vom 26.02.2003, Sächsisches Staatsministerium für Landwirtschaft Az. 21-8470.01/16
1. Grundsätzlich ist es sehr zu begrüßen, daß das Sächsische Staatsministerium für Landwirtschaft mit diesem Erlaß nunmehr offiziell eingesteht, daß die diversen Prüfungsrunden seit 1992/93 nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt wurden und daher auch mehr als 10 Jahre nach dem Landtagsbeschluss vom 21.01.1992, Drucksache 1/1298 die erforderlichen Konsequenzen ausgeblieben sind.
Nach der Anpassungshilfeverordnung von 1992 war bereits die dem Gesetz entsprechende Umwandlung sowie die Vermögensauseinandersetzung Fördervoraussetzung (Dokumentation I, Seite 290, Dokumentation II, Seite 15 ff.).
Auch sind seit 1992/93 zahlreiche Gerichtsentscheidungen bekannt, die dokumentieren, daß die Vermögensauseinandersetzung in vielen Fällen nicht korrekt durchgeführt wurde (Dokumentation I, S. 83 ff.) und die Rechtsnachfolge nicht vorliegt (Dokumentation I Seite 143 ff., Dokumentation Seite 281). Die BGH-Rechtssprechung zur Rechtsnachfolge und Vermögensauseinandersetzung war bereits ab 1993 bis Ende 1995 so klar, sodass spätestens ab 1996 die Rechtverletzungen, um die es hier noch immer geht, jedem Beteiligten bekannt waren.
2. Der Erlass sowie die Anlagen dazu orientieren sich im Wesentlichen an den gesetzlichen Vorschriften der §§ 4 bis 44 LwAnpG, das Mitte 1991 in Kraft getreten und seitdem bekannt ist. Der BGH hat mit seinen Beschlüssen seit 1993 immer wieder bestätigt, daß die gesetzlichen Vorschriften auch einzuhalten sind und Abweichungen hiervon nicht geduldet werden können.
3. Es ist sehr zu begrüßen, daß bei tatsächlicher konsequenter Umsetzung dieses Erlasses ein Minimum an Gleichbehandlung der LPG-Mitglieder bezüglich der Vermögensabfindung realisiert werden soll. Während seither LPG-Mitglieder, die zu Gericht gegangen sind, möglicherweise den vollen 100%igen Anspruch erhalten haben, andere eine "Vereinbarung" hingenommen haben mit vielleicht 60%, 40%, 20% oder auch nur 10% des tatsächlichen Anspruchs, einige wenige bei Gericht mit einem Vergleich zwischen dem tatsächlichen vollen Anspruch und dem ursprünglich angebotenen Anspruch erhalten haben, während wieder andere ehemalige LPG-Mitglieder oder ihre Erben überhaupt nichts oder eben nur einen geringen Teil ihres Anspruchs erhalten haben und das LPG-Unternehmen nun die Einrede der Verjährung geltend macht. Derartige Ungleichbehandlung der Mitglieder innerhalb einer LPG, eines Dorfes kann auch auf lange Sicht zu keinem dörflichen Frieden führen und ist auch nach gesellschaftsrechtlichen Regeln nicht zu vereinbaren (LPG-Gesetz, LwAnpG, HGB). Der Gleichheitsgrundsatz gilt auch hier und darf nicht länger treuwidrig verletzt werden wie seither.
4. Die konsequente Umsetzung des Erlasses kann mit dazu beitragen, daß es in Zukunft zumindest weitgehend zu gerechteren Lösungen i. S. des Gesetzes kommt.
Zu prüfen wird daher auch sein, ob es diesmal der Landesregierung, dem SMUL wieder nur um die "ordnungsgemäße Vermögenszuordnung" geht, wie seit 1993 bei der Ausstellung der "Persilscheine" und fast jeder der seinen ihn tatsächlichen zustehenden Geldanspruch auch ausgezahlt haben wollte, erst zum Gericht musste. Oder ob nunmehr diesmal die tatsächliche abgeschlossene Umsetzung, die Realisierung, der seit 1991 bekannten gesetzlichen Vorschriften, Gradmesser der Ordnungsmäßigkeit der Vermögensauseinandersetzung (Auszahlung) sein wird und die Nachfolgeunternehmen daher auch offiziell grundsätzlich auf die Einrede der Verjährung verzichten. Nachdem die "Allparteienfraktion" der 5 neuen Bundesländer eine Verlängerung der Verjährungsfrist bezüglich der Ansprüche nach LwAnpG verhindert haben und dies, obgleich allen bekannt ist, dass die Vorschriften des LwAnpG, dass das DDR-LPG-Unrecht zumindest zum Teil rückgängig machen soll, nur erst zu einem geringen Teil realisiert ist, könnte dieser Erlass, wird er konsequent umgesetzt, eine wirksame Abschwächung des seither fortbestehenden Unrechts bewirken. Demnach muss schon mehr als bedenklich stimmen, wenn die verantwortlichen Politiker zunächst die Rechtsansprüche eines seither nicht realisierten Gesetzes verjähren lassen um sodann auf dem Erlasswege über zwei Förderrichtlinien doch noch die Realisierung berechtigter Ansprüche durchsetzen wollen. Eine Alibifunktion dieses Erlasses kann nicht hingenommen werden.
