22.5 Ursachen und Folgen des Unrechts
22.  Recht und Unrecht
22.7 Unrecht eine Frage der Gerechtigkeit
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22.6 Eine Interessenvertretung wäre gut

Unseren Bauern fehlt eine starke Lobby.  Ihre Interessenvertretung ist schwach, nicht flächendeckend, zersplittert ohne konsequente zielgerichtete Arbeit für die unternehmerisch geführten Familienbetriebe, die Haupt-, Zu- und Nebenerwerbsbetriebe.

Im Beitrittsgebiet, den in 1990 wieder gegründeten 5 Bundesländern als Nachfolger der ehemaligen DDR wurde die DDR-LPG-Kultur und  Mentalität nie konsequent überwunden. Die kommunistische Geisteshaltung wirkt auch 23 Jahre nach dem Beitritt zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und damit der EU tiefgreifend nach. Die personellen Funktionsträger haben ihre DDR-Erfahungswelt nicht abgelegt. Die personelle, geistig mentale Kontinuität hat nachhaltig Folgen auf allen staatlichen Ebenen und damit auch entsprechende wirtschaftliche und gesellschaftliche Konsequenzen.

Beispielhaft sei hier aufgeführt: 

1.      Da war das von 1945 bis 1989 in Volkseigentum überführte Vermögen. Viele tausende Großbetriebe und kleinere landwirtschaftliche Betriebe, Gewerbebetriebe, Wohnungen befanden sich 1989/90 in Volkseigentum. Der DDR-Staat, Bezirke, Städte und Gemeinden, und volkseigene staatliche Einrichtungen standen im Grundbuch.  Eine Rückgabe an die früher Enteigneten oder ihre Erben wurde sträflich unterlassen, hat sich, sofern rechtlich möglich, über Jahre verzögert. Die noch von der DDR gegründete Treuhandanstalt, dieser folgend die BVVG (Bodenverwertungs- und Verpachtungsgesellschaft)  AG, eine 100%ige Aktiengesellschaft der Bundesregierung, des Bundesfinanzministeriums, personell besetzt von DDR - SED - DBD - Stasi - Kaderfunktionären, setzen dieses Unrecht bis heute fort.  Verpachtung und Verkauf erfolgte zu günstigen Preisen an die LPG-Nachfolgerunrechtsbetriebe, Agrarkapitalgesellschaften. Viele Millionen Verluste waren die Folge.

Enteignetes Umlaufvermögen - technische Einrichtungen, Fahrzeuge, Vorräte, Feldinventar, Kapitalvermögen, der Viehbestand waren verbraucht und nicht mehr existent. Die Gebäude, das Anlagevermögen, war abgewirtschaftet. Das Recht der Bauern auf ihr Eigentum war und ist weiterhin tief verletzt. 

2.      Das Bilanzvermögen der LPG (Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft) so wie der GPG (Gärtnerischen Produktionsgenossenschaften) wurde mit dem LwAnpG 1990/91 den LPG-Mitgliedern rechtlich anteilig zugeschrieben. Die praktische Umsetzung wurde von den LPG-Vorständen bzw. der daraus hervorgegangenen Geschäftsführung der umgewandelten LPGs, der Agrargenossenschaften, GmbH, AG  nach allen Erfahrungen und wissenschaftlichen Feststellungen zu weniger als ¼ realisiert. Der Großteil des LPG-Vermögens des Bilanzeigenkapitals, des wahren Wertes ist dort geblieben, den LPG-Bauern nicht als Geschäftsanteile zugeordnet oder ausgezahlt worden.

Hunderte von Verfahren bei den Landwirtschaftsgerichten haben dies bis in die Gegenwart immer wieder bestätigt. Die ganz überwiegende Mehrzahl der LPG-Nachfolgebetriebe (Agrargenossenschaft, GmbH, AG, KG) haben nur noch sehr wenige Gesellschafter - Inhaber, Eigentümer. So wurde das LPG-Vermögen der Bauern - z. T. über Insolvenz, Liquidation - gezielt in wenige Hände konzentriert. 

3.      Die 1990 gegründeten Ostdeutschen Landesbauernverbände haben sich das Vermögen incl. Gebäude der VdgB (Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe) flächendeckend angeeignet.  

4.      Die Bauernpartei der DDR und ihre Mitglieder, die DBD, wurden von der CDU aufgenommen. Darunter viele leitende Funktionäre der LPGs, der volkseigenen landwirtschaftlichen Betriebe, der Agrarverwaltung aus den Räten der Bezirke, der Kreise und Ostberlins. 

5.      Die personelle Kontinuität von SED, Stasi, DBD und volkseigenem Vermögen verhindern 1990 jede Chance auf wirtschaftlichen und personellen Neuanfang, Aufbau und wirtschaftlichen Aufschwung.  

