0.3.3 Fehlgeschlagene LPG-Rechtsnachfolge
0.3.3.2 Probleme der fehlgeschlagenen LPG-Rechtsnachfolge
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0.3.3.1 Fehlgeschlagene LPG-Rechtsnachfolge macht neue agrarpolitische Zielsetzung erforderlich

Seit nunmehr zehn Jahren sind die Probleme um die in vielen Fällen fehlgeschlagene

Rechtsnachfolge in Verbindung mit der Umstrukturierung der LPGs nach LwAnpG

bekannt.


In all den Jahren haben Gerichte, so auch der BGH in seinen Urteilen, klargestellt,

daß die gleichen gesetzlichen Voraussetzungen wie bei der Umwandlung auch bei

der häufig vorangegangenen Teilung - in der Regel der LPG (P) - und dem Zusammenschluß

- mit einer oder mehreren LPG (T) - von LPGs erfüllt sein müssen. Danach muß

jeweils die LPG-Vollversammlung


a) einen Beschluß zur Teilung bzw. zum Zusammenschluß oder einen Beschluß zur

Umwandlung gefaßt haben

b) dabei muß die Identität gewahrt werden und

c) muß die gewählte Rechtsform nach Gesetz zulässig sein


Nach einer neueren wissenschaftlichen Untersuchung der juristischen Fakultät

der Universität Jena von mehr als 1700 LPG-Unternehmen, sollen rund 11% nicht

wirksam umgewandelt sein, mit der Folge, daß das LPG-Vermögen nicht auf das

neue Unternehmen übergegangen ist und für die LPG nachträglich vom Registergericht

ein Liquidator bestellt werden muß.


Nach all den Erfahrungen aus vielen Vermögensauseinandersetzungsverfahren beim

Landwirtschaftsgericht und nach Einsichtnahme in die LPG-Registerunterlagen

- Vollversammlungsbeschlüsse, Berichte, Bilanzen, Registereintragungen - von

1990/91 - Bilanzen bis 1994 und später - sind die unheilbaren Mängel bei Teilung

bzw. Zusammenschluß mindestens doppelt so häufig anzutreffen als bei der Umwandlung.


Landgericht und OLG in Dresden haben dies in einem Urteil unmißverständlich

verdeutlicht - OLG Dresden, 3W 1286/96 vom 07.04.1997, LG Dresden, 2T 923/95

vom 06.10.1995.


Ist das LPG-Vermögen mit der Teilung/Zusammenschluß nicht vollständig nahtlos

und nachweisbar gemäß Teilungsplan (§ 5 LwAnpG) auf die neue LPG übergegangen

und haben LPG-Mitglieder bei diesem Vorgang nicht ihre Quote am Eigenkapital

identisch mitbekommen, ist die Identität nicht gewahrt, die Teilung und der

Zusammenschluß sind gescheitert. Die neue LPG, das neue LPG-Unternehmen, kann

über das Vermögen nicht verfügen, da dieses bei der ursprünglichen LPG geblieben

ist.


Eventuelle Grundstücksgeschäfte - Gebäude/Boden - sind nicht wirksam, da eine

Gesamtrechtsnachfolge gem. § 40 GBO analog wie bei einer Erbschaft nicht vorliegt.


Wurde so dann die fehlgeschlagene neue und zusammengeschlossene LPG (T + Teil

P) ohne wirksame Teilvermögensübernahme umgewandelt, z. B. in eine e. G., kann

diese nicht Rechtsnachfolgerin, weder der (P) noch der (T) sein, da die neue

LPG mangels wirksamem Zusammenschluß - fehlgeschlagene Vermögensübernahme -

schon nicht Rechtsnachfolger der einzelnen LPGs sein konnte.


Zu den fehlgeschlagenen LPG-Umwandlungen von rund 11% kommen daher noch schätzungsweise

mindestens 20% fehlgeschlagene Teilungen bzw. Zusammenschlüsse.


Hat man seitens aller staatlicher Stellen - vor allem der Exekutive - seither

trotz regelmäßiger Veröffentlichungen in der Fachpresse und oft klarem Wissen

um die Sachverhalte in vielen praktischen Fällen diese Problematik mißachtet,

wird nunmehr offensichtlich der Boden unter Füßen doch zu heiß, denn schließlich

sind die Konsequenzen gravierend:


· Alle Bilanzen der neuen Unternehmen sind trotz Prüfung und Bestätigungsvermerk

nichtig, da das seit 1991/92 ausgewiesene Vermögen bei der LPG verblieben ist.

Aufgrund der eigenen erwirtschafteten Verluste sind die neuen Unternehmen meist

deutlich überschuldet.

· Alle öffentlichen Fördermittel, Landesbürgschaften, Altschuldenentlastung,

BVVG-Landpachtverträge, begünstigter Flächenerwerb, hätten nie gewährt werden

dürfen und sind zu korrigieren.

