20.22 Verrat an den Bauern
20. Wirtschaft/Gesellschaft
20.24 Flucht aus der Verantwortung
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20.23 Europa am Abgrund

Ein Rückblick:

Als Folge des 2. Weltkriegs wurde nach 1945 Deutschland und Berlin geteilt in 3 Westzonen der westlichen Siegermächte  und der sowjetisch besetzen Zone - Ostzone. Berlin in die 3 Westsektoren - Westberlin - und dem sowjetisch beherrschten Ostberlin. 

Die sowjetisch besetzte Zone (SBZ) mit Ostberlin wurde 1949 zur DDR, Westdeutschland mit Westberlin zur Bundesrepublik - jeweils ergänzt von den rechts-vertraglichen Regelungen der Siegermächte und der Bundesrepublik, sowie Ostberlin mit diesen.

Die innerdeutsche Grenze von Ostsee 1.200 km südlich bis zur tschechischen Grenze nähe Hof trennte Deutschland. Die Grenze von der Barentssee bis zum schwarzen Meer, Europa in den kommunistischen Ostblock mit der UdSSR an der Spitze von Westeuropa - dem freien westlichen Europa.  

In Westeuropa begann ab 1952 der wirtschaftliche Aufschwung. In der Bundesrepublik wurde vom Wirtschaftswunder gesprochen. Die Entwicklung der Agrartechnik, Pflanzenzüchtung, Tierzucht, Dünger, Pflanzenschutz und Futtermittel führte zu Ertragssteigerungen. Die Hungerjahre waren vorbei. Agrarüberschüsse wurden zum Problem. Schon im Mai 1950 hatten Italien, Frankreich, Deutschland und die 3 Beneluxländer die Montanunion gegründet, einen europäischen Wirtschaftsverbund für Kohle und Stahl.

Der wirtschaftliche Aufschwung schaffte außerlandwirtschaftliche Arbeitsplätze mit guten Verdienstmöglichkeiten. Die Abwanderung von der Landwirtschaft zur Industrie nahm seinen Lauf. Viele kleinere landwirtschaftliche Betriebe hatten keinen Nachfolger mehr. Der Agrarstrukturwandel zog seine Spuren. Weniger aber größere Betriebe waren die Folge.

Die 6 Montanunionsländer gründeten 1957 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), die sich zunächst vorrangig der Agrarpolitik, Agrarüberschüssen, Agrarmarktordnungen annahm. Zunehmend aber auch verstärkt Zollabbau, Strukturwandel und gesamtwirtschaftliche Aufgaben Bedeutung gewannen, die EWG sich zur EU weiterentwickelte, wobei ab 2002 die Montanunion dem EU Vertrag zugerechnet wurde.

Agrarpolitik und die Förderung der Landwirtschaft blieb immer eine zentrale Aufgabe der EWG/EU.  

Die Wende:

Für die meisten Menschen unerwartet brach 1989 der gesamte Kommunistische - atheistische (gottlose) Osten politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich zusammen. Das Vertrauen in den Staat, die Machthaber, aber auch unter den Menschen insgesamt war letztlich durch die Staatssicherheit (Stasi) zerstört.

Viele Menschen hatten in den Betrieben etwa 1980 erkannt, dass die Mangelwirtschaft an Betriebsmittel kein Dauerzustand sein kann, sondern zu einem, wie auch immer geartetem Ende führen wird.

Die Erträge dt/ha, die Milchleistung kg/Kuh lagen in der DDR 1989 etwa 50 - 70 % unter den in der Bundesrepublik.  

Nicht nur der Staat DDR, sondern auch sehr viele Betriebe - Volkseigene Betriebe, Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) - waren 1989/90 völlig überschuldet und wurden je mit Millionen Subventionen und Altschuldenerlass am Leben erhalten. So setzten die einst durch Enteignung und Zwangskollektivierung  aus den Bauernvermögen entstandenen LPG-Betriebe ihre Existenz fort.  Nach der Anpassungshilfeverordnung von 1991/92 war die Subventionierung nach den Förderrichtlinien nur zulässig, wenn die LPG/Agrargenossenschaft eine dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG) von 1990/91 entsprechende Vermögenszuordnung an die einst geschädigten entrechteten Bauern durchgeführt hatte. Dort heißt es:

