0.3.3.1 Fehlgeschlagene LPG-Rechtsnachfolge macht neue agrarpolitische Zielsetzung erforderlich
0.3.3 Fehlgeschlagene LPG-Rechtsnachfolge
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0.3.3.2 Probleme der fehlgeschlagenen LPG-Rechtsnachfolge

Nach §§ 4 bis 42 Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG) hat der Gesetzgeber 1990/91 klar geregelt, wie die Land­wirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) umstruk­turiert bzw. aufgelöst werden können. Alternativen zu den dort rechtlich normierten Bedingungen gibt es nicht - Numerus clausus! Das LwAnpG als lex speziales regelt die Transforma­tion und Umstrukturierung der LPG in den Rechtsstaat Bundes­republik Deutschland gemäß Einigungsvertrag abschließend. Hiervon abweichenden Versuchen der Umgehung haben die Gerichte, der BGH aber auch Landgerichte und Oberlandesge­richte, ab 1992/93 regelmäßig eine klare Absage erteilt. So z. B. LG Chemnitz 4 HKT 629/93 vom 10.02.1994, Bezirksgericht Cottbus 4 T 141/92 vom 1.9.1992, OLG Rostock 2 W 14/93 vom 21.6.1993, OLG Naumburg 5 W 18/93 vom 9.2.1994, BGH LwZR 1/97 vom 7.11.1997, BLw 21/00 vom 27.4.20011.

 

Voraussetzung einer wirksamen Umwandlung im Sinne des Gesetzes sind danach die Vorlage eines Umwandlungsbe­chlusses (§§ 25, 26 LwAnpG) der LPG-Vollversammlung mit dem Ziel der Umwandlung in eine neue zulässige Rechtsform. Wahrung der Identität der LPG in die neue Rechtsform, wobei Bilanzaktiva, - Passiva und Eigenkapitalquote je LPG-Mit­glied/ehemalige LPG-Mitglied/Erben in der logischen Sekun­de vor und nach der Umwandlung identisch sein müssen (§ 5 LwAnpG). Die beschlossene gewählte Rechtsform muss gemäß LwAnpG zulässig sein und auch gemäß Vollversammlungsbeschluss umgesetzt werden, d.h. in das neue Register eingetra­gen werden.

 

I. Rechtsformen

Nach LwAnpG a. F., dass noch von der DDR-Volkskammer im Juni 1990 verabschiedet wurde, war im Falle der Umwand­lung zunächst nur die eingetragene Genossenschaft als neue Rechtsform vorgesehen. Mit der ersten Novelle zum LwAnpG n. F. vom Juli 1991 wurden vom Deutschen Bundestag auch an­dere Rechtsformen, nämlich Kapitalgesellschaften und Perso­nengesellschaften durch Umwandlung zugelassen (§ 39 LwAn­pG). Im Falle der Teilung konnten auch bereits nach LwAnpG a. F. Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften entste­hen. Für kooperative Einrichtungen galt dies entsprechend (§ 39 Abs. 2 LwAnpG)2.

 

Nach §§ 4 bis 22 LwAnpG gelten die Vorschriften zum Form­ wechsel durch Umwandlung §§ 23 bis 40 LwAnpG für die Tei­lung und den Zusammenschluss entsprechend. § 5 LwAnpG schreibt dabei einen Teilungsplan vor, der die Details der Iden­tität beinhaltet und nachvollziehbar dem Registergericht mit der Anmeldung zur Eintragung vorzulegen ist. Danach muss bei der Teilung einer LPG jedes Wirtschaftsgut der Bilanzakti­va und Passiva nachvollziehbar überprüfbar einer neuen LPG oder einem Unternehmen neuer Rechtsform, ebenso wie das Eigenkapital den LPG-Mitglieder quotal, zugeordnet werden. Nur dann ist die Identität gewahrt. Abweichungen hiervon ver­stoßen gegen das Interesse der Rechtssicherheit und den Eigentumsschutz der Mitglieder und damit gegen den im Ver­bandrecht geltenden rundsatz des Numerus clausus3.

