22.8 Zum Stand der Einheit
22.  Recht und Unrecht
22.10 Fakten gegen Vorurteile
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22.9 Verdrängt und verschwiegen

Seit Jahren wird über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in den Fachzeitschriften berichtet. Wie soll es nach 2013  weiter gehen, ist die Frage. Die Notwendigkeit der anstehenden Reform lässt sich nicht ignorieren.

Die Kernfrage der seit mehr als 10 Jahren gegen  die Bauern - Familienbetriebe - in Ost und West praktizierte Ungerechtigkeit wird dabei nur von ganz wenigen agrarpolitisch, gesellschaftlich Interessierten offen angesprochen.

Jeder Bauer sieht es jährlich auf seinem Konto, wenn die Direktzahlungen der GAP von der EU eingehen. Berechnet nach bewirtschafteter Fläche gibt es reichlich 300 €ha, unabhängig davon, wie viel Arbeitskräfte der Familie und Lohnarbeitskräfte beschäftigt sind, ob ohne oder mit Viehhaltung, wie viel Großvieheinheiten, Milchkühe oder arbeitsextensiver Viehhaltung. Der Produktionsumfang ist seit 2002 infolge der Umstellung der Subventionierung von den Interventionspreisen auf die Fläche nicht mehr von Bedeutung. Ziel der Direktzahlung war von Anbeginn ein Existenz sicherndes Einkommen, der in der Landwirtschaft Beschäftigten zu gewährleisten. Ein Bedarfsnachweis existiert nicht. Seit der Umstellung von den Interventionspreisen mit Entkoppelung in 2002 nimmt das Unrecht seinen Lauf.

Ein 50 ha Betrieb erhält rund 16.000 €/Jahr. Mit 80 Milchkühen und Jungvieh/Nachzucht und 4 AK sind dies 4.000 €/AK. Bei geringer oder extensiver Viehhaltung und 2 AK gibt es schon 8.000 €/AK. Beim 100 ha Betrieb ohne Viehhaltung und 1 AK erhält dieser reichlich 30.000 €, wenngleich diese 100 ha ohne Viehhaltung auch im Nebenerwerb bewirtschaftet werden können und das Haupteinkommen reichlich sein kann.

Die 500 ha bis über 5.000 ha Agrarkapitalgesellschaften in Ostdeutschland, gegründet in der DDR nach LPG-Gesetz, Zwangskollektivierung in 1960, Entrechtung der Bauern bei weitgehendem Inventar - Betriebsvermögensentzug - erhalten, gerechnet nach Fläche je AK nicht selten über 50.000 €/Jahr.

Im Rahmen der Umwandlung der LPG zu Agrargenossenschaften/GmbH in 1991 wurde in kaum einem Fall eine ordnungsgemäße Vermögensauseinandersetzung nach LwAnpG durchgeführt, so dass die einstigen Bauern/ihre Erben oft weniger als 20 % dessen erhalten haben, was ihnen rechtlich zugestanden hat.  Noch heute wird mit dem einst zwangskollektivierten Vermögen/Eigenkapital gewirtschaftet, sofern dieses nicht inzwischen aufgebraucht wurde.

Wie in vielen hunderten Verfahren bei den Landwirtschaftsgerichten seit 1991 bewiesen wurde, haben die LPG-Nachfolgerbetriebe in weniger als 10 % der Fälle eine dem Gesetz (LwAnpG) entsprechende ordnungsgemäße Vermögensauseinandersetzung durchgeführt. Dabei war dies nach der Anpassungshilfeverordnung von 1991 Fördervoraussetzung.

Dort heißt es:

(Zweite Landwirtschaftsanpassungshilfeverordnung 1992 - LaAV2/92) vom 20.07.1992 unter anderem

„(4) Antragsteller, die durch Umwandlung Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften entstanden sind, haben der Bewilligungsbehörde auf Verlangen Unterlagen über die ordnungsgemäße Erfüllung von Abfindungsansprüchen nach § 44 des LwAnpG vorzulegen.“ 

Die Landesregierungen der 5 wieder gegründeten Bundesländern in Ostdeutschland haben jedoch ungeprüft bzw. nicht korrekt geprüft Subventionen an die LPG-Nachfolgebetriebe ausgezahlt und zwar selbst dann, wenn, wie aus vielen Registergerichtsakten und LPG-Vollversammlungsbeschlüssen von 1991 bekannt, keine rechtlich wirksame Gesamtrechtsnachfolge vorliegt, und für die LPG ein Liquidator hätte bestellt werden müssen. § 44 LwAnpG wurde nicht beachtet. 