6.      Die junge Generation, etwa bis zum Alter von 40 Jahren mit Schulabschluss, evtl. auch beruflicher Ausbildung, mutig und mit Selbstvertrauen ausgestattet, verlässt noch immer das Beitrittsgebiet. Die Einwohnerzahl der jungen Generation ist in 23 Jahren um rund 50 % zurückgegangen. Die Zahl der Einwohner insgesamt ist von reichlich 17 Mio. auf etwa 14 Mio. gesunken.  

7.      Der Gebäudeleerstand ist beängstigend. Mehr als 1 Mio. Wohnungen, Wohngebäude und Wirtschaftsgebäude stehen seit Jahrzehnten leer, sind verfallen, abbruchreif. Begonnen hat der Leerstand 1960 mit der Zwangskollektivierung der Bauern, der Konzentration auf die LPG-Betriebe. Der zwangsweise Wechsel in die LPG Typ III in 1974 führte ebenso zum Leerstand vieler landwirtschaftlicher Wirtschaftsgebäude. Nach 1990 bis heute geht der Viehbestand stark zurück, der zunehmende Aufbau und die Förderung, Subventionierung von industriellen Massentierhaltungsbetrieben setzen die Folgen der LPG Tierproduktion fort. Nicht landwirtschaftliche Kapitalanleger aus dem In- und Ausland kaufen das Land auf, beherrschen die gewerbliche industrielle Massentierhaltung. Die EU, der Bund und vor allem die Bundesländer subventionieren diese Großbetriebe noch mit Millionen Beträgen bei Investitionen und EU-Direktzahlungen, (GAP). 

8.      Die Konzentration auf der Ebene der Geschäftspartner, der Abnehmer landwirtschaftlicher Produkte so wie der Betriebsmittellieferanten, der Marktbeherrschung hat verheerende Folgen. Der aktuelle Milchmarkt dokumentiert die Ergebnisse. Wenige Großabnehmer, Molkereien bis zum Supermarkt, Handel in Monopolstellungen/Oligopolen, bestimmen den Milchpreis. Regionale kleine Milchabnehmer, private Molkereien, haben angesichts der Marktlage wenig Spielraum für höhere Erzeugerpreise, die wenigstens die Produktionskosten decken und einen bescheidenen Verdienst gewährleisten. Andere Märkte, Getreide, Zuckerrüben, Mast- und Schlachtvieh werden ebenso mehr oder weniger von Monopolen beherrscht und von Preisdiktaten gesteuert.  Global agierende Konzerne beherrschen den Agrarmarkt als Teil ihrer Produktpalette. 

9.      Die Agrarlobby, die Landesbauernverbände, der Deutsche Bauernverband, die dort Angestellten sitzen in den Aufsichtsräten und Vorständen, Beratungsgremien/Beratungsgesellschaften der Monopole/Oligopole und lassen sich dies gut honorieren. Bestellte Gutachten, Beratungsaufträge, Funktionen in allen der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Wirtschaftszweigen werden gut honoriert. Die Interessen der Bauern, der Familienbetriebe, der aktiven Landwirte bleiben auf der Strecke, werden geradezu verraten. Die Bauern sind das schwächste Glied in der Kette von der Produktion auf dem Feld und dem Stall  gesunder Lebensmittel bis zum Speiseteller. Dabei ist der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt/Bruttosozialprodukt zwar sehr gering, mit den vor- und nachgelagerten Wirtschaftszweigen, der landtechnischen Industrie etc., bis zum Einzelhandel und den Supermarktketten aber ganz beachtlich. Schließlich benötigt jeder Mensch, in der Bundesrepublik mehr als 80 Millionen, täglich Nahrungsmittel und Getränke.  

10. Die chemische Industrie, Dünger- und Futtermittelindustrie, industrielle Massentierhalter, große Agrarkapitalgesellschaften haben die zum Schein auf dem Papier existente Lobby der Bauern gekauft. Die Bauern, der ländliche Raum, die Dörfer leiden darunter schwer und geben auf.  

Mehr Transparenz wäre dringend nötig. Ohne Transparenz kein Rechtsstaat. Alle verantwortlichen Politiker schweigen hierzu. 

a)     Beleites, M., Leitbild Schweiz oder Kasachstan?  AbL

b)     Gerke, J., Nehmt und euch wird gegeben, das Ostdeutsche Agrarkartell, AbL

c)      Niemann, E., Der kritische Agrarbericht, 2000 bis 2012, Agrarbündnis e.V.

d)     „Unabhängige Bauernstimme“, AbL, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Bauernblatt e.V., 2000 bis 2012

e)     „Aufwind“, Juni 2012, Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen 

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