 

II. Folgen der Umstrukturierung:

Sind o. g. Voraussetzungen nicht erfüllt, kann es keine Hei­lung der Mängel durch Eintragung in das Register geben. Auch eine eventuelle weitere Novelle des LwAnpG mit dem Ziel der Schaffung von Heilungsvarianten würde gegen die unseren Rechtsstaat tragende Notwendigkeit der Rechtssicherheit und des Eigentumsschutzes und damit gegen Grundrechte versto­ßen. Abgesehen davon, dass neben den hiervon betroffenen Rechten und Pflichten nach § 44 LwAnpG, eine ganze Reihe weiterer Rechtsgebiete von der fehlgeschlagenen Umwand­lung/Teilung tangiert sind. Die Bilanzen sind nichtig, Prüfungs bestätigungsvermerke sind zurückzunehmen.

 

Der das HGB tragende Gläubigerschutz ist verletzt.

Fördermitteln aus öffentlichen Kassen, Landesbürgschaft, BVVG, Pachtverträge, begünstigter Flächenerwerb, Altschul­denregelung ist auch aufgrund der falschen Betriebskonzepte die Rechtsgrundlage entzogen.

 

Grundbücher sind falsch aufgrund rechtswidriger Gebäude­zuordnung Kaufpreisteilung für den Boden sind nach Sachenrecht und Bodenordnung nichtig.

 

Banken könnten die Finanzierung einstellen.

Die Vorschriften der Sorgfaltspflicht §§ 13, 39 LwAnpG a. F. und ihre Haftungsfolgen gelten nach BGB/HGB/DM-Bilanzgesetz auch für die Geschäftsführung und Aufsichtsrat der neuen Unternehmen fort.

Wenn es zutrifft, wie eine wissenschaftliche Untersuchung der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Jena be­sagt, wonach mehr als 10 % der Umwandlungen fehlgeschla­gen sind, so mag dies verschiedenste Ursachen haben. Zusätz­lich sind bei der in der Regel der Umwandlung vorausgegange­nen Teilung der LPG Pflanzenproduktion auf 2 oder mehrere LPG Tierproduktionen des jeweiligen Territorium und/oder den Zusammenschluss jeweils mit einer LPG Pflanzenproduk­tion oder eines Teils davon mit der LPG bzw. mehreren LPG Tierproduktion schätzungsweise doppelt so viele Fälle ge­scheitert, wie die fehlgeschlagenen Umwandlungen, die nicht nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes, vor allem nicht identitätswahrend, versucht worden und fehlgeschlagen sind. Hinter den von der Universität Jena festgestellten 11 % fehlgeschlage­ner Umwandlungen der „Rechtsträger" stehen etwa 30 % der LPG. Die praktischen Erkenntnisse und Erfahrungen deuten eher darauf hin, dass die „Durchfallquote" bei der Teilung und dem Zusammenschluss noch wesentlich höher sein dürfte. Die Folge daraus ist, dass das LPG-Vermögen, die Aktiva und Passi­va, nicht auf die neue „zusammengeschlossene" LPG überge­gangen und die nachfolgende „Umwandlung" rechtlich ohne Vermögen ins Leere gegangen ist. Ob durch einen solcherma­ßen gefassten „Umwandlungsbeschluss" ein neugegründetes neues Unternehmen entstehen konnte, ist zumindest fraglich. Hier dürften selbst den Heilungsmöglichkeiten durch Eintra­gung in das Handelsregister/Genossenschaftsregister Grenzen gesetzt seien. Die persönliche Haftung der „Neugründer", des gescheiterten Umwandlungsbeschlusses, bis zur Registerein­tragung ist hier sicher ein weiteres Problem, das unterschätzt wurde.

 

Wird dagegen eine LPG (ohne Teilung/Zusammenschluss oder bei wirksamer Teilung/Zusammenschluss) unwirksam umgewandelt, so ist diese zwar fehlgeschlagen, hat das Vermö­gen von der LPG nicht übergehen können, besteht aber als Neugründung ohne Vermögen fort. Mit der Inbesitznahme des Vermögens entsteht dann zwar ein neues Unternehmen aber kein Eigentum und kein Eigenkapital.

Mit Feststellung der fehlgeschlagenen Rechtsnachfolge kann jedes LPG -Mitglied/ehemaliges LPG-Mitglied oder Erbe beim Registergericht die Bestellung eines Liquidators beantra­gen. Da das Rechtsschutzbedürfnis bezüglich der Vermögens­ansprüche nach § 44 LwAnpG, aber auch aus anderen Grün­den, z. B. LPG Gebäude auf fremden Boden, Altlastenbeseiti­gung, Nutzungsentgelt für die mit LPG Gebäuden bebauten Boden, vorliegt. Aus gleichem Grunde, aufgrund dieses Rechts­schutzbedürfnisses, kann die Feststellung der fehlgeschlage­nen Rechtsnachfolge gerichtlich beantragt werden. Ein im LPG-Register bereits fälschlicherweise eingetragener Lö­schungsvermerk ist durch Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens zu löschen4. Die rechtlichen Grundlagen zur Bestellung eines Liquidators von Amts wegen fehlen leider noch.

