0.6 Fünfte Novelle zum LwAnpG
0. Vorbemerkungen
0.8 Handlungsbedarf besteht noch 2002 auf vielen Ebenen, (siehe auch Kapitel 3.2; 0.5 und 20) da...
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0.7 Die neue Agrarpolitik - Ziele, Mittel und Wege - 2001

  1. Formulierung eines agrarpolitischen Leitbildes - bäuerliches Unternehmen - offen und ehrlich in der Produktion, Organisation, Management, Finanzierung.

    Gezielte Förderung der Landwirtschaft im Nebenerwerb, Selbstvermarktung und ökologischer Produktion, um so die Nahversorgung, soziale Sicherung durch Zusatzeinkommen und Beschäftigung der ganzen Familie und damit gleichzeitig Förderung und Stabilisierung der ländlichen Dorfstruktur zu gewährleisten.
    Eigenfinanzierung des eigenen Arbeitsplatzes.
    Fremdfinanzierung - Darlehen/Förderung soweit nötig und möglich, gesellschaftspolitisch vertretbar - daher Obergrenzen bei 300 bis 500 ha bzw. 300 bis 500 Großvieheinheiten und weit überdurchschnittlichem Einkommen. Eigenkapitalbildung für den Betrieb/eigenen Arbeitsplatz der Familie muß möglich sein.

  2. Investitionsförderung bedeutet langfristige Investition - langfristige Investitionslenkung - langfristige Existenzsicherung und Erhaltung der Einkommensquelle. Unter diesen Gesichtspunkten ist die seitherige Förderung umzustellen auf die künftige Förderstrategie - Ziele.
    Es muß klar sein, daß Übergrößen und Überproduktion in Großbeständen künftig nicht mehr gefördert werden.

  3. Stärkung der privaten Bauern - deren Investitionen - keine Massentierhaltung.
    Vorkaufsrecht und Vorpachtrecht für die privaten Bauern gegenüber den LPGs in neuer Rechtsform/Kapitalgesellschaften. Entsprechende Umstellung der Verpachtungspraxis der BVVG durch den Bundes-Finanzminister.
    "Übernahme" von LPG i. L. oder bei weiterer Umwandlung/Teilung von LPG-Unternehmen ausschließlich Vorrang der privaten Bauern statt Fusion mit benachbarten LPGs in neuer Rechtsform - Lenkung durch Förderrichtlinien und Förderpraxis der Exekutive.
    Dabei Mitübernahme anteiliger Altschulden durch die privaten Bauern, soweit Bilanzaktivvermögen von LPGs in neuer Rechtsform übernommen wird (so wie seither in aller Regel den übernehmenden LPGs in neuer Rechtsform dies auch ermöglicht wurde).

  4. Überprüfung aller LPGs in neuer Rechtsform betreffs Rechtsnachfolge, Teilung, Zusammenschluß und Umwandlung gemäß LwAnpG - bisher unerkannter Liquidation.
    Einhaltung der Bedingungen betreffs BVVG-Pachtverträge, Förderung gemäß Richtlinien - Förderungsvoraussetzungen -, Anpassung dieser Richtlinien an neue Ziele der Agrarpolitik. Keine Förde-rung mehr bei Fusion/Zusammenschluß von LPG-Nachfolgeunternehmen. Noch größere LPG-Unternehmen zerstören Dorf und Landschaft weiterhin, wie seit 1960.

    Einhaltung von Betriebsplan, Sanierungsplan, Betriebskonzept, Soll-Ist-Vergleich, bei Verpachtung an LPG-Nachfolger und/oder Tochtergesellschaften bzw. neuer Unternehmen - solche sind nur förderungsfähig, wenn die "Mutter"-LPG-Nachfolger alle Voraussetzungen erfüllt hat.

    Nur noch stabile Betriebe mit langfristig gesicherter Existenz fördern - Landesbürgschaften, künftig nur noch für private Bauern.

