20.16 vom süßen Leben auf dem Lande
20. Wirtschaft/Gesellschaft
20.18 Vom Auswuchs der Agrarstrukturen
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20.18 Vom Auswuchs der Agrarstrukturen

Unsere Agrarstrukturen sind gewachsen, haben sich über einen langen historischen Zeitraum so entwickelt, wie sie sich uns heute präsentieren.

Ein Blick zurück bis zur Bauernbefreiung vor etwa 200 Jahren kann dabei schon interessant sein. Vor ca. 150 Jahren entwickelten und festigten sich zunehmend bäuerliche Familienbetriebe, die dann auch Eigentümer des von ihnen bewirtschafteten Boden waren. Mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ab 01.01.1900 festigten sich die Rechtsgrundlagen. Das regional differenzierte Erbrecht, Jüngstenrecht, Ältestenrecht, Realteilung hatten ebenso bedeutenden Einfluss auf die Agrarstruktur, die Betriebsgrößen, Produktions- und Eigentumsstruktur. Die technische Entwicklung vom Dreschflegel über die in der Scheune eingebaute Dreschmaschine bis zum Mähdrescher, der Ersatz der Zugpferde durch den Traktor, die entsprechenden Fortschritte auf dem Gebiet der Bodenbearbeitungsgeräte, der Düngung, der Pflanzenzüchtung hatte und haben noch immer signifikanten Einfluss auf die Agrarstruktur.  In den letzen 100 Jahren, 2 Weltkriege, Hunger, Elend, Flucht und Vertreibung von Millionen Menschen hinterließen tiefe Spuren in der Gesellschaft und Wirtschaft.

Dann aber die wirtschaftliche Entwicklung im außerlandwirtschaftlichen Sektor. Kürzere geregelte Arbeitszeiten und  besserer Verdienst zogen vorwiegend jüngere Jahrgänge aus der Landwirtschaft ab.  Landwirtschaftlicher Vollerwerb wurde häufig zum Nebenerwerb und führte oft zur Betriebsaufgabe.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges kam es von 1945 bis 1989 in der sowjetisch besetzten Zone (SBZ) und ab 1949 der DDR aus verschiedensten Anlässen zu vielen tausenden Enteignungen, neben landwirtschaftlichen so genannter Großbetriebe auch bäuerlicher Familienbetriebe.  Mit dem Gesetz über die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG-G)  von 1952 wurden auch jene Bauern - Bodeneigentümer - entrechtet, die Eigentümer blieben. Das Nutzungsrecht von Boden und Wirtschaftsgebäuden ging auf die LPG über.

Mit der LPG-Mitgliedschaft waren Inventar- und Fondsbeiträge, Feldinventar, Vorräte, lebendes und totes Inventar in die LPG einzubringen, eigentumsrechtlich zu übergeben.

Neben dem volkseigenen Gütern (VEG) prägten in der DDR die LPGs das Leben auf dem Lande.

Unternehmerische Eigeninitiativen, unternehmerische Chancen und Risiken waren den Menschen in der DDR fremd. Das Kollektiv stand im Mittelpunkt und hatte zu tun und zu lassen, was von oben gefordert, in der Diktatur angeordnet wurde.

Dann die Wende.

Als 1989 mit dem gesamten Kommunistischen Ostblock auch die DDR wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch zusammen brach, schöpften viele Menschen Hoffnung.  Als freie Menschen, wirtschaftlicher Wiederaufbau der maroden Verhältnisse. Ende der Mangelwirtschaft an Konsumgütern und aber auch Betriebs- und Produktionsmitteln, Ersatzteile für die Technik der Betriebe und im Haus.  Das LPG-G hatte ausgedient. Mit dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz  (LwAnpG) sollte die Landwirtschaft auf neue organisatorische und wirtschaftliche Verhältnisse eingestellt und wieder aufgebaut werden. Milchleistung pro Kuh und Ertrag, Doppelzentner pro Hektar konnten innerhalb weniger Jahre tatsächlich auf das doppelte Westniveau gebracht werden.