 

Das Eigenkapital gehört der LPG i.L. bzw. ist den LPG-Mit­gliedern und Vermögensanspruchberechtigten zuzuordnen. Aufgrund der zu erwartenden Begrenzung der EU Fördermittel und der neuen Altschuldenregelung werden auch wirksam ge­teilt und umgewandelte LPG-Nachfolgeunternehmen Liquidi­tätsprobleme bekommen. Die Agrarberichte der Bundesregie­rung und der Bundesländer bestätigen dies. Das Eigenkapital hat bei den Kapitalgesellschaften selbst vom Wirtschaftsjahr 1994/95 bis 1998/99 von 3 609 DM pro ha auf 3 592 DM pro ha abgenommen. Von einer abgesicherten wirtschaftlichen Auf­wärtsentwicklung, von einer Stabilisierung der LPG-Unter­nehmen kann keine Rede sein. Allein unter Berücksichtigung der Inflationsrate wäre eine Eigenkapitalbildung von mindes­tens 100 DM pro ha/Jahr erforderlich. Bei 30 Arbeitskräften sind dies nur 5 300 DM pro AK/Jahr und wäre langfristig sicher zu wenig. Bei null Eigenkapitalbildung wird schon allein aufgrund der Inflationsrate von der Substanz gezehrt. Dabei ist zu beach­ten, dass ein erheblicher Teil des von den LPG-Unternehmen ausgewiesenen Eigenkapital noch bis zur Verjährung von den LPG-Mitgliedern als Abfindung nach § 44 Abs. 1 LwAnpG gel­tend gemacht werden kann5.

 

III. Konsequenzen für die Agrarpolitik

Notwendig wird daher eine neue zielgerichtete Agrarpolitik. Dabei müssten die LPG-Unternehmen auf etwa 1/4 ihrer bishe­rigen Kapazitäten, auf etwa 400 ha im Durchschnitt von seither 1.600 ha gemäß Agrarbericht, gesundschrumpfen. Die ehrlich wirtschaftenden, korrekt finanzierten privaten Bauern müssten die freiwerdenden LPG-Kapazitäten übernehmen. Aus den Erlösen müssten die LPG-Unternehmen bei fehlender Rechts­nachfolge dem Liquidators das 1991 übernommene LPG-Ver­ mögen zuzüglich Pacht, Nutzungsentgelt für das zurückliegen­de Jahrzehnt zahlen und im übrigen Altschulden tilgen. BVVG-Pachtverträge wären den LPG-Unternehmen aufgrund des falschen Betriebskonzepts und dem damit verbundenen Weg­fall der Geschäftsgrundlage zu kündigen. Das Land wäre an die privaten Bauern zu verpachten, die mit korrektem Betriebskon­ zept ehrlich wirtschaften und ihr Unternehmen korrekt finan­ziert haben. Die privaten Bauern könnten so expandieren, die Tierhaltung ausdehnen, neue Arbeitsplätze schaffen und si­chern. Die staatliche Förderung wäre grundsätzlich unter Be­rücksichtigung der Dorfentwicklung und des ländlichen Rau­mes neu zu orientieren. Die Gebäudezuordnung durch die Oberfinanzdirektion, die Gebäudegrundbuchblätter, Grund­bücher, Registergerichtseintragung wären, vor allem vom Re­gistergericht und Grundbuchamt, zu überprüfen und zu berich­tigen. Dabei haben die Registergerichte insbesondere auch die LPG-Teilung und Zusammenschlüsse - neben den Umwand­lungsvorgängen - gemäß §§ 4 ff. LwAnpG zu prüfen. Nur so kann das Vertrauen in den öffentlichen Glauben der Grund­bücher und Registereintragung wieder hergestellt werden. Schließlich hätten LPG-Mitglieder/ehemalige LPG-Mitglieder oder Erben die Möglichkeit die Vermögensauseinanderset­zung zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen, Nutzungsent­gelte für Grund und Boden, auf dem LPG Gebäude stehen, ge­mäß Gesetz rückwirkend ab Juli 1992 nachzufordern. LPG Alt­lasten wären im Rahmen der Förderung der dörflichen Ent­wicklung und des ländlichen Raumes auf Staatskosten zu be­seitigen. Altschulden und Steuern hat der Staat zu erlassen, so­ weit ihre Tilgung zur Kürzung der Ansprüche nach § 44 Abs. 1, Ziff. 1, 2 LwAnpG führen würde, denn schließlich hat der Staat die Fehlentwicklung mit den LPG-Unternehmen seit 1991 mit zu vertreten und ist für die jetzige Situation mit verantwortlich.