5. Klarzustellen wäre zum Erlaß und den beigefügten Anlagen, daß auch im Falle der Nachtragsliquidation die gesetzlichen Vorschriften des § 44 (6) und (1) LwAnpG zu beachten sind. Der Verkauf der LPG i. L. an das neu gegründete Unternehmen kann nur auf der Grundlage des nach § 44 (6) LwAnpG korrekt ermittelten Wertes erfolgen. Der Erlös/Liquidationsüberschuß ist nach § 44 (1) LwAnpG an die Mitglieder nachzuzahlen. Notarverträge zum LPG-Verkauf im Rahmen einer sogenannten stillen Abwicklung sind in der Regel nichtig. Der Kaufpreis kann nicht gemindert werden durch eventuell seit 1992 bis zum Vertragsabschluß erwirtschaftete Verluste und unternehmerische Entscheidungen des neuen Unternehmens bzw. ihrer Geschäftsführung. Liquidatoren und Notare müssen hierfür ggf. haften. Liquidatoren müssen den LPG-Vorstand ggf. haftend in Anspruch nehmen.
6. Ergänzend zu diesem Anlass bedarf es eines agrarpolitischen Konzeptes mit der Zielsetzung der Förderung der privaten Bauern als Alternative zum Verkauf der gesamten LPG i. L. rückwirkend an das neue Unternehmen. Da die neuen Unternehmen in der überwiegenden Mehrzahl nicht in der Lage sein werden, den tatsächlichen Kaufpreis - ermittelt unter Beachtung von § 44 (6) LwAnpG - zu zahlen, ein niedrigerer Kaufpreis aber unzulässigerweise die Fortsetzung des LPG-Unrechts "belohnen" würde, muss die Aufteilung des LPG-Vermögens - Verkauf - an mehrere private Bauern als agrarpolitische alternative Zielsetzung angeboten und gefördert werden.
Für die LPG-Vermögensnutzung durch das neue Unternehmen ab 1992 hat dieses eine Pacht/Miete zu zahlen - analog eiserner Verpachtung oder z. B. 4% Zins/Jahr für das nach § 44 (6) LwAnpG ermittelte Eigenkapital, Stand 31.12.1991 - mit Zinseszins.
Nur so ist auch mit einer Belebung des ländlichen Raumes, die Schaffung sicherer und ehrlich finanzierter Arbeitsplätze durch private Bauern gewährleistet, während andernfalls zu befürchten ist, daß unter dem Vorwand der Erhaltung der Arbeitsplätze bei den neuen LPG-Unternehmen diese dortigen Arbeitsplätze weiterhin rechtswidrig mit fremdem Vermögen, das den LPG-Mitgliedern gehört, finanziert werden.
Eine ergänzende agrarpolitische Zielsetzung muss auch dazu beitragen, daß sicher Arbeitsplätze im ländlichen Raum korrekt und ehrlich finanziert werden und nicht unzulässigerweise mit zurückbehaltenem LPG-Vermögen, das allen Mitgliedern gehört (§ 44 (1) LwAnpG).
Ein solches agrarpolitisches Konzept ist auch deshalb unerlässlich, weil anderenfalls ohne konsequente zielgerichtete Förderung der privaten Bauern der Betriebsleitermangel nicht zu lösen ist. Die jungen Menschen wollen unternehmerisch, selbständig, eigenverantwortlich tätig sein, ihre eigenen Ziele verwirklichen und nicht die LPG-Unrechtshinterlassenschaften verwalten.
