15.9 Ist das "Teilungsmodell" - die Kaufpreisteilung §§ 19, 68 Sachenrechtsbereinigungsgesetz mit dem Wettbewerbsrecht der Europäischen Union vereinbar?
15. Bodenordnung
15.11 Der Bodenwert - Abfindungsanspruch im Bodenordnungsverfahren in den neuen Bundesländern
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15.10 Nutzungsentgelt - Zinsanspruch ab 22.07.1992 und Bodenordnungsverfahren

BGH, Urteil vom 14.12.2001 - V ZR 212/01 auszugsweise/gekürzt

a) Ist ein Bodenordnungsverfahren nach dem 8. Abschnitt des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes eingeleitet worden, so ist die Voraussetzung, dass sich der Grundstückseigentümer "auf eine Verhandlung zur Begründung dinglicher Rechte oder eine Übereignung eingelassen hat", gegeben, wenn er sich auf die in diesem Verfahren notwendigen Verhandlungen zur Durchführung der Bodenneuordnung eingelassen hat. Das ist z.B. der Fall, wenn er sich einen Landtausch nach § 54 LwAnpG anstrebt.

b) Ist ein Bodenordnungsverfahren nach dem 8. Abschnitt des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes eingeleitet worden, so bemisst sich das nach Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 8 EGBGB zu zahlende Nutzungsentgelt nach § 43 SachenRBerG; die Vorschrift des § 51 SachenRBerG findet keine Anwendung.

Tatbestand:

Die Kläger waren Eigentümer eines landwirtschaftlichen Grundstückes in S./Kreis D., das die Rechtsvorgängerin der Beklagten, eine LPG, mit einer Milchviehanlage bebaut hatte. 1993 beantragte die Beklagte bei dem Staatlichen Amt für ländliche Neuordnung ein Verfahren zur Neuordnung von Grundstücks- und Gebäudeeigentum nach dem 8. Abschnitt des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes. In diesem Verfahren bekundeten die Kläger Interesse an einem freiwilligen Landtausch. Eine Einigung darüber konnte aber nicht erzielt werden. Das Amt schlug daher mit Bescheid vom 20. März 1997 eine Geldabfindung in Höhe von 75.203,10 DM an die Kläger für die Übereignung der mit der Milchviehanlage bebauten Funktionsfläche vor. Das akzeptierten die Kläger nicht. In dem sich anschließenden Verwaltungsrechtsstreit schlossen die Parteien - die Beklagte war in dem Verfahren beigeladen - einen Vergleich dahin, dass sich die Beklagte verpflichtete, anstelle der Geldausgleichszahlungen den Klägern zwei Flurstücke in einer der Funktionsfläche entsprechenden Gesamtgröße als Austauschfläche zu übereignen.

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangen die Kläger ein Nutzungsentgelt nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB für die Zeit vom 01. Januar 1995 bis zum 30. September 1999 in Höhe von 25.005,03 DM nebst Zinsen. Die Beklagte hat den Anspruch erstinstanzlich in Höhe von 8.554,26 DM anerkannt. Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang - soweit anerkannt, durch Anerkenntnisurteil - stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage in dem über das Anerkenntnis hinausgehenden Umfang abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält die Voraussetzungen des Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB nicht für gegeben. Das habe den Ausschluss des Anspruchs auf den Moratoriumszins zur Folge.

Im konkreten Fall hätten die Kläger den Anspruch nur dann behalten, wenn sie sich in dem von der Beklagten angestrebten Bodenordnungsverfahren nach dem 8. Abschnitt des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes unverzüglich auf "eine Verhandlung zur Begründung dinglicher Rechte oder eine Übereignung eingelassen" hätten. Das sei aber nicht der Fall. Gemeint seien damit nämlich Verhandlungen über die Rechte des Nutzers nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz. Verfolge der Grundstückseigentümer demgegenüber - wie hier die Kläger - allein das Ziel eines freiwilligen Landtausches im Sinne des § 54 LwAnpG, genüge dies den Anforderungen trotz formeller Beteiligung im Bodenordnungsverfahren nicht. Im Gegenteil, durch die Ablehnung einer Geldentschädigung in diesem Verfahren hätten die Kläger - jedenfalls für die Dauer jenes Verfahrens - die Rechte der Beklagten nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz vereitelt und verdienten daher nach dem Zweck des Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB nicht den Schutz ihrer Eigentümerinteressen.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

1. Den Anspruch auf den Moratoriumszins gewährt Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB dem Eigentümer schon dann, wenn ein Verfahren zur Bodenneuordnung nach dem Bodensonderungsgesetz eingeleitet wird (vgl. Senatsurt. V. 18. Februar 2000, V ZR 324/98, WM 2000, 1160; vgl. auch Begründung des Entwurfs der Bundesregierung des Sachenrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 12/5992, S. 184), wenn der Eigentümer ein notarielles Vermittlungsverfahren nach den Vorschriften des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes beantragt oder wenn er ein Bodenordnungsverfahren nach dem 8. Abschnitt des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes beantragt. In allen diesen Verfahren hängt der Anspruch grundsätzlich nicht von dem weiteren Verhalten des Eigentümers ab.

2. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf den Moratoriumszins können grundsätzlich inhaltlich nicht anders gefasst sein, wenn das Verfahren zur Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nicht von dem Eigentümer, sondern von dem Nutzer oder - soweit möglich - von der zuständigen Behörde eingeleitet worden ist. Allerdings soll der Anspruch in diesem Fall dem Eigentümer nicht zustehen, wenn er durch eine fehlende Mitwirkungsbereitschaft die Neuordnung verzögert. Denn der Gesetzgeber wollte nur demjenigen Eigentümer ein Nutzungsentgelt gewähren, der der Neuordnung nicht entgegenwirkt (vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB in der Fassung des Grundstücksrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 12/3824, S. 12). Vielmehr ist erforderlich, dass sich der Eigentümer "in den Verfahren auf eine Verhandlung zur Begründung dinglicher Rechte oder eine Übereignung eingelassen hat".

3. Dass sich die Kläger auf das Verfahren nach dem LwAnpG eingelassen haben, hat zuletzt auch nicht die Beklagte in Abrede gestellt (vgl. Erklärung ihres Prozessbevollmächtigten lt. Protokoll der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsbericht am 01. März 2001). Auch das Berufungsgericht geht zutreffend hiervon aus. Die Kläger waren nicht gehalten, ihre Zustimmung zu einer Abfindung in Geld zu erteilen. Sie durften sich darauf beschränken, eine Bereinigung im Wege des freiwilligen Landtausches anzustreben (vgl. BVeeWG 108, 202, 213 ff). Damit sind sie ihrer Obliegenheit, an dem Verfahren zielgerichtet mitzuwirken, nachgekommen, so dass ein Anspruch aus Art. 233 § 3 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB dem Grunde nachgegeben ist.

III.

1. Der Wortlaut des Gesetzes ist unklar, spricht aber eher gegen eine Einbeziehung des § 51 Sachenrechtsbereinigungsgesetz in das Verfahren zur Bemessung der Nutzungsentschädigung nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB. Die Norm weist dem Eigentümer ein Entgelt "bis zur Höhe des nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zu zahlenden Erbbauzinses" zu.

2. Entscheidend gegen die Anwendung des § 51 SachenRBerG spricht der Zweck des Anspruchs auf den Moratoriumszins.

a) Die Zubilligung eines Nutzungsentgeltes für die Zeit ab dem 22. Julie 1992 entspricht dem Gebot eines sozialverträglichen Ausgleichs der Interessen von Grundstückseigentümern und Nutzern (vgl. BVerfGE 98, 17, 41 ff). Dieser Zweck würde verfehlt, wollte man auch für den von Art. 233 § 28 Abs. 1 Satz 8 EGBGB erfassten Zeitraum den gegenüber dem üblichen Erbbauzins ohnehin schon auf die Hälfte ermäßigten Zins (§ 43 SachenRBerG) für einen weiteren Zeitraum gestaffelt mindern. Wenn man schon eine Ermäßigung auf ein Achtes des marktüblichen Zins (§ 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SachenRBerG) für die Zeit vom 22. Juli 1992 bis Ende 1994 mit Rücksicht auf die geringe Leistungsfähigkeit von Wirtschaft und Privathaushalten für vertretbar hält, so ist eine Aufrechterhaltung dieser geringen Entschädigung bis Ende 1997, jedenfalls in den Fällen der Bodenneuordnung nach dem LwAnpG (wie auch im Bereich des Bodensonderungsgesetzes), für den Eigentümer schlechthin untragbar und auch hinsichtlich der weiteren Berechnungsphasen des § 51 SachenRBerG nicht hinnehmbar.

Das Nutzungsentgelt soll den Eigentümer für die Inanspruchnahme seines Grundstücks durch den Nutzer bis zur Bereinigung entschädigen. Was danach mit dem Grundstück geschieht, hat mit dieser Frage nichts zu tun und ist auf die Entschädigung ohne Einfluss. Auch bei einer Bodenneuordnung durch freiwilligen Landtausch nach § 54 LwAnpG ist die Frage der Nutzungsentschädigung unabhängig davon zu sehen, dass der Eigentümer ein wertgleiches Grundstück erhält. Dies rechtfertigt nicht die Herabsetzung des Nutzungsentgeltes für die Inanspruchnahme seines Grundstücks bis zu dem Tausch. Dafür fehlt jeder sachliche Anknüpfungspunkt.

Im übrigen büßt der Eigentümer ebenso wie im Verfahren nach dem Bodensonderungsgesetz auch im Falle eines Landtauschs nach § 54 LwAnpG sein ursprüngliches Grundstück ein, so dass ihm spätere Wertsteigerungen dieses Grundstücks, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Herabsetzung des Erbbauzinses in der Eingangsphase zumutbar erscheinen lassen, nicht zugute kommen.

15.9 Ist das "Teilungsmodell" - die Kaufpreisteilung §§ 19, 68 Sachenrechtsbereinigungsgesetz mit dem Wettbewerbsrecht der Europäischen Union vereinbar?
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