22.1 Ohne Grundkonsens geht es im ländlichen Raum nicht (II), Teil I in Kapitel 7.3)
22.  Recht und Unrecht
22.3 Eigentum verpflichtet
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22.2 15 Jahre nach der Wiedervereinigung kämpfen Bauern beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte um ihr LPG-Vermögen

Nun ist das Landwirtschaftsanpassungsgesetz wegen Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten vor dem Europäischen Gerichtshof.

Die Verletzung der Grundrechte und der Menschenrechte nach den Konventionen zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verhindert dörflichen Frieden und belastet den ganzen ländlichen Raum.

 

Dabei sind die Rechtsgrundlagen klar.

 

Als Grundrechte gelten vorrangig die Rechtsnormen der Artikel 1-19 Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutsch­ land. Danach sind u. a. Menschenwürde, Artikel 1, persönliche Freiheit, Artikel 2, Gleichbehandlungsgrundsatz - Diskriminie­ rungsverbot, Artikel 3, und Schutz des Eigentums einschl. des Erbes, Artikel 14 die wesentlichen Säulen unserer freiheitlich, demokratischen Rechtsordnung.

 

Auch die neuen Bundesländer haben diese Grundrechte in ihre Länder- Verfassung übernommen. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Handelsgesetzbuch (HGB), dem GmbHG, dem Genossen­schaftsgesetz (GenG), dem Aktiengesetz (AktG), der Zivilpro­ zessordnung (ZPO), dem Strafgesetzbuch (StGB) sowie zahlrei­ chen Einzelgesetzen und Verwaltungsvorschriften finden diese Grundrechte ihren Niederschlag. So z. B. im Erbrecht §§ 1922 - 2385 BGB, dem Sachenrecht §§ 94 - 97 BGB, § 738 BGB und dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG). Dort u.a. in §§ 1, 2, 3, 3 a, 12, 21, 28(2), 36, 44, 45, 46, 53, 54, 56, 64, 65. Die Vielzahl dieser hier im LwAnpG von den Grundrechten tangier­ ten gesetzlichen Vorschriften dokumentiert, in welchem Um­fang und wie tiefgreifend die Grundrechtsverletzungen in der DDR, hier dem LPG-Recht, waren, so dass allein dieser Teilbereich der Landwirtschaft beim Wechsel zum Rechtsstaat einer enormen An­ passung bedurfte und noch immer bedarf.

 

Bei Meinungsdifferenzen steht der Rechtsweg offen. Artikel 19 GG garantiert den Rechtsweg. Letzte Instanz sind die Ver­ fassungsgerichtshöfe der Bundesländer bzw. das Bundesverfas­ sungsgericht, sofern der ordentliche Rechtsweg ggf. bis zum Bundesgerichtshof ausgeschöpft wurde und mögliche Grund­ rechtsverletzungen strittig sind. Oder aber verfassungsrecht­ liche Zweifelsfälle bei Gerichten von dort dem Verfassungs­ gericht zur Prüfung vorgelegt werden.

 

Auf internationaler Ebene sind die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) von 1950 sowie die dazu ergangenen Zusatzprotokolle von 1952 und 1963 tragende Elemente der Rechte aller Menschen all jener Länder, die diesen Konvention beigetreten sind. Die Bundesre­ publik Deutschland ist dieser Konvention der Menschenrechte 1952 beigetreten. Dabei ist Artikel 1 des Zusatzprotokolls vom März 1952, der Schutz des Eigentums, hier von besonderer Bedeutung.

 

Ebenso sind die Menschenrechte in der Charta der Grundrech­ te der Europäischen Union vom Europäischen Rat proklamiert. Mit dem Einigungsvertrag (EV) vom August 1990 sind die 5 neuen Bundesländer per 03.10.1990 dem Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland beigetreten. Folglich gilt ab diesem Zeitpunkt auch die Konvention der Menschenrechte für die Menschen im Beitrittsgebiet . Das LwAnpG vom Juni 1990 wurde mit dem EV in Bun­ desrecht überführt und hier mehrmals novelliert. Rechtsschutz ist gewährt durch den nach Artikel 19 der EMRK eingerichteten Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EuGH) in Straßburg, der die Einhaltung der Verpflichtungen, die die Länder mit dem Beitritt zu den EMRK eingegangen sind, über­prüft.

