3.1 Amtsermittlungsgrundsatz/freiwillige Gerichtsbarkeit/Aufklärungs- und Hinweispflicht - Fürsorgepflicht des Staates gegenüber den sozial Schwächeren
3. Urteile/Beschlüsse
3.3 Sofortige Beschwerde/Amtsermittlung
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3.2 Kein Rechtsmittel gegen prozeßleitende Verfügungen/Aussetzung des Verfahrens möglich

Mit Beschluß vom 22.10.1998 hat das Thüringer Oberlandesgericht Lw U 1443/98 entschieden, daß die Aussetzung eines Verfahrens beim Landwirtschaftsgericht möglich ist, wenn in Parallelverfahren ein Gutachten zur Ermittlung des Eigenkapitals eingeholt wird.

Ferner hat das OLG in Jena dabei klargestellt, daß gegen solche prozeßleitende Verfügungen, wie die Anordnung einer Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten kein Rechtsmittel möglich ist. Im Rahmen der Amtsermittlungspflicht beim Landwirtschaftsgericht hat dieses daher die Möglichkeit, durch entsprechende prozeßleitende Beschlüsse das LPG-Nachfolgeunternehmen auch durch Beschluß zu verpflichten, abfindungsrelevante Unterlagen vorzulegen, ohne daß das LPG-Nachfolgeunternehmen hiergegen erfolgreich Beschwerde einlegen könnte.

In dem hier vorliegenden Fall war Beschwerde eingelegt worden, da die Aussetzung nicht erforderlich erschien, da das maßgebende Eigenkapital gemäß Bilanz ausgereicht hat, um die Ansprüche nach § 44 (1) LwAnpG zu 100% zu erfüllen. Jedoch hat, wie üblich, das LPG-Nachfolgeunternehmen behauptet, das maßgebende Eigenkapital nach § 44 (6) LwAnpG sei nicht so hoch wie in der Bilanz ausgewiesen und daher seien die Ansprüche zu kürzen.

Dies schließlich nachdem das Verfahren bereits zwei Jahre beim Landwirtschaftsgericht anhängig war und durch Einsichtnahme in die Bilanzunterlagen festgestellt wurde, daß das Eigenkapital tatsächlich wohl höher ist, als in der Bilanz ausgewiesen - Wertansatzänderungen nach § 36 DM-Bilanzgesetz, stille Reserven in Vieh, Feldinventar, Vorräten sowie unberechtigte Rückstellungen.

Die Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschluß hat das OLG dennoch abgewiesen, obgleich nach Barnstedt/Steffen, LwVG-Kommentar § 9, Rdnr. 95, eine Aussetzung nicht zulässig ist, wenn dies der Verweigerung der Rechtspflege gleichkommt, was sich auch hier bestätigt hat, denn das Verfahren, Antrag beim Landwirtschaftsgericht 1996, ist selbst bis Anfang des Jahres 2000 noch immer nicht abgeschlossen. Die ,,Beweisaufnahme" durch Gutachten hat hier etwa ein Jahr Zeit in Anspruch genommen (in anderen Fällen dauert eine solche Beweisaufnahme bereits nahezu 2 Jahre).

Da auch hier wieder einmal ein unbrauchbares Gutachten erstellt und vorgelegt wurde – Gesamttaxe und Zerlegungstaxe, allerdings mit ,,wilden Schätzungen" ohne Berechnungsnachweis und praktischen Grundlagen, muß in solchen Fällen wohl schon die Vermutung der Verweigerung der Rechtspflege aufkommen.

Nachfolgend der Beschluß:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Sie haben der Antragsgegnerin deren notwendige außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Der Beschwerdewert wird auf 2.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschluß des Landwirtschaftsgerichts ist nach §§ 9 LwVG, 19 FGG als einfache Beschwerde zulässig (vgl. Barnstedt/Steffen, LwVG, 5. Auflage, § 22 Rdnr. 11 m. w. N.). Es handelt sich nicht um eine sofortige Beschwerde gern. § 22 LwVG, weil die Aussetzung des Verfahrens keine Hauptsacheentscheidung im Sinne dieser Vorschrift ist.

