Das Land bewegt sich und mit ihm der ländliche Raum. Dabei hinterlässt der Agrarstrukturwandel seine Spuren. Bis zu Beginn der 50er Jahre, etwa 8 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges, wurde das Land von den Bauern mit Pferdegespannen bewirtschaftet, gesunde Nahrung erzeugt, die Natur, die Landschaft, der ländliche Raum kostenlos erhalten und gepflegt. Der Bedarf an ausreichend Lebensmitteln ließ ohnehin keinen anderen Gedanken aufkommen.
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung, dem „Wirtschaftswunder“ was kein Wunder war, sondern das Ergebnis von harter Arbeit, Wissen und Können setzte der Agrarstrukturwandel ein. Pferde wurden bis 1960 nahezu vollständig durch Schlepper ersetzt. Die Agrartechnik hielt Einzug. Kleinere Betriebe wurden zu Nebenerwerbsbetrieben oder aufgegeben, hatten keine Nachfolger mehr.
Die durchschnittliche Betriebsgrößer der Haupterwerbsbetriebe hat sich in den letzten 50 Jahren im Westen der Bundesrepublik bald verzehnfacht. Die Zahl der Betriebe ist entsprechend zurückgegangen. Im Osten, der DDR, kam es ab 1952 zur Gründung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG), 1960 zur Zwangskollektivierung. Die Bauern wurden völlig entrechtet, das Nutzungsrecht der landwirtschaftlichen Flächen und der Wirtschaftsgebäude hatte die LPG. Die Jugend hat die Landwirtschaft verlassen, hat in Volkseigenen Betrieben gewerbliche Berufe erlernt. Bis August 1961, dem Bau der Berliner Mauer, verließen mehr als 3 Millionen, überwiegend junge Menschen, die SBZ/DDR.
1990 kam es zur Umwandlung der LPG in Agrargenossenschaften/GmbH als Gesamtrechtsnachfolgeunternehmen. Heute bewirtschaften diese Agrarkapitalgesellschaften noch rund 50 % der Fläche bei einer Betriebsgröße von i.d.R. 1.000 bis 5.000 ha. Unternehmer haben 1990 nicht nur im Handwerk, sondern auch in der Landwirtschaft als Bauern gefehlt. Einen Mittelstand gab es nicht. Die Zahl privater Unternehmer, landwirtschaftlicher Familienbetriebe ist erst langsam in den ersten Jahren nach dem wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Zusammenbruch der DDR von 1989 wieder gestiegen.
Die LPG Großbetriebe wurde ab 1990 vor allem nach der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zum 01.07.1990 jährlich mit Millionen DM/Euro subventioniert.
Investitionshilfen, Anpassungshilfen aller Art, Bürgschaften, Partnerschaften, zinsgünstige Kredite flossen jährlich in Milliarden DM/Euro. Milliarden Steuergelder flossen und fließen noch immer aus vielen denkbaren und nichtdenkbaren Fördertöpfen. Die Bauern, Wiedereinrichter, Existenzgründer hatten es dagegen i.a.R. schwer bei bescheidener Förderung Fuß zu fassen, einen existenzfähigen Betrieb aufzubauen.
Eine nachhaltige Förderung der Landwirtschaft orientierte sich sodann, wie im Westen der Bundesrepublik, am Umfang der Erlöse über die Preise der Produkte der Bauern, der Agrarkapitalgesellschaften. Industriell wirtschaftende Betriebe mit umfangreicher Viehhaltung, Milchvieh und entsprechendem Arbeitskräfteeinsatz erhielten so mehr als extensiv wirtschaftende mit wenigen Arbeitskräften. Bemessungsgrundlage waren die Produkte über deren Preis (Interventionspreis).
Das Ziel, mit dem Preis die Erlöse zu stützen war eine Stärkung eines existenzsicheren Einkommens der Bauern.
Mit der schrittweisen Umstellung von den Interventionspreisen auf die Direktzahlungen in 2001 und schrittweiser Entkoppelung von der Produktion und damit vom Umfang der Arbeitsleistung, der Arbeitskräfte als Bemessungsmaß auf die Fläche/ha, waren der Produktionsumfang und damit der AK-Besatz nicht mehr gefragt. Die Direktzahlungen (GAP) orientieren sich allein an der Fläche/ha. So werden die Bauern/Familienbetriebe bei mehr Produktion und AK ja 100 ha nachhaltig benachteiligt. Die Großbetriebe, die Agrarkapitalgesellschaften sind natürlich keine Mehrfamilienbetriebe im unternehmerischen selbständigen Sinne, sondern Arbeitnehmerstrukturen wie schon vor 1990 ohne persönliches unternehmerisches Risiko.
