20.4 Stellungnahme zur Erbregelung
20. Wirtschaft/Gesellschaft
20.6 Offener Brief:  Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2006 an Herrn Minister Tiefensee
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20.5 Mit Transparenz zur Wahrheit und Gerechtigkeit

Viel ist in den zurückliegenden Monaten über die Offenlegung diverser Agrarsubventionen gesagt und geschrieben worden. Dabei ist die diskriminierende Benachteiligung der kleineren und mittelgroßen bäuerlichen Betriebe seit Jahren bekannt. Die zur Verfügung stehenden Agrarberichte und Buchführungsergebnisse, die jährlich ausgewertet werden und beim Bund und den Ländern verfügbar stehen, verdeutlichen dies. Dort ist dies für jeden erkennbar, der diese Ergebnisse vergleicht, auswertet und sachgerecht interpretiert. Leider hat sich die Wissenschaft bisher, da ostpolitisch nicht opportun, dieser Aufgabe entzogen, obgleich auch betriebswirtschaftlich höchst aktuell.

Über das Bundesministerium bzw. die Länderministerien sind die Berichte jeweils für jedermann verfügbar.

Daraus geht hervor, dass die Fördermittelzuschüsse, Beihilfen, Anpassungs- und Ausgleichszahlungen aus allen Fördertöpfen, EU, Bund und Ländern bei den Großbetrieben, bezogen auf die Fläche/ha und die Arbeitskräfte zum Teil doppelt so hoch liegen, als bei den kleineren  und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben. Bei der Produktivität, den Umsatz je Arbeitskraft und Hektar, liegen die Privatbauern dagegen klar vor den Kapitalgesellschaften/Agrargenossenschaften. Den Vorteil der größeren Strukturen haben die Großbetriebe dagegen zum überwiegenden Teil nicht zu nutzen vermocht.

Seit Anfang dieses Jahres besteht zudem das Informationsfreiheitsgesetz (IFG, Bundesgesetzblatt vom 13.09.2005, Teil I Nr. 57), zur Verfügung. Danach hat jeder Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen und Akteneinsichtsrecht.

Schließlich hat jeder das Recht (§ 156 GenG, §§ 335a und 9 HGB), die Jahresabschlüsse der Kapitalgesellschaften/e.G. beim Handelsregister, Genossenschaftsregister dank Offenlegungspflicht nach § 327 HGB einzusehen und Kopien anzufordern.

Schließlich wäre zu bedenken, dass jeder Arbeitslose, Hartz-IV/ Arbeitslosengeld II Empfänger, seine Einkommens- und  Vermögensverhältnisse der ganzen Familie – der Bedarfsgemeinschaft – offen legen und nachweisen muss. Dies gilt auch bei Nebenerwerbslandwirten, die ihren Hauptberuf, ihre Haupteinkommensquelle, verlieren.

Da es hierbei um die Verwendung öffentlicher Gelder geht, besteht selbstverständlich auch ein öffentliches Interesse an der Transparenz, der Verwendung unserer Steuergelder.

Wieso zudem bei der Verwendung öffentlicher Mittel – Steuergelder – für Agrarsubventionen, zumindest ab einer gewissen Größenordnung, von z.B. mehr als 100.000 €/Jahr aus verschiedensten aller diversen Fördertöpfen, kein Bedarfsnachweis erforderlich sein soll, dürfte zudem mit den Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder nicht vereinbar sein. Nicht nur eine grundsätzliche Obergrenze, Geldzufluss aller öffentlicher Gelder von 300.000 €, dürfte gerechtfertigt sein, sondern auch ein Bedarfsnachweis und eine Begrenzung pro Hektar und je  Arbeitskraft bei Gesamtfördermitteln ab z.B. mehr als 100.000 €, sollte daher auch selbstverständlich sein, wenn Glaubwürdigkeit und Gerechtigkeit nicht weiter an Boden verlieren sollen.

Schließlich geht es hier in einigen tausend Fällen um Millionenbeträge, die jährlich zur öffentlichen Verschwendung, geradezu von Veruntreuung von Steuergeldern, zur Bereicherung einiger weniger tausend führen. Dies hat nichts mit Neidgefühlen zu tun, ist sehr wohl aber eine Frage der Gerechtigkeit, des Rechts im Umgang mit öffentlichen Mitteln, dem Vertrauen in den Rechtsstaat.

Eine Förderobergrenze und ein Bedarfsnachweis ist zudem unter diesen Gesichtspunkten unerlässlich, wenn es nun solche Zahlungen von Steuergeldern an landwirtschaftlichen Betriebe von Lebensmittelgroßunternehmen und Großbetrieben geht, die die Landwirtschaft geradezu als ihr „Hobby“ betreiben, um dabei zusätzlich jährlich Millionen aus öffentlichen Fördertöpfen abkassieren.

Die erwartete Kürzung der Fördermillionen infolge EU-Osterweiterung und der danach erforderlichen Verteilung der verfügbaren Mittel auf mehr Fläche trifft die jetzt schon benachteiligten privaten Bauern, die kleinen und mittelgroßen Betriebe hart, während den Großbetrieben ihre Förderprivilegien nur wenig gestutzt werden. Und da nach den neuen Förderbedingungen, der Entkoppelung von der Produktion, die  Landwirtschaftlichen Kapitalgesellschaften ihre Fördermittel selbst bei Produktionsaufgabe weiter erhalten oder die mit den neuen Förderrichtlinien unentgeltlich erhaltenes Förderrecht meistbietend verkaufen können, stehen den millionenschweren Bereicherungen bei diesen Unternehmen, teure Förderrechtszukäufe bei den privaten Bauern und Existenzgründern – Junglandwirte – gegenüber, die so künftig kaum noch eine Perspektive sehen werden.

