Vermögen, die Kommanditisten beschränkt mit ihren KG-Anteil. Hier lassen sich durch Ausgestaltung im KG Vertrag vorgenannte Vorteile und Risiken variien und kombinieren. Die OHG ist ebenso eine Personengesellschaft, bei der aber alle Gesellschafter uneingeschränkt haften (wie bei der GbR). 

5.         OHG, KG als Personengesellschaften und e.G., GmbH und AG als Kapitalgesellschaften sind als selbständige eigene Rechtspersönlichkeiten im Handelsregister/Genossenschaftsregister eingetragen. 

6.   Rechtlich ist nur die GbR ein Mehrfamilienbetrieb und auch nur dann, wenn Personen verschiedener Familien Gesellschafter sind.  Ansonsten können Arbeitnehmer aus verschiedenen Familien in jedem Betrieb in jeder Rechtsform beschäftigt sein, ohne dass rechtlich ein Mehrfamilienbetrieb vorliegt. Die rechtlichen Konsequenzen, die Rechte und Pflichten, Risiken und Chancen sind derart unterschiedlich, dass eine klare rechtliche Zuordnung immer notwendig ist, da andernfalls, wie z. Zt. oft  festzustellen, die Verwirrung an vergangene Zeiten, an DDR-LPG-Unrecht erinnern könnten. 

 

Die Subventionswünsche 

Die vom DBV und den Landesbauernverbänden im Beitrittsgebiet zu hörende Definition der Mehrfamilienbetriebe ist irreführend, ein Täuschungsmanöver,  orientiert sich nicht an Gesetz und Gesellschaftsrecht und sollen offensichtlich dem Ziel einer Fortführung der seitherige EU Subventionen - Direktzahlungen - im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik, der GAP-Reform ab 2014 im seitherigen Umfang dienen.  Die GAP in der seitherigen Form wurde 2003 eingeführt, hat seinerzeit die produktbezogenen Subventionen der Marktpreisstützung abgelöst. Mit dieser Entkoppelung sollte europaweit eine Vereinfachung einhergehen, bei gleichzeitiger weitgehender Gleichbehandlung aller Landbewirtschafter in der EU.

Schließlich wurde in den Folgejahren eine Modulation eingeführt mit dem Ziel, Natur, Landschaft und Naturschutz - Umweltschutz - zu stärken. Aus diesem Grunde wurden die Direktzahlungen nach GAP schrittweise um 3% /4% /5% gekürzt.

Das die rein hektarbezogenen Direktzahlungen mit einem durchschnittlichen Grundbetrag von 340 €/ha zu keiner gerechten Einkommensstützung der europäischen Bauern führen kann, darüber hat man sich schon in 2002/2003 in Brüssel und in den Länderagrarministerien und dem DBV gestritten, denn je nach Betriebsgröße, Betriebs- und Produktionsstruktur, so wie Boden- und Landschaftsverhältnisse variiert der Arbeitskräftebesatz je 100 ha natur- und betriebsbedingt ganz erheblich. Und da das Ziel der Direktzahlungen darin besteht, die Einkommenslage der in der Landwirtschaft beschäftigten zu sichern, wäre beim Ziel einer gerechten Verteilung der Subventionen (Steuergelder) wohl der tatsächlich nötige AK-Besatz je Betrieb je 100 ha zu berücksichtigen, da so auch indirekt der Viehbestand (Kuhbestand) je Betrieb je 100 ha seinen Niederschlag finden würde.  Ein Betrieb ohne Viehhaltung hat eben weniger AK je 100 ha als ein Betrieb mit z. B. 50 oder 100 oder 150 GV je 100 ha.

Eine Berücksichtigung der AK über die Personalkosten ist keine vertretbare Lösung, da über die Lohnhöhe die AK, auch des Vorstandes/Geschäftsführung, und evtl. effektiv gar nicht benötigte AK (Verwandtschaft, Familienarbeitskräfte) die Personalkosten leicht manipulierbar sind.  

Auch der mögliche Rationalisierungs -  Kostendegressionseffekt - von Großbetrieben ist nur über die Zahl der tatsächlich betriebswirtschaftlich nötigen AK zu berücksichtigen.  

 

Ergebnis:

Im Ergebnis ist mit dem landläufig üblichen Begriff „Mehrfamilienbetrieb“ kein brauchbares Argument verbunden, dass zu einer gerechten, dem Ziel der EU entsprechenden Subventionierung der europaweit in der Landwirtschaft tätigen AK führen kann.

Die Fläche/ha als einzige Bemessungsgrundlage für die Direktzahlungen benachteiligt alle Betriebe, die aufgrund von Viehhaltung, ungünstiger Bodenqualität, Landschaftsgestaltung, Niederschlagsverhältnisse je 100 ha mehr AK benötigen als viehlose/vieharme wirtschaftende Betriebe in günstigen Lagen. Das Ziel der Pflege und Erhaltung eines lebenswerten ländlichen Raumes, des dörflichen Lebens macht es erforderlich, kleinere Betriebe von z. B. 5 ha bis 200 ha LN je AK so zu fördern, dass ihre Existenz, ihre Lebensverhältnisse, ihre Heimat durch gerechte Einkommensverhältnisse gesichert wird. Ziel der Direktzahlungen, der GAP war und sind unverändert die Einkommensverhältnisse - Lebensverhältnisse dieser Menschen  zu verbessern/abzusichern. Ein Vergleich mit Hartz IV Empfängern und der dortigen Bedarfsgemeinschaft, die dort bei der Vergabe dieser Steuergelder gilt, wäre ohnehin angezeigt. 

Betriebe, ganz gleich ob groß oder klein, mit wenig AK je 100 ha oder relativ guten Einkommen muss daher eine Kürzung der Direktzahlungen zugemutet werden. Dies kann z. B. auch einen 50 ha, reinen Ackerbau - Nebenerwerbsbetrieb - mit 0,5 AK betreffen.  Oder soll ein reiner Ackerbaubetrieb mit 100 ha/ 300 ha und einer AK je 100 ha  30.000 €/ 90.000 € Direktzahlungen erhalten, während der Milchviehbetrieb gleicher Hektargröße aber eine GV je ha und 3 AK je 100 ha, je AK nur 1/3 € der Direktzahlungen erhält?!  Einen Rechtsschutz für die Fortführung dieser seit Jahren bekannten Ungleichbehandlung gibt es nicht und verstößt ohnehin gegen die Haushaltsordnungen. 

Bei 1.000 ha oder 3.000 ha sehen die Relationen entsprechend gravierender aus.

Das ist die Frage auf die der EU Agrarkommissar, Herr Ciolos, mit den GAP ab 2014 eine glaubwürdige Antwort finden muss.

Schließlich müssen sich die Verteidiger/Vertreter dieses  seitherigen Unrechts, die dessen Fortsetzung nach 2013 fordern, ihrer charakterlichen Verantwortung bewusst werden und bedenken, das selbst der Verdacht  einer Korruptionsvariante im Raum stehen könnte. 

www.kuchs.de    - Landpost Heft 44/2011 

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