 

Nur eine rückhaltslose Offenlegung der Unrechtstatbestän­de und eine mit rechtsstaatlichen Grundsätzen - mit Treu und Glauben - zu vereinbarende Lösung kann den verloren gegan­genen öffentlichen Glauben in die Registergerichte, die Grund­bücher, das Vertrauen in den Rechtsstaat, den Glauben an Justitia (Gerechtigkeit) wieder herstellen.

 

Politischer Handlungsbedarf besteht. Vor allem Registerge­richte (HGB), Grundbuchämter (GBO), OFD, Bodenordnungs­ämter, WP/Prüfungsverbände (WPO), Förderrichtlinien der EU, des Bundes und der Länder, sind durch zwingende rechtliche Vorschriften so zu gestalten, dass die festgestellten Mängel ab­gestellt werden und künftig nicht mehr vorkommen können. Die praktische Umsetzung des Rechts ist von neutralen Stellen fortlaufend zu überprüfen und offen zu legen. Die agrarpolitischen Ziele sind neu und klar zu definieren. Die seither weit verbreitete Verweigerungshaltung zahlreicher LPG-Freunde gegenüber bundesdeutschen Rechtsvorschriften ist zu been­den!

Die Lösung des Problems fehlgeschlagener Umwandlung und Teilung kann nicht den neuen Unternehmen überlassen werden, da nicht zu erwarten ist, dass dann jemals rechtsstaatli­che Verhältnisse in den Dörfern einziehen. Schließlich haben die Verantwortlichen der LPG-Unternehmen durch ihre Ver­weigerung gegenüber der Umsetzung des LwAnpG bewiesen, dass sie zu einer gerechten Lösung nicht bereits sind. Ihre Ver­weigerung gegenüber den ehemaligen LPG-Mitgliedern der Vermögensauseinandersetzung bestätigt noch immer täglich ihre Ablehnung gegenüber rechtsstaatlichen Verhältnissen. Auch die erneute Prüfung der Umwandlung und Vermögens­auseinandersetzung zwecks Flächenerwerb und Altschulden­regelung durch die Exekutive verspricht nichts, nach dem alle seitherigen Prüfungen seit 1992/93 gemäß damaliger Land­tagsbeschlüsse ins Leere gegangen sind und sich als „Null­nummern" erwiesen haben. Die „Persilscheine" wurden je­weils rechtswidrig ausgestellt, die Förderungen wurden rechts­widrig gewährt und heute steht man vor dem Scherbenhaufen, oder, wie ein Referent anlässlich des o. g. Rechtsforums in Jena zum Ausdruck brachte, vor dem juristischen Supergau. Da hier auch die Gewaltenteilung in unserem Rechtsstaat versagt hat, Kontrollen unterlassen wurden und trotz offenkundig seit Jah­ren bekannter Fehlentwicklung der Agrarstruktur, nötige Kon­sequenzen unterblieben sind, wird es schwer werden, dieses Unrecht zu beseitigen. Die Mitverantwortlichen werden sich zu ihren Fehlern nicht bekennen. Strafrechtliche Folgen wie bei Bilanzfälschungen, Bestechung, Veruntreuung und Bereiche­ rungen u. a. in einzelnen Verwaltungs- und Konzernfällen im Inland und Ausland konnten hier flächendeckend vom Erzge­birge bis zur Ostsee notwendig werden, denn schließlich gab es in der DDR mehr als 4000 LPG'n.

 

1)RdL 1998, 222, ZR1/97 und RdL 2001, 216 BLw 21/00.

2) RdL 2001,272; BGH, BLw 45/98 vom 5.3.1999.

3) RdL 2002, 122, OLG Dresden 15 W 1129/00 vom 18.10.2000.

4) RdL 2002,123 a.a.O.

5) GuG 2000, 54 ff. (Urteil vom 28.4.1999 - XIIZR 150/97).

0.3.3.1 Fehlgeschlagene LPG-Rechtsnachfolge macht neue agrarpolitische Zielsetzung erforderlich
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