In Sachen Vermögensabfindung bei Umwandlung von Unter­nehmen bzw. Abfindung ausscheidender Gesellschafter hat sich das BVerfG bereits mit Urteil vom 07.08.1962, 1 BvL 16/60, unmissverständlich geäußert. Danach sind Anteile an einer Gesellschaft

(eG, KG, GmbH, AktG) und entsprechend Abfin­ dungsansprüche im Rahmen der Umwandlung oder des Aus­ scheides aus einer Gesellschaft nach Artikel 14 GG geschützte Eigentumsvermögensrechtsansprüche. In seinem Beschluss vom 08.12.1995, BLw 28/95, hat der BGH im Rahmen der Ver mögensauseinandersetzung nach LwAnpG ausdrücklich auf dieses Urteil des BVerfG verwiesen.

 

Auch im Urteil vom 19.01.2001, 1 BvR 1759/91, hat das BVerfG unmissverständlich klargestellt, dass die Pflichtmit gliedschaft einer Genossenschaft im Genossenschaftsprüfver­ band und die damit verbundene Bilanz- und Geschäftsprüfung dem Förderzweck gemäß § 1 Genossenschaftsgesetz dient und die Prüfung des ordnungsgemäßen wirtschaftlichen Umgangs mit dem Vermögen der Genossenschaft und ihrer Genossen von nicht unerheblicher Bedeutung für das Wirtschaftsleben ist und auch dem Schutz der Allgemeinheit und der Stabilität des ge­ samten Wirtschaftssystems dient.

 

Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist gefestigt.

 

Der BGH hat seit 1992 in zahlreichen Entscheidungen unmiss­verständlich klargestellt, dass die gesetzlichen Vorschriften des LwAnpG zur Einführung rechtsstaatlicher Verhältnisse strikt einzuhalten sind. BGH, BLw 58/92 RdL 1993, 328, BLw 59/92 RdL 1993, 133, BLw 46/92 RdL 1993,182, alle vom 21.04.1993. Ferner IX ZR 159/92 vom 22.10.1992, ebenso BLw 26/92 vom 04.12.1992 RdL 1993, 77 und BLw 63/92 vom 19.06. 1993. Mehr als 100 höchstrichterliche Entscheidungen lagen zum LwAnpG bis zum Jahre 2000 vor. Dabei ging es von Anfang an vor allem auch um das maßgebende Eigenkapital der LPG in 1990/91, das als eigentumsrechtlich geschützte Abfindungs­ grundlage nach § 44 LwAnpG zugrunde zulegen war.

 

Im Beschluss vom 01. 07. 1994, BLw 95/93 hat der BGH be­stätigt, dass von der Rechtsgrundlage abweichende LPG-Mit­ gliederbeschlüsse aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes nichtig sind. Im Beschluss vom 08.12.1995, BLw 28/95 hat der BGH klar zum Ausdruck gebracht, dass die Barabfindung nach § 36 LwAnpG den Zweck verfolgt, die enteignende Wirkung der staatlich verordneten Zwangskollektivierung nicht zu perpetuieren.

 

Ferner begründet der BGH dort seine Entscheidungen mit der Notwendigkeit, dass nach § 44 Abs. 6 LwAnpG der tatsäch­ liche Wert nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchfüh­rung unter Erfassung sämtlicher tatsächlicher Werte zu ermit­teln ist und dies sich schon daraus ergibt, »dass die aus Anlass der Umwandlung ausscheidenden Mitglieder nicht schlechter gestellt werden dürfen« als die in der LPG/e. G. bleibenden Mitglieder. Die ausgeschiedenen »dürfen nicht benachteiligt werden«.