Die Problematik der Agrargroßgetriebe ist unverkennbar:

  1. Häufig fehlende wirksame Gesamtrechtsnachfolge.
  2. Keine dem Gesetz (LwAnpG) entsprechende den einst zwangskollektivierten Bauern zustehende Vermögenszuordnung, so dass noch immer mit dem einst kollektivierten Bauernvermögen gewirtschaftet wird.
  3. Millionen D-Mark/EUR Subventionierung durch Bund, Länder und EU, ohne Beachtung der Fördervoraussetzungen, so dass staatlich sanktioniert in all den Jahren Milliarden Subventionen ausgezahlt wurden. Dies gilt selbst heute noch, wenn diese Fördervoraussetzungen nicht mehr in den aktuellen Förderrichtlinien stehen.
  4. Millionen Euro Direktzahlungen/Subventionierung nach GAP durch die EU, berechnet nach Fläche/ha ohne Berücksichtigung des Arbeitskräftebedarfs ob Viehhaltung - Milchvieh -, so dass sich Vorstände, Geschäftsführung und wenige AK der Agrarkapitalgesellschaften jährlich ganz erheblich bereichern können.  

Familienbetriebe haben dagegen ab 2014 trotz seitheriger Benachteiligung    eine Kürzung zu befürchten.

  1. Viele der Agrarkapitalgesellschaften haben seit 2002 nahezu die gesamten Personalkosten mit diesen Direktzahlungen gedeckt. Wenn dies unseren viel zitierten Mittelstand gewerblicher Unternehmen bekannt wäre!
  2. Offene Diskussion über die Reform der GAP ab 2014 ohne vorgenannte Probleme öffentlich anzusprechen, gehen ins Leere. Stattdessen werden die vorgesehenen 7 % Greening/Stilllegung heftig, oft sicher zu Recht, angegriffen, denn in vielen Regionen sind diese Zielvorgaben schon immer weitgehend erfüllt. Umweltschutzfragen, Gülle im Überfluss, Grundwasserbelastungen, Massentierhaltungen, Tierschutz, Antibiotikaeinsatz, falsch deklarierte Nahrungsangebote lenken zunehmend nicht nur die öffentliche Aufmerksamkeit auf die gesamte Agrarwirtschaft, die Bauern, die Agrarkapitalgesellschaften, so wie die Konzerne - Monopole -, ihre Abnehmer und Betriebsmittellieferanten.
  3. Die fortgesetzte Subventionierung von Investitionen in Massentierhaltung - Großanlagen  mit Steuergeldern der Bürger - bleibt eine unverantwortliche Finanzpolitik der Länder, des Bundes und der EU.
  4. Die zu erwartende Übertragung eines Teils der Mittel der GAP aus der I. Säule in die II. Säule - Agrarinvestitionsförderung, Agrarumweltmaßnahmen, Erfassung von Erzeugnissen, Be- und Verarbeitung - lässt die Gefahr aufkommen, dass diese Mittel der II. Säule künftig annähernd so ungerecht verteilt  und zugeordnet werden könnten wie seither die der I. Säule. Denn entscheidend ist und bleibt, wer bekommt wie viel Euro für welche notwendigen und tatsächlich realisierten Leistungen, die ohne diese Subventionen nicht finanzierbar wären. Die Pflicht/Verpflichtung zur gesunden Wirtschaftsweise ist  selbstverständlich und per Gesetz/Verordnung ohne Subventionen möglich/nötig.
  5.  Verstärkte Förderung wäre dringend geboten für die Selbstvermarktung so wie Bio-, Öko- und Solar gestützte Landwirtschaft.
  6. Die Marktbeherrschung der Agrarindustrie, der Marktpartner der Bauern,  Monopol - Konzerne - wäre auch mit staatlicher Hilfe zu kontrollieren und einzuschränken.
  7. Die AbL e. V. so wie euronatur - Stiftung - haben in einem gemeinsamen Papier mit 27 weiteren Vereinigungen zu diesem gesamten Fragekomplex klare Position bezogen.  

Als Ergebnis lässt sich feststellen, dass im Beitrittsgebiet alle 3 staatlichen Ebenen - Legislative, Exekutive, Judikative - seit 1990/91 Unrecht zum Nachteil der privaten Unternehmer, der Bauern, der Familienbetriebe toleriert und praktiziert haben. Alles zu Lasten der Steuerzahler, der Staatshaushalte, der Glaubwürdigkeit in den Rechtsstaat. Sehr viele Menschen, die 40 Jahre DDR-Unrecht haben ertragen müssen, können nie verstehen, wieso der Rechtsstaat, die Bundesrepublik Deutschland, dieses Unrecht bis heute (2013) akzeptiert, fortsetzt und seine Existenz auf Spiel setzt. Die konkrete Problematik wird verschwiegen, verdrängt. Die Industrialisierung der Landwirtschaft  nimmt weiter ihren Lauf. Vertrauen, Verantwortungsbewusstsein, Glaubwürdigkeit in diese Politik schwindet, Vertretung des Berufsstands - Deutscher Bauernverband (DBV), den Genossenschaftsverband (Agrargenossenschaften),  verdrängen und verschweigen die jährlichen Milliarden, die den Bauern in Ost und West vorenthalten werden. Sie vertreten die Interessen der Agrarkapitalgesellschaften, sitzen mit diesen in den Aufsichtsräten der Agrarindustrie - Monopole.

Der Staat, seine Politiker und Berufsvertreter haben die Menschen verlassen. 

1)     Beleites „Leitbild Schweiz oder Kasachstan“

2)     Deutschland Archiv, 4/2012 

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