· der LPG-Vorstand haftet nach § 3a LwAnpG, der Vorstand des neuen Unternehmens,

dem die Tatsache ebenfalls häufig bewußt war, kann ebenfalls persönlich für

Vermögensschäden der LPG-Mitglieder/Erben sowie Darlehensgebern haften.

· bei der Zusammenführung von Gebäude und Grund und Boden, bei Bodenordnungsverfahren,

wurden Gebäude erfaßt, die eigentumsrechtlich noch der LPG und nicht dem neuen

Unternehmen zuzuordnen waren. In vielen Fällen hat die Oberfinanzdirektion ungeprüft

die Gebäude rechtswidrig den neuen Unternehmen zugeordnet, Grundbuchämter haben

Eigentumsvorbehalte/Belastungen eingetragen und Ge-bäudegrundbuchblätter angelegt.

Notare und Grundbuchämter haben bei notariellen Verfahren fälschlicherweise

Gebäude mit Boden - wie bei Bodenordnungsverfahren - zugunsten des neuen Unternehmens

beurkundet und eingetragen. Eine Prüfung dieser Vorgänge und Grundbuchberichtigung

ist erforderlich. Registergerichte müssen die öffentlichen Glauben genießenden

Register korrigieren, nachdem in 1991/92/93 nahezu ungeprüft alles eingetragen

wurde, was von den LPGs vorgelegt wurde. Eine registergerichtliche Prüfung -

auch der LPG-Löschungen - ist daher unerläßlich.

· Der größte Teil des in den Bilanzen der neuen Unternehmen ausgewiesenen Eigenkapitals

gehört den LPGs i. L. bzw. den LPG-Mitgliedern und ist diesen zuzuordnen.

· Die nichtigen Bilanzen verstoßen gegen den Gläubigerschutz nach HGB, DM-Bilanzgesetz

(und LwAnpG) und können für die Geschäftsleitung und die Prüfer schwerwiegende

Haftungsfolgen haben.

· Für die wieder auflebende LPG ist vom Registergericht ein Liquidator zu bestellen,

der das Vermögen vom neuen, Nichtrechtsnachfolgeunternehmen zurückzufordern

hat bzw. dieses in Rechnung stellen muß, da die Inbesitznahme des LPG-Vermögens

vom neuen Unternehmen ohne Rechtsgrundlage rechtswidrig erfolgte. Daß es dabei

auch zu Insolvenzen kommen kann, ist zu erwarten.


Ein "Heilungsversuch" in Form einer neuen Novelle zum LwAnpG, wie kürzlich von

zwei Fachministern aus Dresden vorgelegt, muß offenkundig als untauglicher Versuch

zur "Umwandlung" des DDR-LPG-Unrechts in bundesdeutsches Recht zurückgewiesen

werden. Nur eine korrekte, offene, ehrliche Aufarbeitung des LPG-Unrechts, eine

Offenlegung der rechtsgrundlosen Vermögensübernahme durch die LPG-Unternehmen

und den daraus resultierenden Konsequenzen kann eine zukunftsweisende, tragende

Lösung für die Probleme in den Dörfern sein.


Nachdem mit der neuen Altschuldenregelung und der künftigen Kürzung der EU-Fördermittel

weitere agrar-politische Maßnahmen wirksam werden, muß die logische Folge für

die in größerer Zahl in Liquiditätsprob-leme kommenden LPG-Unternehmen eine

neue agrarpolitische Zielsetzung sein.


· Die LPG-Unternehmen sollten auf ein Viertel "gesundschrumpfen", auf 400 ha

statt seither 1600 ha (im Durchschnitt gemäß Agrarbericht).

· Die ehrlich finanzierten privaten Bauern (Haupterwerb, Nebenerwerb, Existenzgründer,

Wieder- und Neueinrichter) müssen die frei werdenden "LPG-Kapazitäten" erwerben

(Wert: Stand 2002).

· Mit dem Erlös müssen die LPG-Unternehmen - sofern sie diese Roßkur wirtschaftlich,

organisatorisch und persönlich überstehen - bei fehlender Rechtsnachfolge dem

Liquidator das 1991 übernommene LPG-Vermögen (Wert: Stand 31.12.1991) zuzüglich

Pacht, Nutzungsentgelt, Verzinsung seit 1992 bis 2001 zahlen.

· Pachtverträge (insbesondere auch die BVVG-Pachtverträge, denen das jeweilige

Betriebskonzept mit nichtiger Bilanz der LPG-Unternehmen zugrunde liegt) sind

auf die privaten, ehrlich finanzierten, mit realistischem Betriebskonzept wirtschaftenden

Bauern zu übertragen.