 

Daher ist bei der Ermittlung des wahren Wertes von der »le­ benden wirtschaftlichen Einheit unter Auflösung der stillen Reserven« auszugehen. Der quotale Anteil eines jeden LPG-Mitglieds, am so ermittelten Eigenkapital, darf sich durch die Umstrukturierung - Teilung, Zusammenschluss und/oder Umwandlung - nicht ändern. Dies gilt unabhängig davon, ob und wann die Mitglied­schaft in der LPG beendet wurde. Auch in einer neuen - umge­wandelten - Genossenschaft muss das Geschäftsguthaben eines jeden Genossen proportional seiner Beteiligung an der früheren LPG nach § 44 Abs. 1 LwAnpG entsprechen. Sehr deutlich hat auch das Landwirt­ schaftsgericht Bautzen am 09.02.1994, 2Lw 309/93 - vom BGH am 30.06.1994, BLw 42/94, bestätigt - klargestellt -, dass eine vollständige Zuordnung des Eigenkapitals nach § 44 Abs. 1, Ziffer 1, 2 und 3 LwAnpG auch bezüglich ausscheidender LPG- Mitglieder erforderlich ist. Würden diese mit einem geringeren Anteil abgefunden, so »hätte dies zur Folge, dass die verblei­ benden Mitglieder im Extremfall zu Millionären würden«. Eine solche Ungleichbehandlung verstößt gegen das GG, gegen das BGB und gegen die EMRK.

 

Diese Rechtsprechung hat sich bis in jüngste Zeit fortgesetzt - BGH, BLw 18/97 vom 08. 05.1998, BLw 16/98 vom 23.10. 1998, OLG Dresden WLw 1226/00 vom 19.01.2004 RdL 2004, 280.

Die neuen LPG-Unternehmen, oft nur noch mit wenigen ehemaligen LPG-Mitgliedern, sind bereichert, der Eigentums- Abfindungsanspruch der ausgeschiedener LPG-Mitglieder wurde dabei veruntreut §§ 242, 812 BGB, § 266 StGB.

 

Aufgrund dieser und einer Vielzahl weiterer solcher Ent­ scheidungen sollte man annehmen können, dass die Vermögensauseinandersetzung, die Umset­ zung der gesetzlichen Vorschriften des LwAnpG im Rahmen der Grundrechte vollzogen wurde. Die Realität sieht indessen anders aus. Nach dem Abschlussbericht des Forschungsprojekts der Universität Jena von 2003 (DFG) wurden nur etwa 27% der Vermögensansprüche als Anteile der LPG-Mitglieder am Ei­ genkapital der LPG in 1990 und den Folgejahren nach § 44 LwAnpG diesen zugeordnet. Zahlreiche Ergebnisse - Beschlüs­se und Vergleiche - im Rahmen von Verfahren bei den Land­ wirtschaftsgerichten bestätigen dies. In mehr als 90% der Fälle gab es zum Teil erhebliche Nachzahlungen. Danach bleibt festzustellen, dass in der Realität, in nahezu allen Fällen der rund 600.000 einstigen LPG-Bauern-Landeinbringer und ihren Erben, die Grundrechte ab 1990 mit staatlicher Duldung, ja Unterstützung grob verletzt wurden.

 

Der Vermögensschutz nach § 28 Abs. 2 und § 36 Abs. 1 LwAnpG wurde missachtet (DFG Seite 276). Der Gleichbehandlungs grundsatz, der sowohl nach LPG-Gesetz, GenG, HGB und GG zu beachten ist, wurde verletzt (DFG Seite 172). Die in aller Regel dem LPG-Vorstand und deren Rechtsberatern weit unter­ legenen LPG-Mitglieder konnten die ihnen unterbreiteten viel zu niedrigen, treuwidrigen, Abfindungsangebote nicht prüfen und wurden zu Unterschriften »verführt«, so dass es flächendeckend zu sitten­widrigen Abfindungsvereinbarungen kam. Die infolge 40 Jahre DDR-LPG-Unrechtsunterdrückung festzustellende Unerfahren­ heit, Entscheidungsschwäche und Willensschwäche der LPG-Bauern wurde von vielen LPG-Vorständen und ihren Nachfolgern treuwidrig miss braucht.

 

Die Ermittlung des maßgebenden Eigenkapitals nach § 44 Abs. 6 LwAnpG dokumentiert oft selbst bei gerichtlichen Verfahren mit Sachverständigengutachten, die nach Handelsrecht, Aktienrecht, GenG und DM-Bilanzgesetz strafrechtliche Rele­ vanz. Dessen ungeachtet wurden auch solche von gerichtlich bestellten Sachverständigen (Gehilfen des Gerichts) errechne­ ten Werte von den Gerichten - den Tatrichtern - anerkannt und auf dessen Grundlage sehr zum Nachteil von LPG-Mitglied und grundrechtswidrig entschieden.

