20.10 Deutschland - Ost/West
20. Wirtschaft/Gesellschaft
20.12 Flucht aus der Verantwortung
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20.11 Zum Jahr der Genossenschaften

Mehr als 160 Jahre liegt er zurück, der Hungerwinter von 1846/47. Eine Missernte hatte die Menschen, unsere Vorfahren vor rund 5 Generationen, im damaligen Deutschland, in Europa an den Rand des Ruins gebracht.  Gewiss, ohne Dünger, ohne technische Hilfen sind die Abhängigkeiten von den Unbilden der Natur mit denen unsere Vorfahren seit Jahrtausenden fertig werden mussten, für uns heute unvorstellbar. Dürrejahre, verregnete Jahre führten regelmäßig zu regional großen Problemen, zumal die Bevölkerungsentwicklung und Krankheiten vor allem der armen Menschen das Leben schwerer machten.

Trotz fortschreitender Industrialisierung, erste Eisenbahn 1835, dem Zollverein (F. List), dem Ende der Leibeigenschaft waren die Menschen nicht frei.

Zwei Initiatoren, Raiffeisen - Bürgermeister in einen kleinen Ort bei Neuwied/ Hamm an der Sieg - und Schulze - Jurist in seiner Heimatstadt Delitzsch nahe Dresden - galten als Liberale, waren keine Revolutionäre, waren sich bewusst nicht eine Revolution, sondern „Hilfe zur Selbsthilfe“, eine „Solidarhaftung“ müsste den Menschen eine Hilfe bringen.

Die „kleinen Landwirte und Handwerker“ sollten nicht in die Hände der städtischen Wucherer fallen, so Raiffeisen. 

Nun haben die Vereinten Nationen (UN), eine internationale Organisation mit über 190 Mitgliedsstaaten u. a. mit dem Ziel, internationaler humanitärer Zusammenarbeit, Förderung der Menschenrechte, das Jahr 2012 zum „Jahr der Genossenschaften“ ausgerufen.

Ein historischer Rückblick kann dabei sehr hilfreich sein um die Lösung der aktuell anstehenden Fragen, Aufgaben und Probleme anzugehen.  Besagter Hungerwinter zwang praktisch den Zusammenhalt unter den Menschen um Überleben zu können. Dabei gingen 2 Männer mit ihren Ideen und „Führungsstil“, so würden wir heute sagen, ihren Initiativen und Organisationsfähigkeiten voran und brachten eine Organisation auf den Weg, die 2012 im Blickpunkt der UN steht.  

Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Franz Herman Schulze, damals im Alter von 30 bzw. 40 Jahren gelten als Schöpfer der modernen Genossenschaften.

1846/47, also vor der so genannten 48ziger Revolution und vor Karl Marx, gründeten beide Hilfskomitees zur Beschaffung von Getreide und Hilfen für Mühlen und Bäcker. Ihr Kampfruf „Hilfe zur Selbsthilfe“ kam bei den Menschen an und zeigte Wirkung. 1864 wurde auf Initiative von Raiffeisen der erste „Darlehenskassenverein“ in Neuwied gegründet. Er gilt als Urzelle der Raiffeisen- und Genossenschaftsbanken. Schon 1849 hatte Schulze in Delitzsch eine Schumachergenossenschaft und damit eine unternehmerische Rechtsform gegründet.

Spar- und Konsumvereine, Kreditvereine, die Vorläufer unserer Volksbanken waren damit geschaffen. Das System beruht auf „Solidarhaftung“ durch Erwerb von Genossenschaftsanteilen. Überparteilich und unabhängig vom Staat war ihnen sehr wichtig. Freiheit, Menschenrechte, Menschenwürde waren ihnen wichtig, der „Manchester-Kapitalismus“ war ihnen ein Dorn im Auge. Schulze gründete schließlich 1861 die Liberale deutsche Fortschrittspartei und setzte im Reichstag das erste Genossenschaftsgesetz durch. Mittelalterliche Zünfte, das heraufziehende Industriezeitalter hatten Deutschland, Europa und Weltweit neue Rahmenbedingungen erforderlich gemacht. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das Handelsgesetzbuch (HGB), beide am 01.01.1900 in Kraft getreten, haben weitere rechtliche Grundlagen geschaffen und Rechtsformen ermöglicht (GmbH, AG, OHG, GbR, gemeinnützige und wirtschaftliche Vereine).

Trotz aller wirtschaftlicher, politischer Umbrüche und Krisen - 2 Weltkriege, Inflation, Weltwirtschaftskrise, Oktoberrevolution von 1917, Kommunismus, bis zu unserem Grundgesetz (GG) von 1949 hat das natürlich auch weiterentwickelte Genossenschaftsgesetz seine Bedeutung behalten.  