„Antragsteller, die durch Umwandlung LPGs entstanden sind, haben ……    Unterlagen über die ordnungsgemäße Erfüllung von Abfindungsansprüchen nach § 44 LwAnpG vorzulegen. …..“  

Praktisch aber wurden nach allen, auch gerichtlichen, Erfahrungen die Vorschriften des LwAnpG in kaum einen Fall beachtet.  Subventionen wurden dennoch an die LPG Betriebe jährlich, oft in Millionenhöhe, rechtswidrig ausgezahlt. Staatlich sanktionierter Subventionsbetrug war das Ergebnis.

Die Landesregierungen, alle staatlichen Ebenen, duldeten dieses Unrecht.  

Wiedervereinigung und kein Ende:

Die Förderung der Landwirtschaft blieb bis heute eine zentrale Aufgabe der EU und ihrer Agrarpolitik. Seit 2002 sind hier die Direktzahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) aus der so genannten I. Säule, die die niedrigen Erzeugerpreise ausgleichen und ein ausreichendes Einkommen der in der Landwirtschaft arbeitenden Menschen gewährleisten soll, entscheidend.  Berechnet nach der bewirtschafteten Fläche fließen so rund 350 €/ha/Jahr. Der 80 ha Familienbetrieb mit 60 Kühen (GVE) erhält rund 28.000 €, bei 3 Arbeitskräften 9.000 €/AKE.

Der 40 ha Familienbetrieb mit 50 Kühen (GVE) hat 14.000 € Direktzahlungen, bei 3 AKE noch 4.600 €/AKE. Der Viehlose 1.000 ha LPG Betrieb/Agrargenossenschaft, Agrarkapitalgesellschaft bei 3 AK 120.000 €/AKE/Jahr. Der 3.000 ha LPG Betrieb/Agrargenossenschaft mit 500 Kühen und 40 AKE kommt auf 26.300 €/AKE/Jahr, folglich mehr als das 3-fache wie die AKE im Familienbetrieb und deckt damit seine Personalkosten. Unser viel zitierter Mittelstand kann sich da nur wundern.

Nachdem der Milchviehbestand stark abgebaut wurde, die Betriebe, die Fläche ohne Vieh mit weniger Arbeitskräften bewirtschaften, steigen die Direktzahlungen/AKE entsprechend.  

Gerechtigkeit sieht anders aus:

Mit der ab 2014 vorgesehenen Reform der GAP, der Direktzahlungen mit einem stärkerem Augenmerk auf Umweltschutz, bleibt zu hoffen, dass Gerechtigkeit  Einzug hält und neue Maßstäbe gefunden werden, die von den Bauern, Familienbetrieben, deren Direktzahlungen ab 2014 gekürzt werden sollen, aber auch vom Steuerzahler als Subventionszahler akzeptiert werden. Die bei den Großbetrieben - Agrarkapitalgesellschaften - vorgesehene Begrenzung der Direktzahlungen auf 300.000 € und degressiver Staffelung stößt nicht nur bei diesen auf heftigen Widerspruch, dabei wäre eine Obergrenze von 150.000 € (410 ha)  und Staffelung ab 50.000 € zu fordern.

Obgleich die vorgesehenen künftigen Vorschriften noch ganz wesentlich zu großzügig sind und das Unrecht nicht werden beseitigen können, wenn die Agrarkapitalgesellschaften nicht auch von Investitionshilfen für ihre Massentierhaltung und anderen Investitionen ausgeschaltet werden.

Investitionshilfe aus der II. Säule wären z. B. auf 200 Kühe/GVE und 1.000 Mastschweine zu begrenzen. Ganz wichtig wäre aber auch daneben eine zusätzliche Begrenzung auf 15.000 € je Arbeitskraft, anderenfalls werden sich die Großbetriebe/Agrarkapitalgesellschaften, Agrarkonzerne, Kapitaleigner weiter an den für die aktiven Landwirte gedachten Subventionen bereichern.