    Keine ABM oder SAM-Kräfte mehr für LPGs in neuer Rechtsform, keine Förderung durch Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen, da auch hierin eine große Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil der privaten unternehmerischen Bauern und des Handwerks im ländlichen Raum liegt.

  5. Kontrollen bei Futtermittelherstellern, Herstellern von (Tier-) Medizin, chemischer Industrie, Nahrungsmittelindustrie, Nahrungsmittelhandel und Bauern - aller Zulieferungs- und Abnahmebetriebe/Verarbeitungsbetriebe, um gesunde Nahrungsmittelerzeugung und ihre "gesunde" Vermarktung zu sichern. Kontrolle am "Nadelöhr", den Produktionsmittellieferanten und Abnehmern der Agrarprodukte (wie zum Beispiel Milch in der Molkerei und nicht bei hunderttausend Bauern). Auch ist die Kontrolle beim Lieferanten und Dienstleister (z. B. Tierarzt) und Abnehmer daher wesentlich umfassender und wirtschaftlicher, weniger kostenaufwendig - rationeller.

  6. Forschung betreffs gesunder bzw. ungesunder Ernährung und ihrer gesundheitlichen Folgen (BSE, Allergien, etc.) auch außerhalb der einheimischen Agrarwirtschaft.

    Forschung bezüglich LPG-Rechtsnachfolge, Vermögensauseinandersetzung, Zusammenführung von Gebäude und Grund und Boden, Nutzung von Grund und Boden bei selbständigem Gebäudeeigentum, jeweils Vergleich gesetzlicher Grundlage, praktischer Handhabung - Rechtsprechung und Gerichtspraxis.

    Zusammenführung von Gebäude und Grund und Boden nach LwAnpG und Sachenrechtsbereinigungsgesetz - Halb-Teilungsmodell - Bodenwertermittlung - Ermittlung der Restnutzungsdauer von Gebäuden.

    Gutachtenwesen - Eigenkapitalermittlung nach § 44 Abs. 6 LwAnpG, sowie Vermögensauseinandersetzung nach § 44 Abs. 1 LwAnpG, gesetzliche Grundlagen, gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowie praktische Durchführung - Umsetzung von Gesetz und Recht in der Praxis und bei Gericht - Landwirtschaftsgerichten. Einhaltung von Gesetz und Recht als Fördervoraussetzung, Landpacht, Flächenerwerb, Altschuldenregelung bei LPG-Nachfolgern und ihren nicht selten bereits privatisierten "Tochtergesellschaften" - Haftung für Fehlverhalten der "Mutter-LPG-Nachfolger".

  7. Beseitigung von Altlasten, Altgebäuden soweit nicht mehr nutzbar und wo die Ursache in der LPG-Wirtschaft bzw. in der Zwangskollektivierung, Kreispacht oder Enteignung liegt.
    Beseitigung der Folgen der noch immer vorherrschenden sozialistischen LPG-Wirtschaft, um so das Dorf und den ländlichen Raum attraktiv zu machen. Mit der LPG-Wirtschaft wurden in den 60er und 70er Jahren die Dörfer und der ländliche Raum zerstört, mit Fortbestand dieser Betriebe lassen sich die Folgen nicht beseitigen.

  8. Die Gesetzgebung (ebenso Exekutive und Judikative) muß alles vermeiden, was dazu führen kann oder auch nur den Eindruck erweckt, als würde sie "Heilungsvarianten" anbieten - DDR-LPG-Unrecht - durch bundesdeutsches Recht heilen (z. B.: bei Novelle zum LwAnpG - Rechtsnachfolge) und damit auf Dauer festigen. Solche "Gesetzesspielräume" hatte die Bundesregierung in der Wendezeit und kurze Zeit danach. Heute ist dadurch die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats beschädigt. Weitere "Unrechtsge-setze" sind zu verhindern, müßten ggf. verfassungsrechtlich geprüft werden. Eine Verlängerung der Verjährungsfrist nach § 3b LwAnpG ist unerläßlich, da diese Gesetzesgrundlage seither nur zu einem sehr geringen Teil realisiert wurde und das Unrecht nicht auf Dauer fortbestehen darf.