 

Wie die DFG-Forschungsstudie zu dem feststellt, waren rund 11% der Umwandlungen i. S. §§ 23 ff. LwAnpG unwirksam mit der Folge, dass in diesen Fällen alle Bilanzen der neuen Unter­nehmen ab 1992 infolge fehlenden Vermögensübergangs nich­ tig sind. Das Vermögen ist bei diesen Fällen fehlgeschlagener Gesamtrechtsnachfolge bei der LPG in unerkannter Liquidation geblieben.

Bei den der Umwandlung oft vorangegangenen Teilungen und Zusammenschlüssen der LPGs ist die Durchfallquote erfahrungsgemäß noch wesentlich höher.

Zumal bei Teilung und Zusammenschlüssen die Heilungsmöglichkeit durch Registereintrag nach § 34 LwAnpG nicht besteht (OLG Dresden 04.07.1997, 3 W 1286/96, § 134 BGB).

 

Obgleich diese Problematik seit 1992 allseits bekannt ist, wie die Landtagsbeschlüsse der Freistaaten Sachsen und Thürin­gen von 1992, sowie zahlreiche Überprüfungen nach § 70 Abs. 3 LwAnpG auch in den anderen Bundesländern bestätigen, wurden die LPG-Unternehmen entgegen der Förderbedingungen der Euro­ päischen Union von den Bundesländern jährlich mit Millionen­ beträgen aus öffentlichen Kassen gefördert (RdL 4 und 5/2004).

 

Zudem ist regelmäßig festzustellen, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aber noch nicht anhängig, dass die LPG-Bauern/Bodeneigentümer auch bei der Bodenneuordnung nach §§ 53 ff LwAnpG einen nicht geringen Anteil ihres Vermögens/Eigentum i. S. Art. 14 GG, verlieren, wenn die Bodenordnungsämter bei der Zusammenführung von LPG-Gebäuden mit dem Boden der Bauern die sogenannte Halbteilungsregelung nach § 68 Sachenrechtsbereinigungsgesetz praktizieren, obgleich diese im LwAnpG keine Rechtsgrundlage hat (RdL 4/2005). Der oft auch unberechtigte, da den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechende Abzug von theoretischen Erschließungskosten i.S. § 19 Sachenrechtsbereinigungsgesetz verschärfen die Unrechtsfolgen zusätzlich. Dabei gelten im Bodenordnungsverfahren die Grundsätze des Flurbereinigungsgesetzes, das eine solche grundrechtsverletzende Ungleichbehandlung und Eigentumsrechtsverletzung nicht duldet.

Eine verfassungsrechtliche Entscheidung hierzu steht noch aus. Jedoch hat der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei zum Sachenrecht – Entgelt – ergangenen Entscheidungen (V ZR 207/04 und V ZR 208/04, beide vom 17.06.2005 entschieden, dass ohne entsprechenden Verweis im Gesetz eine solche (analoge) Anwendung (hier der Halbteilung des Bodenwertes) ausgeschlossen ist. Und da SachenRBerG und LwAnpG unterschiedliche Ziele verfolgen, ist nicht zu erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht einer solchen Eigentumsrechtsverletzung (Halbteilungsregelung) im LwAnpG zustimmen würde.

Die oft festzustellende, eigentumsfeindliche Rechtsprechung des BVerwG kann keinen Bestand haben. Schließlich ist Justizia an Gesetz und Recht gebunden – Artikel 20 (3) und 97 (1) GG. RdL 4/2005.

Dies gilt umso mehr, als im Bodenordnungsverfahren die Frage des Gebäudeeigentums – Rechtsnachfolge oder LPG in unerkannter Liquidation – nicht geprüft werden soll und so auch der Boden in das Eigentum eines nichtberechtigten Unternehmens übergehen kann, wenn das Grundbuchamt den „Erbnachweis“ nicht prüft.

OLG Dresden, 3 W 1286/96 vom 07.04.1997, LG Dresden, 2-T-1015/99 vom 22.11.1999. Hierfür reicht der oft fehlerhafte Registereintrag nicht aus (BGH, BLw 18/97 vom 05.08.1998).