Dies gilt hier auch umso mehr, als die ganz überwiegende Mehrzahl der LPG-Großbetriebe im Osten, ganz gleich in welcher neuen Rechtsform, die Fördervoraussetzungen, nämlich rechtswirksame Gesamtrechtsnachfolge und ordnungsgemäße Vermögensauseinandersetzung, von Anfang an, ab 1992, nach der EU genehmigten Anpassungshilfeverordnung und den Förderrichtlinien der Länder, nicht erfüllt haben.

Nicht anders liegen die Verhältnisse gelegentlich dort, wo gut verdienende Politiker und Abgeordnete an solchen Agrarunternehmen als Inhaber beteiligt sind, und so ihr „Nebeneinkommen“ aufbessern.

Transparenz ist neben der Gewaltenteilung eine der ganz wesentlichen tragenden Säulen unserer freiheitlichen Demokratie. Dabei können hier Argumente des Datenschutzes nicht greifen, denn schließlich geht es um die Sorgfaltspflicht bei der Verwendung öffentlicher Mittel, den öffentlichen Haushalt und nicht um das Vermögen oder Einkommen der Begünstigten, denen die finanziellen Mittel aus den öffentlichen Haushalten zufließen und die nicht dem Datenschutz, sondern der öffentlichen Kontrolle unterliegen. In mehreren EU-Ländern ist es daher auch längst selbstverständlich, dass die Transparenz gewährleistet wird.

Gewaltenteilung verpflichtet a) die Parlamentarier als gewählte Vertreter des Volkes – trotz Fraktionsdisziplin – zur Kontrolle der Regierung und der Exekutiven, der Verwaltung, einschl. Staatsanwaltschaft, hier auch bezüglich der Einhaltung der Hausaltsordnung und Förderrichtlinien und b) die Judikative, die Richterinnen und Richter, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der gesetzlich festgelegten Unabhängigkeit dieser, ebenso zwingend zur „Überwachung“ und Verurteilung von Unrecht, von  Gesetzesverstößen zu den auch die unkorrekte Vergabe von Fördermitteln und ihre „Verheimlichung“ durch Ablehnung von Transparenz zählt. Die Judikative hat der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen. 

Die Abgeordneten unterliegen ihrem Gewissen, und da ist eine Prüfung und Transparenz der „Nebeneinkünfte“ kaum zu erwarten, wenn nicht doch noch eine funktionierende, freie, demokratische, parlamentarische Demokratie, d.h. eine Mehrheit, den Weg zu mehr Gerechtigkeit findet.

Im Übrigen verstößt die Benachteiligung der kleineren und mittelgroßen Privatbauern gegenüber den sehr großen und den Kapitalgesellschaften/e. G. gegen das Gleichbehandlungsgebot, das Diskriminierungsverbot auch nach den Menschenrechtskonventionen (EMRK).

Die entsprechenden Bemühungen der EU-Kommission um mehr Transparenz sind daher zu begrüßen und hoffentlich bald vom Erfolg gekrönt.

hierzu auch "Landpost", August 2006, Heft 33

 

Weitere Literaturquellenhinweise:

1.  Sächsisches Verwaltungsblatt 1/1999 (SächsVBl.)

SächsVerf Art. 59 Abs. 1 Satz 2, Art. 82 Abs. 1 Satz 1, Art. 83 Abs. 1 und Abs. 2 (sachliche Zuständigkeit; Gesetzesvorbehalt; „Übergangsbonus“)

1.      Die Begründung der sachlichen Zuständigkeit von Behörden der staatlichen Landesverwaltung des Freistaats Sachsen ist nur durch eine Regelung in einem Gesetz möglich, das dem Gesetzesvorbehalt nach Art. 83 Abs. 1 Satz 1 Sächsische Verfassung genügt. Demgemäß kann die Staatsregierung des Freistaats Sachsen diese Zuständigkeit nicht aufgrund der ihr in Art. 83 Abs. 2 Sächsische Verfassung eingeräumten Organisationskompetenz zur Verwaltungsorganisation regeln.

2.      Im Bereich der Landwirtschaftsverwaltung gibt es derzeit im Freistaat Sachen keine dem Gesetzesvorbehalt nach Art. 83 Abs. 1 Satz 1 Sächsische Verfassung entsprechende Regelung über die sachliche Zuständigkeit von Behörden, jedenfalls sowie die Erteilung oder Rücknahme von Extensivierungsprämien der landwirtschaftlichen Erzeugung in Rede steht. 

SächsOVG, Urt. 24.9.1998 – 3 S 3/96; I. VG Leipzig

Hier wurde entschieden in einer Sache betreffs Extensivierungsprämie der landwirtschaftlichen Erzeugung.  Art. 83 Abs. 1 der Sächsischen Verfassung gilt jedoch grundsätzlich für alle Fördermaßnahmen.

2.   Sächsisches Verwaltungsblatt  Heft 5/2002, dort Schneckenburger „Braucht Sachsen ein Landesverwaltungszuständigkeitsgesetz“

3.   Sächsisches Verwaltungsblatt  Heft 12/2001, SächsOVG, Beschluss vom 25.05.2001 – 2 B 56/01 zu Art. 83 Abs. 1 der Sächsischen Verfassung

4.  Landes- und Kommunalverwaltung (LKV) Heft 7/2003, Sporner, zur Zulässigkeit der Rechtsaufsicht durch das Landratsamt

5.   Landes- und Kommunalverwaltung (LKV) Heft 5/1999, Stelkens, zur Frage der persönlichen Verantwortlichkeit der Bediensteten für fehlerhafte Vergabe und Zuwendungen in den neuen Bundesländern 

20.4 Stellungnahme zur Erbregelung
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