  9. Neuregelung bzw. Beendigung der Altschuldenvergünstigungen (Siehe hierzu Punkt 14.1 im Info-Zentrum).

  10. Wie der neue Agrarbericht der Bundesregierung 2001, Tabelle 27 bis 29, (und Testbetriebsergebnisse S. 70 bis 77) zeigt, haben bestenfalls 20% der LPG-Nachfolger nach 10 Jahren Marktwirtschaft trotz "idealer" Betriebsgrößenstruktur und beachtlicher, häufig oft grob wettbewerbsverzerrender, Förderungen aller Art (einschließlich ABM/SAM/Kurzarbeiteregelung/zeitweiser Arbeitslosenregelung in den Wintermonaten, Beschäftigungsförderung von Langzeitarbeitslosen, Betriebsaufspaltung in Tochtergesellschaften oder neue Gesellschaften mit "Existenzgründungsförderung", Landesbürgschaften, Liquiditätshilfen, "Altschuldengeschenken", BVVG-Landpacht ohne Erfüllung der Voraussetzungen - Einhaltung der Betriebspläne, der Liquiditätspläne), eine finanziell stabile Existenz.

  11. Die Eigenkapitalbildung liegt bei nahe Null. Die Nettoinvestitionen sind negativ. Das seit 1990 in der Regel rückläufige Eigenkapital mit 3.626 DM/ha beinhaltet in der Regel auch einen Teil der Altschulden und Vermögen, das nach § 44 (1) LwAnpG den ehemaligen LPG-Mitgliedern zugeordnet und ausgezahlt werden müßte.

    Da das Eigenkapital der LPG-Unternehmen infolge der Verluste und dem damit verbundenen Substanzverbrauch seit 1991 in vielen Fällen erheblich abgenommen hat, ist auch die gelegentliche Empfehlung an die Unternehmen zur Vermeidung von barer Zuzahlung nach § 28 (2) LwAnpG, die Ge-schäftsanteile zu erhöhen oder die mögliche Nachforderung nun endlich in der Bilanz korrekt als Schuld auszuweisen, keine gangbare Lösung, da in 2001 das nicht mehr vorhandene Vermögen nicht mehr durch Vollversammlungsbeschluß einer Kapital-Geschäftsanteil-Neufestsetzung dienen kann, eine Nachschußpflicht bereits verbrauchten "Eigenkapitals" (gesetzliche, freie, Ergebnisrücklage) keine Zustimmung erhalten wird und einer um den Verlustanteil gekürzten Schuld (Vermögensabfindungsnach-zahlungsanspruch des LPG-Mitglieds) das LPG-Mitglied ebensowenig zustimmen dürfte, anders die Sache aber in der Bilanz 2000/2001 nicht darstellbar ist. Eine ehrliche Lösung dieses Problems ist folglich mit solch einer Empfehlung nicht realisierbar.

  12. Eine neue Agrarpolitik kann davon ausgehen, daß die Produktionskapazitäten und -volumen in der Regel von den vorhandenen privaten Bauern mit übernommen und fortgeführt werden könnten - bei ehrlicher Finanzierung, wesentlich besserer innerer Verkehrslage der Betriebe, Verbesserung der Dorfstruktur, Nahversorgung der Menschen durch überschaubare, räumlich nahe Produktion und Vermarktung, gesunder Entwicklung des ländlichen Raums.

    Mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße der LPG-Unternehmen von rd. 1.500 ha und 1100 GV bei 32 AK (somit also die Summe von 32 Nebenerwerbskapazitäten = 46 ha/34 GVE/AK), erstrecken sie sich nicht selten über mindestens 6, oft über 8 bis 12, ja bis zu 15 Dörfer.