 

Die Konsequenzen haben lange auf sich warten lassen.

 

Nun ist der EuGH für Menschenrechte gefordert. Inzwischen sind bei der 3. Kammer beim EuGH für Menschenrechte in Straßburg 9 Verfahren von 20 nach LwAnpG Vermögensanspruchsberechtigten anhängig. Die Beschwerden richten sich gegen die jeweils betroffenen Bundesländer als staatliche Exe­ kutive, die es zugelassen haben, in diesen hier betroffenen Fällen die Grundrechte, die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, der Zusatz­ protokolle und der Charta der Grundrechte zu verletzten. Kon­ kret beklagen die Beschwerdeführer beim EuGH:

a) Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes/Diskriminierungs verbot (Art. 1 und 3

GG, Art. 6 und 14 EMRK)

b) Verletzung des Schutzes des Eigentums (Art. 14 GG, Art. 1 Zusatzprotokoll

zur EMRK)

c) Verletzung der Menschenwürde - treuwidriges und sitten­ widriges Verhalten

gegenüber abhängigen, unterlegenen und willensgeschwächten Menschen

(Art. 1 und 3 GG, Art. 6 EMRK, Art. 17 Charta der Grundrechte der EU)

d) Verletzung rechtlichen Gehörs, Ermessensfehlentschei dung - trotz

Amtsermittlungsgrundsatz (Art. 19 GG, § 38 DRiG, Art. 6 EMRK)

e) Verletzung der Rechtsweggarantie (Art. 19 GG, Art. 6 und 13 EMRK)

 

Da weist das Gericht nach Vorlage eines Sachverständigengutachtens zum Eigenkapital von einem ehemaligen Mitarbeiter der Staatssicherheit der DDR Nachzahlungsansprüche ab, obgleich es bei vorangegangenen Gerichtsverfahren auf der Grundlage der ordentlichen Bilanz dem dortigen LPG-Bauern erhebliche Ansprüche zugesprochen hatte.

 

Da weist das Gericht nach Art. 14 GG geschützte Eigentumsnachzahlungsansprüche ab, obgleich in vorangegangenen Verfahren Nachzahlungen erfolgten, nachdem die LPG/e. G./treuwidrig nur den Pflichtinventarbeitrag zugeordnet und ausgezahlt hatte. Nun meint das Gericht, es würden Abfindungsvereinbarungen vorliegen, obgleich die LPG-Bauern von der LPG/e. G. sittenwidrig, nie über die ihnen zustehenden Ansprüche ehrlich informiert wurden.

 

Da berechnet die LPG/e. G. für einen LPG-Bauern einen Anspruch von rund. 60.000 DM, informiert diesen aber nie über diese ihm zustehende Quote am Eigenkapital, sondern zahlt rund 10.000 DM aus und beendet damit die LPG-Mitgliedschaft. Die ordnungsmäßige Berechnung von 60.000 DM hat dem Unternehmen offensichtlich nur dazu gedient, um beim Ministerium den „Persilschein“ für die Förderung zu bekommen.

 

Da lehnt es ein Gericht 2004 ab, die wissenschaftlichen Ergebnisse der Universität Jena zur Rechtsnachfolge beiziehen, obgleich dies als Beweismittel beantragt war und die Vorlage vom Ministerium auch zugesagt wurde. Vielmehr lehnt das Gericht die ohne Zweifel bestehenden Nachzahlungsansprüche ab, obgleich in vorangegangenen früheren 15 Verfahren die e. G. schon mehr als 500.000 DM hat zahlen müssen. Im Rahmen des Ermessens des Gerichts wies dieses vielmehr den Beweisantrag als unzulässigen Beweismittelantrag zurück.

 

Da bietet eine LPG/e. G. einem 80-jährigen ehemaligen LPG-Bauer 1992 12.000 DM zur Auszahlung an mit dem Hinweis, das ihm mehr nicht zusteht. Der Bauer freut sich, dass er die Auszahlung noch erlebt und unterschreibt. Dass der tatsächlich zustehende Eigenkapitalanteil um 25.000 DM höher liegt, konnte dieser Mann nicht ahnen. Dieses treuwidrige, sittenwidrige, grundrechtsverletzende Verhalten der LPG/e. G. interessiert das Gericht jedoch nicht und lehnt Jahre später eine Nachzahlung ab.