Neben dem LPG-Gesamtrechtsnachfolgebetrieben, in der Regel in der Rechtsform der Genossenschaft (e.G. oder der GmbH) waren Wiedereinrichter die ihre einstigen Familienbetriebe von vor dem LPG-Beitritt und auch viele Neueinrichter, die einen Familienbetrieb als Einzelunternehmer (oder GbR) neu aufbauen und führen konnten, gefragt.  Heute bewirtschaften die LPG-Betriebe regional sehr unterschiedlich noch ca. 50 % der landwirtschaftlichen Fläche, währen die 2. Hälfte von Privatunternehmen - Bauern - bewirtschaftet wird.  Der Viehbestand ja 100 ha ist bei den Familienbetrieben wesentlich höher als bei den e.G./GmbH. Entsprechend wird auch der ländliche Raum von den Privatbauern gepflegt und erhalten.

Nach LwAnpG § 44 Abs. 1und Abs. 6 LwAnpG  von 1990/91 hatten die LPG-Betriebe ihr Eigenkapital, das Eigentum der LPG-Bauern war, diesen als Geschäftsanteil zuzuordnen oder auszuzahlen. Dieser gesetzlichen Pflicht, die auch für die Großbetriebe Subventions- Fördervoraussetzung war, wurde praktisch nie, nach wissenschaftlichen Feststellungen nur zu ca. 25 % erfüllt.

Dennoch haben die Bundesländer diesen Großbetrieben jährlich Millionen Subventionen/Fördermittel entgegen der Vorschriften der rechtlichen Richtlinien ausgezahlt. Bei einem privaten Bauern würden diese Fördermittel als Subventionsvergehen geahndet und zurückgefordert, sofern überhaupt ausgezahlt.

Die LPG-Betriebe wirtschaften folglich nun schon über 20 Jahre mit dem Eigenkapital, dass den LPG-Bauern rechtswidrig vorenthalten wurde und erhalten zudem noch jährlich ein mehrfaches an Subventionen, wie nachweislich nach der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), den Direktzahlungen  von der EU. Diese werden seither nach der Fläche/ha berechnet. Ein 2.000 ha LPG-Betrieb erhält folglich das 10-fache wie ein 200 ha Familienbetrieb. Bezogen auf die Arbeitskrafteinheiten (AKE) erhalten die LPG-Betriebe, wie ihre Bilanzen im Internet zeigen, in der Regel das 3 bis 10-fache je AKE, die in Familienbetrieb zudem wesentlich mehr Vieh versorgt als im LPG-Betrieb.

Dennoch sind viele LPG-Großbetriebe nicht existenzfähig, weisen seit vielen Jahren ein bedenkliches Betriebsergebnis aus.

Inzwischen wurden hunderte solche LPG-Großbetriebe von Kapitalgesellschaften, Aktiengesellschaften, Kapital-Fondsgesellschaften, von Nichtlandwirten, aufgekauft, durch Kapitalaufstockung „stille Beteiligung“  übernommen.

Oft stehen auch „Marktpartner“, Produktabnehmer dahinter, die an der Landbewirtschaftung, der Viehhaltung, der Arbeit auf dem Land, dem ländlichen Raum kaum Interesse haben. Aber die jährlich fließenden Agrarsubventionen, der I. und II. Säule aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU, des Bundes und der Länder - aus den dortigen Steuereinnahmen oder weiterer Verschuldung des Staates - werden gern abkassiert.[1],[2],[3]

Wenn gegenwärtig über die künftige Zuordnung und Begrenzung der Direktzahlungen der I. und II. Säule  nach der GAP ab 2014 im Beitrittsgebiet diskutiert wird, die Agrarminister und der Deutsche Bauernverband sowie seine Regionalverbände sich hierzu äußern und dabei die „gewachsene Agrarstruktur“ als Argument für die Fortführung der seitherigen Mittelverteilung anführen, müssen diese auf das gewachsene Unrecht hingewiesen werden, das mit unserem Grundgesetz (GG)  Artikel 1 bis 19, insbesondere Artikel 1 und 14 nicht vereinbar ist. Der Gleichheitsgrundsatz ist grob verletzt. Offene Benachteiligung der Bauern bei rechtswidriger Bevorteilung der LPG-Betriebe ist rechtlich nicht aufrecht zu erhalten.