· Die privaten Bauern expandieren auch auf dem Gebiet der Tierhaltung. Dadurch

werden neue, sichere Arbeitsplätze geschaffen und erhalten.

· Die staatliche Förderung ist umzustellen und hat dabei die Dorfentwicklung

und den ländlichen Raum zu berücksichtigen. LPG-Altlasten sind auf Staatskosten

zu beseitigen.

· Grundbücher sind zu berichtigen, Gebäudezuordnungen durch die OFD, Registergerichtseintragungen,

Flächenerwerbsverträge sind zu überprüfen und zu berichtigen.

· Drohende Verjährungsfristen, § 3b LwAnpG, sowie für mögliche Schadensersatzansprüche

und Nut-zungsentgeltforderungen sind zu verlängern, die Vorgänge §§ 4 bis 42

LwAnpG sind zu prüfen und dem Gesetz entsprechende Konsequenzen müssen folgen.

· Umwandlungsbeschlüsse sowie Vollversammlungsbeschlüsse zur Teilung und zum

Zusammenschluß der LPGs sind vom Registergericht zu überprüfen. Eine Überprüfung

durch die Verwaltung, die Exekutive und von ihr beauftragter Personen kann nach

all den Erfahrungen mit solchen Prüfungen aus dem zu-rückliegenden Jahrzehnt

kein Vertrauen schaffen.

· LPG-Mitglieder und ihre Erben erhalten so die Möglichkeit, ihre Ansprüche

nach § 44 (1) LwAnpG zu überprüfen und erneut geltend zu machen. Abfindungsvereinbarungen

können nur Bestand haben, wenn die LPG-Unternehmen das Eigenkapital nach § 44

(6) LwAnpG korrekt ermittelt und gemäß § 44 (1) LwAnpG quotal richtig zugeordnet

und den LPG-Mitgliedern mitgeteilt und erläutert haben.


Nur eine offene, ehrliche, dem Gesetz und Recht entsprechende Aufarbeitung des

seither festzustellenden LPG-Umwandlungs-Chaos kann zu einer tragfähigen Lösung

führen, die auch das erheblich angeschlagene und geschädigte Vertrauen in den

Rechtsstaat wieder herstellt. Die politische Verantwortung für die desolate

Situation und ihrer Tragweite liegt bei den Agrarministern der fünf neuen Bundesländer.


Nach gegenwärtiger Situation muß davon ausgegangen werden, daß die Transformation

der DDR-Landwirtschaft in den Rechtsstaat BRD in erheblichem Maße mißlungen

ist. Treu und Glauben, öffentlicher Glauben, Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit,

die Gewaltenteilung und die Justitia sind erheblich beschädigt.


Für sogenannte Heilungsvarianten und "stille Abwicklung", bei der ohne Liquidator

praktisch kein vermö-gensanspruchsberechtigtes LPG-Mitglied oder Erbe etwas

vom LPG-Vermögen zu sehen bekommt und das gesamte LPG-Unrecht vertuscht wird,

die Auflösung der LPG jeglicher Kontrolle entzogen wird, ist hier kein Raum.


Dieses, infolge fehlgeschlagener Rechtsnachfolge und einer Vertuschung entstandene

gegenwärtige Unrecht kann nicht heilen, ist unheilbar. Jede Heilungsvariante

würde daher gegen das Ziel des Gesetzes, gegen das LwAnpG, aber auch gegen den

Einigungsvertrag, der seinen Niederschlag im Grundgesetz gefunden hat, und daher

auch gegen das Grundgesetz verstoßen.


Nur eine rückhaltlose Offenlegung der Unrechtsbestände und eine mit rechtsstaatlichen

Grundsätzen - mit Treu und Glauben - zu vereinbarende Lösung kann den verloren

gegangenen öffentlichen Glauben in die Registergerichte, die Grundbücher, das

Vertrauen in den Rechtsstaat, den Glauben an Justitia (Gerechtigkeit) wieder

herstellen.


Politischer Handlungsbedarf besteht. Vor allem Registergerichte (HGB), Grundbuchämter

(GBO), OFD, Bodenordnungsämter, WP/Prüfungsverbände (WPO), Förderrichtlinien

der EU, des Bundes und der Länder, sind durch zwingende rechtliche Vorschriften

so zu gestalten, daß die festgestellten Mängel abgestellt werden und künftig

nicht mehr vorkommen können. Die praktische Umsetzung des Rechts ist von neutralen

Stellen fortlaufend zu überprüfen.


Die Einhaltung seitheriger und künftiger Gesetzesregelungen und übriger Vorschriften

ist neutral zu kontrollieren und offenzulegen.


Die agrarpolitischen Ziele sind neu und klar zu definieren. Die seither weit

verbreitete Verweigerungshaltung zahlreicher LPG-Freunde gegenüber bundesdeutschen

Rechtsvorschriften ist zu beenden!


(Juli 2002)

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