Bis zur Unkenntlichkeit missbraucht wurde der Genossenschaftsgedanke im Kommunismus. Das LPG-Gesetz (1952 und folgende) in der DDR entrechtete die Bauern, verletzte Eigentumsrechte, Menschenrechte, Menschenwürde (Artikel 1, 2, 14, 19 GG) gravierend.

In dem Leninschen Genossenschaftsplan (§ 6 LPG-Gesetz) sollte die Gestaltung der LPG zwar freiwillig sein, doch die LPG hatte das umfassende und dauerhafte Nutzungsrecht des Bodens und der Wirtschaftsgebäude (§§ 18/19 LPG-Gesetz), Inventar- und Fondsbeiträge sowie lebendes und totes Inventar waren mit der LPG-Mitgliedschaft in die LPG einzubringen. Die private individuelle Wirtschaft war auf 0,5 ha begrenzt. Der LPG-Bauer war berechtigt und verpflichtet, in der LPG zu arbeiten (§ 31 LPG-Gesetz). Die LPG durfte auf den Boden der LPG-Bauern Gebäude und Anlagen errichten.

Mit dem Vertrag über die Wirtschafts- und Währungsunion zum 01.07.1990 und dem Beitritt der 1990 wieder gegründeten 5 Bundesländer zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland am 03.10.1990 änderte sich die Rechtslage. Das LPG-Gesetz lief per 31.12.1991 aus. Das Landwirtschaftsanpassungsgesetz vom Juni 1990 (LwAnpG) brachte neue Eigentumsrechte der Bauern. Über den Boden konnte der Eigentümer wieder verfügen, ein Vermögensanspruch sollte einen Teil des Unrechts ausgleichen (§§ 44, 45 LwAnpG). 

Der politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenbruch der DDR und des gesamten Ostblocks hat tiefe Spuren hinterlassen. Ab 1933 13 Jahren Hitlerdiktatur, 45 Jahre kommunistische Diktatur, Mangelwirtschaft, nicht nur an Konsumgütern, sondern vor allem auch Betriebsmitteln, Produktionsmitteln, auch in den Volkseigenen Betrieben, in der gewerblichen Produktion, dem Handel und den Verarbeitungsbetrieben. Gern werden diese Tatsachen verdrängt, ebenso wie die Tatsache, dass ein Großteil des DDR-LPG-Unrechts von den Nachfolgebetrieben auch und vor allem den Agrargenossenschaften und ihrer Leitung bis heute, 22 Jahre nach dem Beitritt, fortbesteht. So z. B. die unvollständige, i.d.R. nur bruchstückhafte Vermögensauseinandersetzung  nach §§ 44 und 51a LwAnpG realisiert und eine Bodenordnung bei LPG-Gebäuden auf fremden Boden der Bauern nie korrekt und bis heute oft noch nicht abschließend durchgeführt (§ 53 ff LwAnpG). Das Eigentumsrecht bleibt tief verletzt.

Auch die Tatsache, dass die ganz überwiegende Mehrzahl der LPG-Nachfolge-Agrargenossenschaften, wie ihre Bilanzergebnisse nun schon 20 Jahre beweisen, dennoch ohne die Mill. DM/€ Subventionen aller Art incl. EU-Direktzahlungen die diese jährlich erhalten, nicht existenzfähig wären, obgleich sie seit 1991 mit fremden, nach § 44 LwAnpG den Bauern nicht zugeordneten Eigenkapital wirtschaften, wird konsequent verschwiegen , und dies, obgleich die ordnungsgemäße Gesamtrechtsnachfolge und Vermögenszuordnung nach § 44 LwAnpG seit 1991 Fördervoraussetzung war. 

Der Genossenschaftsgedanke  lässt sich in der Freiheit trotz klarer gesetzlicher Vorgaben von den Verantwortlichen auf allen staatlichen Ebenen, der Legislativen, der Exekutiven, der Judikativen und der Medien sträflich zu Unrecht verbiegen, was im Beitrittsgebiet in beängstigendem Maße praktiziert wird.

Die UN sollte dies wissen und vielleicht auch einmal danach sehen. 

            UN Campus

            Verbindungsbüro Deutschland

            Hermann-Ehlers-Straße 10

            53110 Bonn 

Schließlich wird heute rund um die Welt das Genossenschaftswesen benötigt und praktiziert, vor allem auch in der so genannten 2. und 3. Welt  zur Entwicklung armer Regionen im Interesse der Ärmsten und Armen auf unserem Globus.

Aber auch bei uns haben Genossenschaften inzwischen auf vielen sozialen und gemeinnützigen Ebenen und im Dienstleitungsbereich an Bedeutung gewonnen und werden sich auch dort weiter entwickeln.  

Die Familie der Genossenschaften kennt keine Grenzen.  

www.kuchs.de

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