7. Unerledigt bleibt trotz dieses Erlasses und seiner hoffentlich konsequenten Umsetzung, das Problem der Verletzung des öffentlichen Glaubens durch Grundstücksgeschäfte und Bodenordnungsverfahren bei fehlgeschlagener Umwandlung - Liquidation der LPG - und damit fehlendem Vermögensübergang auf das neue Unternehmen. Ferner bleibt damit unerledigt die Verletzung des öffentlichen Glaubens bei den Registergerichten durch Eintragungen - Löschungen der LPG, obgleich diese in Liquidation fortbestehen und Eintragung des neuen Unternehmens als angebliches Rechtsnachfolgeunternehmen, obgleich eine Neugründung vorliegt. Schließlich ist die Tatsache, daß die Bilanzen der neuen Unternehmen in den zurückliegenden 10 Jahren Vermögen ausweisen, das aufgrund der fehlgeschlagenen Rechtsnachfolge auf die Unternehmen nicht übergegangen ist und daher alle Bilanzen sowie Prüfungsbestätigungsvermerke nichtig sind, ein gravierender Verstoß gegen den Gläubigerschutz (§§ 93, 90, 256, 257 AktG).
Der öffentliche Glaube sowie der Gläubigerschutz wurden daher in hohem Maße flächendeckend tausendfach verletzt. Diese Rechtsverletzungen werden mit dem vorliegenden Erlass nur zum Teil geklärt werden. Hier sind die Finanzministerien und die Wirtschaftsprüfungskammer sowie die Banken, möglicherweise auch die Staatsanwaltschaft gefordert.
Weitere Fragen schließen sich an:
a) Weshalb soll es nicht zu Rückforderungen von Fördermittel kommen, wenn festgestellt wird, das Umwandlung und/oder Vermögensauseinandersetzung nicht korrekt waren? Während bei den privaten Bauern tatsächliche oder vermeintlich zu Unrecht bezogene Fördermittel rigoros zurückgefordert werden, sollen hier sogar weitere Fördermittel ausgezahlt werden, obgleich Mängel festgestellt werden (Erlass Ziffer 7).
b) Wieso sollen nur 2 Richtlinien des SMUL - RL-Nr. 21/2002 und 51/2000 - von dieser Überprüfung betroffen werden (Erlass Ziffer 3) und andere Zahlungen aus öffentlichen Kassen hiervon trotz gravierender Rechtsverletzung unberührt bleiben? Ist hierfür etwa niemand verantwortlich? Das öffentliche Interesse ist doch bei jeder Zahlung aus einer öffentlichen Staatskasse gegeben.
siehe Kapitel 3.7
c) Dem Ministerium selbst sind seit Jahren (1992) durch den Vermittlungsausschuss viele Fälle unkorrekter Umwandlung und Vermögensauseinandersetzung bekannt. Diese Fälle sind lückenlos in die Prüfung einzubeziehen. Einzubeziehen in die Prüfung sind auch die sogenannten Tochtergesellschaften und die aus erneuter Teilung oder Umwandlung hervorgegangenen Unternehmen und das von diesen genutzte LPG-Vermögen.
d) Alle Bauern sind über die Ämter für Landwirtschaft bezüglich der Möglichkeiten der Beschwerden (Ziffer 3 des Erlasses) zu informieren. Gleiches gilt bezüglich aller LPG-Mitglieder und ihrer Erben, die regelmäßig über die Medien aller Art in geeigneter Form zu informieren sind. Hier trifft auch erneut die privaten Bankenverbände eine verantwortliche Aufgabe. Auch entsprechende Beschwerden an die EU-Kommission sind ratsam.
e) Wer prüft die Rechtmäßigkeit der Wertermittlungsgutachten (§ 44 Abs. 6 LwAnpG, Nr. 3.5.1.5 und Nr. 3.5.3 sowie 3.5.5 der Anlage zum Erlass ), nachdem in den zurückliegenden Jahren nicht selten offenkundig rechtswidrige Gutachten bekannt geworden sind, und zum Teil selbst von Gerichten akzeptiert wurden.
f) Die Schlussbilanzen der LPG Typ I sind in die Prüfung einzubeziehen - Erlass Anlage 1 Nr. 3.5.2.1).- LPG-Typ-I-Vermögen.
g) Vergleiche, ganz gleich ob gerichtlich oder außergerichtlich abgeschlossen, sind Gerichtsentscheidungen gleichzusetzen. Gerichtsbeschlüsse und Vergleiche sind vorzulegen. (Erlass Anlage 1 Nr. 3.2.2).
h) Die jedem LPG-Mitglied zustehende Vermögensquote ist bei der Abfindung aller Mitglieder auch im Falle §§ 36, 44 und 51a LwAnpG zu beachten und nicht nur bei § 28 Abs. 2 LwAnpG. (Identität: Anlage 2 zum Erlass). - Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Gesetz.
i) Ebenso sind bei Liquidation in der LPG auch rückwirkend die Vorschriften des LwAnpG zu beachten, andernfalls kann das/die neuen Unternehmen ganz gleich welcher Rechtsform, nicht gefördert werden.