Der Deutsche Bauernverband (DBV), der Raiffeisenverband als Repräsentant der LPG Betriebe/Agrargenossenschaften/Agrarkapitalgesellschaften, so wie Agrarminister, wie z. B. Dr. Aeiken und anderen EU Agrarpolitikern in Starsburg protestieren gegen die Reformpläne aus Brüssel. So haben sich der Bayerische EU Agrarpolitiker A. Dess vor allem aber der sächsische Vertreter, Dr. Jahr, wie kürzlich in einer Pressemitteilung zu lesen, nachdrücklich für die Fortsetzung des seitherigen Unrechts engagiert. Die neben den LPG Betriebe/Agrarkapitalgesellschaften, die  dahinter stehenden Netzwerke der Agrarfabriken, die der Landwirtschaft vor- und nachgelagert Agrarhandelsmonopole, der von der Bundesregierung subventionierte Agrarexport von Agrarüberschüssen und die daran verdienenden Handelskonzerne und ihre Lobby fordern die Fortsetzung der seitherigen Direktzahlungen bis 2019.

Agrarüberschüsse dienen den Monopolhandelskonzernen zum Preisdruck bei den Bauern, wie der Milchpreis zeigt, aber auch bei anderen Produkten wie Geflügel, Eier und Schweinen dokumentiert wird.

In dem sich der DBV mit seiner Agrarmonopollobby EU Agrarpolitiker, wie A. Dess und Dr. Jahr, für die Fortsetzung des seitherigen Unrechts bei der Zuordnung der GAP - EU Direktzahlungen einsetzen, bringen diese unausgesprochen zum Ausdruck, dass sie die Bauern, die Familienbetriebe völlig hängen lassen. Eine ehrliche, vertrauensvolle Interessenvertretung der Familienbetriebe bleibt in weiter Ferne. Die kritische Pressemitteilung von Dr. Jahr zur Agrarreform ist ein Schlag ins Gesicht der Bauern.

Seine dort ebenfalls zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen in Sachen Agrarexporte, Greening, Ökobetriebe lenken von den anstehenden, auf mehr Gerechtigkeit auch gegenüber der Familienbetriebe abzielenden Entscheidung ebenfalls, ab ohne eine klare zukunftsweisende praktikable Lösung auch nur anzudeuten. Dabei gehen 80 % der über 50 Milliarden EUR jährlicher Agrarsubventionen an weniger als 10 %, nämlich den Großbetrieben, den Agrarkapitalgesellschaften - von Rentabilität keine Spur.

Weltweiter Waffenexport - Weltmeister und Nahrungsmittelexporte mit zerstörerischen Folgen bei den Bauern und ihren Familien in ärmeren afrikanischen Ländern hat Ethik, Charakter, Verantwortungsbewusstsein in seien politischen, wirtschaftlichen Entscheidungskriterien ausgeklammert.

Und alle Religionen schauen zu.

Die Zahl der Einwohner ist im Beitrittsgebiet, der Ex-DDR, um mehr als 3 Millionen (20 %) zurückgegangen, die der jungen Generation um 50 %. Junge aktive Unternehmer fehlen. Der Gebäudeleerstand nimmt trotz umfangreicher Abbruchprogramme mit Mrd. € weiter zu. Diese Tendenz ist nicht auf Ostdeutschland beschränkt, sondern betrifft ganz Osteuropa. Mit der Aufnahme der osteuropäischen Länder in die EU sind auch mentale Dämme gebrochen. Die Einführung des Euro ohne sichere bindende Regelungen hat dem Unrecht weiter Tür und Tor geöffnet. Eine neuzeitliche Völkerwanderung zieht tiefe Spuren in ganz Europa.

Der bundesdeutsche und europäische Schuldenberg wird nicht in den Griff zu bekommen sein, Inflation ist die logische Folge. Unsere Folgegenerationen werden kaum Verständnis für unseren Luxuskonsum, unsere Wegwerfgesellschaft haben.    Das grundlegende DDR Unrecht, das Eigentumsrecht, Enteignungen, Entrechtungen (Artikel 1 und 14 GG - LPG Gesetz) wurden nach 1990 nicht gesetzeskonform (LwAnpG, Einigungsvertrag) beseitigt, setzt sich bis heute im erheblichen Umfang mit übelsten Folgen fort.

Ganz Osteuropa schwimmt im gleichen Strom  und zieht den Rest  Europas wirtschaftlich, Ethik mental mit. 

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