 

Da weist die ordentliche Abfindungsbilanz der LPG/e. G. ein Eigenkapital von rund 7 Mio. DM aus. Der vom Gericht bestellte Sachverständige ermittelt entgegen der gesetzlichen Vorschriften des DM-Bilanzgesetzes und der BGH-Rechtsprechung nur 1 Mio. DM. Das Gericht, der Tatrichter, erkennt das unrichtige Gutachten an, lehnt die Ansprüche ab, lässt die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof nicht zu und dieser meint, das ein falsches Gutachten keine Abweichungsgrund sei und lehnt daher auch die Beschwerde ab, da der Tatrichter ja frei und unabhängig ist und nach eigenem Ermessen entscheide.

 

Weitere Beispiele hierzu, dass sich ehemalige LPG-Bauern um ihr in die LPG eingebrachtes Vermögen und den nach LwAnpG zustehenden Abfindungsanspruch betrogen fühlen, gibt es viele tausend. Trotz einer klaren gesetzlichen Grundlage und Rechtsprechung hierzu liegt eben auch stark abweichende Rechtsprechung vor. Und wer nicht zum Gericht gegangen ist, dem wurde der größte Teil seines Vermögensanteils an seiner LPG rechtswidrig vorenthalten.

 

Die 9 anhängigen Beschwerdeverfahren beim EuGH für Men­schenrechte stehen nur als Beispiel für mehrere Hunderttausende. Dabei war und ist es seit 1990 Pflicht des Rechtsstaats – Legislative, Exekutive, Judikative – für Rechtsstaatlichkeit, auch und gerade im Beitrittsgebiet, Sorge zu tragen.

 

Der EuGH für Menschenrechte wird über diese vorliegenden Beschwerden nach entsprechender Prüfung zu entscheiden haben. Sicher ist, dass es hier um Grundrechtsver stöße nach Deutschen bzw. Europäischen Recht geht und der EuGH für Menschenrechte insoweit auch zuständig ist, und ferner die LPG-Bauern aufgrund der seit 1990/91 klaren rechtlichen Vorschriften, der Prüfung der Länderministerien nach § 70 Abs. 3 LwAnpG, sowie der vorliegenden Rechtsprechung des BGH auch mit einer korrekten Abfindung rechnen konnten. Schließlich musste die Fördermittelanträge der LPG-Unternehmen prüfende und genehmigende staatliche Stelle, das jeweils zuständige Amt, gewusst haben, dass das antragstellende Unternehmen beim Gericht Verfahren hat und nachzahlen musste.

 

Die Wettbewerbsverzerrungen, die infolge Förderung der LPG-Betriebe seit 1991 trotz Missachtung der Grundrechte, der EMRK und der von der EU genehmigten Fördervoraussetzungen durch diese Betriebe flächendeckend festzustellen ist, wird dabei nicht unbeachtlich bleiben können.

 

Verletzung der Vorschriften der Anpassungshilfeverordnung sowie der Investitionsförderung, Liquiditätshilfen, BVVG-Landpacht und begünstigten Bodenkauf, Altschuldenregelung und - Erlass, Einsatz von ABM-und SAM-Kräften, verschärfen die Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil der privaten Bauern seit 1991 bis heute.

Die damit verbundene Ungleichbehandlung/Diskriminierung ist mit den Grundrechten gemäß Grundgesetz und den EMRK/Zusatzprotokoll/Charta der Grundrechte nicht vereinbar.

 

Vor ordnungsgemäßer Vermögensauseinandersetzung durften Fördermittel nicht bewilligt werden. Dass die gleichen staatlichen Stellen sogenannte „Persilscheine“ ausgestellt haben und dort rechtswidrig und meist entgegen besserem Wissen die Ordnungsmäßigkeit der Vermögensauseinandersetzung (und Umwandlung) bestätigt wurde, trifft in der politischen Verantwortung die jeweilige Landesregierung als Exekutive unseres Staates, besonders den jeweiligen Landwirtschaftsminister.

22.1 Ohne Grundkonsens geht es im ländlichen Raum nicht (II), Teil I in Kapitel 7.3)
22.  Recht und Unrecht
22.3 Eigentum verpflichtet