    Die damit verbundenen Verkehrs- und innerbetrieblichen Transport- und Organisationsprobleme (Transport von Futter, Erntegut, Gülle durch viele Dörfer) nicht nur in den Mittelgebirgsregionen, liegen auf der Hand. Die Personalkosten von rd. 900,- DM/ha werden mit 718,- DM/ha von Zulagen und Zuschüssen gedeckt. Positive Betriebsergebnisse haben nur Marktfruchtbaubetriebe mit weniger als 0,5 GV/ha.

    Dabei könnten die bereits vorhandenen Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe die Flächenbewirtschaftung und Viehhaltung in aller Regel mit übernehmen und fortführen, wenn die Förder- und Pachtpolitik korrekt und effizient umgestellt würde. Im übrigen würde ein Haupt- und ein Nebenerwerbslandwirt mehr je Dorf (mit ökologischer Produktion und Selbstvermarktung in räumlicher Nähe) die noch vorhandenen LPG-Kapazitäten bei Sicherung entsprechender Arbeitsplätze leicht bewirtschaften.

  13. Übrigens, "Nahversorgung ist Lebensqualität - Lebensqualität durch Nähe". Unter diesem Thema wird seit Jahren in Österreich und in Bayern in vielen Regionen in einigen Dörfern eine umfassende Konzeption verfolgt, mit deren Hilfe den im Dorf und in den ländlichen Regionen lebenden Menschen unter Einbindung aller Entscheidungsträger und Organisatoren, den wirtschaftlich, sozial, gesellschaftlich tätigen Menschen eine sichere und lebenswertere Zukunft vermittelt wird. Dies unter anderem auch durch Bewußtseinsbildung, Eigenverantwortlichkeit, Förderung kleinräumig regionaler Kreisläufe. Die regionale Produktion der bäuerlichen Betriebe und die Selbstvermarktung insbesondere ökologischer Produkte durch Haupt- und Nebenerwerbs-Familienbetriebe ist dabei ein ganz wesentlich tragender Faktor für die Bauern und muß daher auch in einer neuen agrarpolitischen Konzeption eine entsprechende Rolle spielen = global denken - regional handeln.

    Eine flankierende Begleitung der neuen Agrarpolitik durch eine solche Nahversorgungskonzeption - die Integration der neuen Agrarpolitik in ein solches Nahversorgungskonzept - wäre sicher ein ganz we-sentlicher Beitrag zur regionalen Verbesserung des gesamten Umfelds der, im ländlichen Raum, auf dem Dorf, lebenden Menschen. Die Fortsetzung der LPG-Wirtschaft hat in den letzen 10 Jahren, seit der Wende, die Dorfentwicklung und den ländlichen Raum, die Entwicklung selbständiger Existenzen stark behindert. Eine neue Agrarpolitik muß dieser Fehlentwicklung entgegenwirken. Damit würde ein wirksamer Beitrag zur Wiederherstellung der nach LPG-Gesetz zerstörten regionalen ländlichen Dorfstruktur in den neuen Bundesländern geleistet, anstatt an diesen unguten LPG-Verhältnissen festzuhalten.

  14. Mobilisierung des Verbraucherbewußtseins eines jeden einzelnen für sein Umfeld, Mobilisierung von Eigeninitiativen, der unternehmerischen organisatorischen Initiativen, Formulierung realisierbarer Ziele, Gestaltung besserer wirtschaftlicher Rahmenbedingungen auch dadurch Stärkung des Selbstbewußt-seins. Demokratie, soziale Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit von unten. Dazu kann, soll, ja muß, jeder selbst seinen Beitrag leisten, wenn eine Nahversorgungskonzeption und eine neue Agrarpolitik im Interesse aller erfolgreich werden soll.

Mai 2001

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0.8 Handlungsbedarf besteht noch 2002 auf vielen Ebenen, (siehe auch Kapitel 3.2; 0.5 und 20) da...