Weniger als 10 % der Betriebe, die Großbetriebe, die Agrarkapitalgesellschaften erhalten 85 % der Direktzahlungen. Je AK erhalten die Bauern, die Familienbetriebe oft weniger als 5.000 €/Jahr, selten mehr als 10.000 €/Jahr. Die Großbetriebe, die Agrarkapitalgesellschaften, von Arbeitnehmern, Lohnempfängern, bewirtschaftet, erhalten das 3 bis 5-fache und mehr je AK/Jahr.
Dabei ist in Großbetrieben auch mit Viehhaltung nicht nur die Tiergesundheit der Medizineinsatz - Antibiotika - äußert problematisch, sondern auch die Entwicklung der länglichen Räume hat vertretbare Grenzen überschritten.
Die ländlichen Räume bieten keine interessante Arbeit mehr, sie entleeren sich zunehmend schneller. Im Ostdeutschen Beitrittsgebiet ist der weitere Werteverfall in den Städten und Dörfern nicht zu leugnen, trotz unverändert jährlicher Milliarden Subventionen seit 1990.
Eine Agrarpolitik, wie sie von Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner in Berlin vertreten wird (siehe Presseerklärung vom 17.01.2013 - www.swp.de/aigner) und entsprechende Unterstützung von Berlin in Brüssel praktiziert wird, schadet den Bauern, den Familienbetrieben, den Unternehmern und entzieht diesen ihre Existenz.
Der Deutsche Bauernverband und seine Landesverbände mit ihrer Lobby unterstützen dies - siehe kritischer Agrarbericht 2002 (2001 - 2013).
Auch EU Agrarpolitiker aus Sachsen und Bayern vertreten diese bauernschädigende Agrarpolitik in Straßburg und Brüssel.
Wenn eine CSU Agrarministerin Aigner nach Bayern wechseln wird, müssen den bayerischen Bauern die Augen auf gehen, obgleich auch gegenwärtig schon der Verrat an den Bauern in ganz Deutschland offenkundig nachzurechnen ist.
Wo bleibt da das „C“ und das „S" in der CSU? C für christlich und S für sozial dient hier offensichtlich nur noch als Fassade, um den Opfern, den Bauern, den Blick für die Realität zu verweigern. Ohne massive Kürzung der Direktzahlung und Kappung bei den Großbetrieben bei gleichzeitiger Stärkung der Bauernexistenzen setzt sich die Entwicklung mit nicht absehbaren schlimmen Konsequenzen fort.
In ihren Interview vom 17.01.2013 in der Presse und im Internet (www.swp.de/aigner) plädiert Aigner offen und klar für die Beibehaltung der gegenwärtigen ungerechten Zuordnung der Direktzahlungen zum Nachteil der kleineren Betriebe, der Familienbetriebe, der selbständigen unternehmerischen Existenzen. Und fordert weitere jährliche Millionen Euro Förderung der Großbetriebe, Agrarkapitalgesellschaften, mit wenig, oft ohne Viehhaltung, die damit mehr als ihre gesamten Personalkosten, oft um ein mehrfaches decken.
Die Familienbetriebe, die nur ein Bruchteil je AK erhalten, sollen dagegen weitere Kürzungen hinnehmen. Ein Blick in die Zukunft tut Not.
Dabei ist zu bedenken, dass die Agrarkapitalgesellschaften als LPG-Nachfolgeunternehmen 95 % aller Fälle den einstigen LPG-Bauern nur etwa ¼ der Vermögensansprüche zugeordnet, ausgezahlt haben, die nach Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG) den einst zwangskollektivierten Bauern zustehen würden. Die ordnungsgemäße Vermögensauseinandersetzung war aber ab 1991 nach den Förderrichtlinien Fördervoraussetzung. Danach hätten die Agrarkapitalgesellschaften bisher keinerlei Subventionen erhalten dürfen.
Unabhängige Bauernstimme, Sep. bis Dez. 2012
Kritischer Agrarbericht, 2002 - 2013
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