Auch die Haushaltsordnungen der Länder, des Bundes und der EU lassen diesen Verstoß gegen die Finanzmittelverausgabung nicht zu. Danach ist mit den Finanzmitteln sparsam, verantwortungsbewusst, korrekt, gesetzeskonform umzugehen.

Das gewachsene Unrecht auf der Ebene der Agrarstrukturen ist nicht hinnehmbar!


[1] „Unabhängige Bauernstimme“ April 2012

[2]  „Der kritische Agrarbericht“ 2010 und 2011

[3] „Ostdeutsche Bodenpolitik nach 1990 …….“ Dr. Gerke

20.17 Korruption und andere Vorteile

Von aktiver Korruption wird gesprochen, wenn eine persönliche Position ausgenutzt wird um einen unerlaubten Vorteil zu erreichen. Werden Forderungen gestellt, Vorteile gewährt oder angeboten und versprochen, Schmiergeld gezahlt, so dass eine Person bestochen wird, ist dies strafbar.

Fordert ein Vorteilsnehmer einen Vorteil, kann dies bis zur Erpressung gehen. Im Strafgesetzbuch (StGB) sind die  §§ 331 ff, 108 b und 108 e Rechtsgrundlage, wenn Amtsträger, Politiker, Wähler, Abgeordnete mit solch einem Straftatbestand in Verbindung stehen. Im geschäftlichen Verkehr sind §§ 298 ff StGB maßgebend.

Dies gilt jeweils auch bei passiver Korruption, Vorteilsnahme, Bestechlichkeit. Selbst Sponsoring und Spendegewährung (Parteienspenden) an öffentliche Körperschaften können Einfallstore zur Korruption sein. Neben Bargeld - (Schmiergeld) Zahlung sind Scheingeschäfte, Scheinlieferungen, Gutachten, Beratung, Sachgeschenke, Einladungen zu Veranstaltungen, Essen, Reisen, kostengünstige oder kostenlose Leistung, oder ein gut bezahlter Job, eine Karrierezusage, evtl. auch an Angehörige, sind von Korruption belastet.

Die Abhängigkeit von einer Baugenehmigung oder eines öffentlichen Auftrags von einer materiellen Gegenleistung ist als rechtswidrige Diensthandlung, Dienstpflichtverletzung, als Korruption §§ 332 und 334 StGB strafbar. All solche Vorteilsnahme, § 331 StGB, sind kein straffreies handeln.

Dies gilt grundsätzlich nicht nur für Beschäftigte aller staatlichen Ebenen (Legislative, Exekutive und Judikative) bei denen solch Unrechtsverhalten, Bestechlichkeit, festzustellen ist, sondern auch andere „Machtpositionen“ wie Aufsichtsräte, Manager, Abgeordnete, Sportfunktionäre, Mitarbeiter können zur Korruption verführen.

Selbst Staatsanwälte, die ohnehin als Angestellte/Beamte weisungsgebunden sind, können hiervon nicht frei sein oder werden „politisch“ umgesetzt.

Gleichwohl darf hier nicht nur verallgemeinert werden, denn sicher sind in Ämtern und im Geschäftsleben auch Menschen tätig, für die Ethik, Vertrauen, ein korrektes Verhalten selbstverständlich ist, Charakter und ein sauberes Gewissen, eine saubere Persönlichkeit hohe Werte hat.