In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg, weil die vom Landwirtschaftsgericht vorgenommene Verfahrensaussetzung nicht zu beanstanden ist.

In den Landwirtschaftsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO eine Verfahrensaussetzung aus Zweckmäßigkeitsgründen allgemein als zulässig angesehen (vgl. Bamsted/Steffen, a. a. O., § 9 Rdnr. 95 m. w. N.). Das Landwirtschaftsgericht hat nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden. Das vorliegende Verfahren ist eines von mehreren Parallelverfahren, die sämtlich Ansprüche nach § 44 LwAnpG unterschiedlicher Antragsteller gegen die Antragsgegnerin betreffen. In einem dieser Verfahren (XV Lw 17/96) hat das Landwirtschaftsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des nach § 44 LwAnpG maßgebenden Eigenkapitals der Antragsgegnerin angeordnet, die sich darauf berufen hat, ihr Eigenkapital reiche zur ungekürzten Erfüllung aller erhobenen Ansprüche nach § 44 LwAnpG nicht aus. Das im Verfahren XV Lw 17/96 zu ermittelnde Eigenkapital der Antragsgegnerin hat jedoch, wie das Landwirtschaftsgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausführt, nicht nur für dieses, sondern für alle weiteren anhängigen Verfahren, mit denen Abfindungsansprüche gegen die Antragsgegnerin geltend gemacht werden, Bedeutung. Im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes kann das Landwirtschaftsgericht das im Verfahren XV Lw 17/96 eingeholte Gutachten auch ohne weiteres in den anderen Verfahren – nach Gewährung rechtlichen Gehörs für die jeweiligen Antragsteller – verwerten. Unter diesen Umständen erscheint die Aussetzung der weiteren Verfahren durchaus sachgerecht, weil das Landwirtschaftsgericht ansonsten in jedem einzelnen Verfahren die Einholung des entsprechenden Sachverständigengutachtens hätte anordnen müssen.

Soweit die Beschwerde meint, die Einholung des Gutachtens in dem Verfahren XV Lw 17/96 sei nicht notwendig, weil sich das Mindesteigenkapital bereits aus der Bilanz ergebe und zur ungekürzten Erfüllung aller Ansprüche nach § 44 LwAnpG ausreiche, kann sie damit im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht gehört werden. Die Anordnung einer Beweisaufnahme ist als prozeßleitende Verfügung nach allgemeiner Auffassung auch im Verfahren nach dem Landwirtschaftsverfahrensgesetz nicht im Rechtsmittelwege überprüfbar (vgl. Bamsted/Steffen, a. a. O., § 22 Rdnr. 30 m. w. N.). Es würde eine Umgehung dieses Grundsatzes darstellen, wenn der Senat im Beschwerdeverfahren wegen der Verfahrensaussetzung inzident gleichwohl eine Überprüfung der Beweisanordnung auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit hin vornehmen würde.

 

Der Senat folgt der Auffassung der Beschwerde, eine Aussetzung des Verfahrens sei unzulässig, wenn der Antragsteller ihr widerspricht und sie zur Verweigerung der Rechtspflege führen würde (vgl. Bamstedt/Steffen, a. a. O., § 9 Rdnr. 96 m. w. N.). Ein solcher Fall liegt indessen nicht vor. Die Aussetzung des Verfahrens führt hier nicht zur Verweigerung der Rechtspflege, sondern lediglich zur Verzögerung des Verfahrens bis zur Fertigstellung des Gutachtens. Eine solche Verzögerung ist den Antragstellern zuzumuten, zumal sie ebenso eintreten würde, wenn das Landwirtschaftsgericht auch im vorliegenden Verfahren eine entsprechende Beweisanordnung erlassen hätte.

3.1 Amtsermittlungsgrundsatz/freiwillige Gerichtsbarkeit/Aufklärungs- und Hinweispflicht - Fürsorgepflicht des Staates gegenüber den sozial Schwächeren
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