Dabei ist auch von großer Bedeutung, die Tatsache, dass bei der ungesetzlich praktizierten sogenannten "stillen Abwicklung" der LPG ohne Rechtsnachfolge das Vermögen von der LPG i.L. zum neuen Unternehmen durch (notariellen) Vertrag mit oder ohne Liquidator - evtl. durch den früheren LPG-Vorstand, jedoch ohne Rechtsgrundlage - in jedem Fall ohne Information der vermögensanspruchsberechtigten LPG-Mitglieder und ihrer Erben und ohne die gesetzliche vorgeschriebenen Publikation der Liquidation "verschoben" wird. Ein Kaufpreis wird dabei häufig nicht vereinbart, zumindest nicht gezahlt, ein zu verteilender Liquidationsüberschuss wird dabei nicht realisiert. Die auch bei der LPG-Liquidation zu beachtenden Vorschriften des LwAnpG werden dabei missachtet. Jede Förderung der neuen Unternehmen, ganz gleich welcher Rechtsform, die sich so das Vermögen aneignen, sind von der Förderung auszuschließen, da nicht förderfähig. Im Übrigen sind solche "Kaufverträge" in der Regel nichtig und lösen Haftungsansprüche gegen den Notar sowie LPG-Vorstand und neuer Geschäftsführung aus.
j) Nicht betroffen sind von diesem Erlass jene wenigen LPG-Nachfolgeunternehmen, die sich von 1990 an bemüht haben die Umstrukturierung und Auseinandersetzung mit den Mitgliedern gemäß Gesetz offen und ehrlich durchzuführen und notfalls auch infolge der Rechtsprechung nötige Anpassungen vorgenommen haben. Diese wenigen Fälle sind Beweis dafür, dass die Sache durchaus korrekt nach Gesetz durchgeführt werden konnte, wenn der Wille vorhanden war.
k) Die LPG-Unrechtsunternehmen werden zumindest zum Teil das Problem auf ihre Art lösen: seitherige Förderung wird weiter in Empfang genommen (Erlass Ziffer 7), Investitionen werden keine mehr getätigt und daher keine entsprechende Förderung mehr beantragt und wenn die Vermögenssubstanz aufgezehrt ist, wird Insolvenz angemeldet (schließlich hat man Erfahrung, wie man auf eine Pleite hinwirtschaftet - siehe 1989!).
l) Alle LPG- Mitglieder oder ihre Erben haben aufgrund ihres Rechtsschutzbedürfnisses die Möglichkeit, im Grund kostenlos einen begründeten Antrag an das Registergericht zu stellen, und dort von Amts Wegen die fehlgeschlagen Rechtsnachfolge (Teilung/ Zusammenschluss/Umwandlung) feststellen zu lassen und gleichzeitig beantragen, dass für "ihre" LPG vom Register ein Liquidator zu bestellen ist. Besonders schwierig wird die Problematik dort, wo das neue Nichtrechtsnachfolgeunternehmen mit dem nichtübergegangenen LPG-Vermögen in Gesamtvollstreckung/Insolvenz gegangen ist und vom Gesamtvollstreckungs-Verwalter/Insolvenzverwalter das LPG-Vermögen, das sich nicht im Eigentum des neuen Unternehmens befunden hat, im Rahmen der Gesamtvollstreckung/Insolvenz versilbert wurde. Der dennoch zu bestellende Liquidator wird dann wohl auch den LPG-Vorstand nach § 3a LwAnpG in Anspruch nehmen müssen. Im Übrigen ist grundsätzlich festzustellen, dass die gegebenen Rechtsgrundlagen ausreichend sind und ein Sonderrecht zur Liquidation und/oder "Heilung"/Nachzeichnung nicht geboten ist, da von den Befürwortern nur das seither festgesetzte DDR-LPG-Unrecht zu bundesdeutschem Recht umfunktioniert werden soll.
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