Besonders Korruption - Bestechlichkeit - gefährdet seien Niedriglohnländer, ehemalige  Diktaturen. In Diktaturen und diesen nahe stehenden Staatsformen kann Korruption - auch in Entwicklungsländern - zum politischen Prinzip gehören.

Exportierenden Firmen ist dies geläufig. Die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) weist davon zu berichten.

Gewisse Wirtschaftsbranchen wie Pharmaindustrie und Handelsdüngerindustrie können den Handel, den Ärzten, wirtschaftliche Vorteile gewähren, um mehr von ihren Produkten zu verkaufen, obgleich viele der (chemischen) Mittel der Gesundheit schaden anstatt sie zu fördern, oder bei der Stickstoff - Nitratdüngung - (auch Kalisalz) dem Grundwasser schaden und einer Bioproduktion entgegenwirken.

Grundsätzlich sind verschiedenste Formen von Korruption denkbar, so z. B. auch auf der Ebene einer Rechtsstellung, Baukostenerhöhung, Nebenkosten die im Angebotspreis nicht beziffert sind.

Rechtliche Grundlagen um Korruption zu bekämpfen fehlen nicht. In 2003 wurde von UN, den Vereinten Nationen, eine weltweite Konvention hierzu erlassen. Dieser Vertrag ist inzwischen von 159 Staaten ratifiziert, noch nicht ratifiziert hat ihn u. a. neben Syrien, Nordkorea, Japan auch Deutschland.  Mit diesem internationalen Vertrag will man in unserer globalisierten Welt auch grenzüberschreitende organisierte Korruption, Kriminalität, bekämpfen. Die Länder sollen danach auch intern klare strafrechtliche Regeln treffen, Unabhängigkeit der Justiz sichern, Verhaltenscodices für Beamte verpflichtend vorgeben, öffentliche Rechenschaftspflicht - Transparenz - bei der Verwaltung, Finanzen gewährleisten und die Bürgergesellschaft beteiligen.

Die Internationale Handelskammer (ICC) hat 1977 als Vertretung der Weltwirtschaft einen Bericht über Korruption veröffentlicht und die Regierungen aufgerufen, diese Themen auf ihre Agenda zu setzen.

Auch die EU bemüht sich mit ihren jeweiligen Mitgliedsstaaten seit nahezu 20 Jahren aktiv gegen Korruption. Mit dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) von 1999, der Europ-Polizei (EUROPOL) von 1995, der EUROP Justiz (EUROJUST) von 2002 soll hier Korruption bekämpft werden.

Ein Strafrechtsübereinkommen über Korruption des Europarates trat 2002 in Kraft, wurde aber noch nicht von allen Ländern ratifiziert, so auch noch nicht von Deutschland. Warum eigentlich noch nicht?

Die Arbeit dieser Institution soll  kohärent, übergreifend, umfassend erfolgen.

Der Bundestag hat 1997 ein Korruptionsbekämpfungsgesetz verabschiedet, das allerdings vor allem an der Abgeordnetenbestechung vorbei geht und mehr symbolischen Charakter hat. Korruption in der öffentlichen Verwaltung und Justiz führt zu besonders enormen immateriellen Schäden durch Vertrauensverlust. Härtere Korruptionsregeln scheuen die Damen und Herren im Bundestag.

Unser Parteienstaat ist offensichtlich schon weit abgefallen von ethischen Werten, Charakter, Moral, Verantwortungsbewusstsein für unsere Gesellschaft in Gegenwart und Zukunft.

Nach einem internationalen Korruptions - Wahrnehmungsindex - nimmt Deutschland mit Rang 15 einen Mittelplatz ein. Es bleibt also noch viel zu tun.

Einige Literaturhinweise:

1)        von Arnim, Korruption, Netzwerke in Politik, Ämter und Wirtschaft

2)        Transparency International FA Qs

3)        Roth, Nübel, Fromm - Anklage unerwünscht - Korruption und Willkür ….

4)        Altvater, E., Privatisierung und Korruption

5)        Huismann, Schwarzbuch WWF

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